Das Bundesverfassungsgericht hat nach einer Klage von Axel Springer deutliche Kritik an der Praxis geübt, Urteilsbegründungen in Eilverfahren über Monate hinweg zurückzuhalten. In Zivilprozessen müsse die Frist zur schriftlichen Urteilsabfassung dem Einzelfall gerecht werden, so die Richter – insbesondere dann, wenn schnelle Rechtsmittel nötig seien. Der Begriff „alsbald“ in der Zivilprozessordnung sei kein starres Zeitmaß, sondern verlange eine Abwägung der Interessen der betroffenen Partei.

Hintergrund ist eine Verfassungsbeschwerde des Medienunternehmens Axel Springer, zu dem auch WELT gehört. Springer hatte kritisiert, ein Hamburger Zivilgericht habe sich mit der schriftlichen Begründung eines Urteils zu viel Zeit gelassen. Damit sei das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt worden. Unter diesen Umständen habe man keine fundierte Berufung gegen das Urteil einlegen können.

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde zwar nicht zur Entscheidung an. Zwar könne das späte Nachreichen von Urteilsgründen problematisch sein, insbesondere in eilbedürftigen Verfahren. Doch Springer habe nicht ausreichend dargelegt, warum eine Berufung nicht auch auf Grundlage der bekannten Ausführungen aus dem früheren Beschluss und der mündlichen Verhandlung möglich gewesen sei, so die Begründung des Gerichts.

Konkret ging es um eine Recherche über ein Drohnen-Unternehmen und mögliche Verbindungen nach Russland. Das Landgericht Hamburg untersagte bestimmte Aussagen aus der Berichterstattung per einstweiliger Verfügung. Zwar fand eine mündliche Verhandlung statt, das schriftliche Urteil blieb jedoch zunächst ohne Begründung. Springer argumentierte, unter diesen Umständen habe man keine fundierte Berufung gegen das Urteil einlegen können.

„Für zukünftige Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz steht damit fest, dass Gerichte sich für Urteilsbegründungen nicht schlicht an der für Hauptsacheverfahren entwickelten Fünfmonatsfrist orientieren können, sondern dass eine Einzelfallprüfung zu erfolgen hat, die aufgrund der Eilbedürftigkeit regelmäßig dazu führen dürfte, dass eine deutlich schnellere Urteilsbegründung geboten ist“, kommentiert Stefan Engels von der Kanzlei DLA Piper, der das Verfahren von Springer federführend betreut hat

In den Prozessordnungen heißt es, ein Urteil soll grundsätzlich innerhalb von drei Wochen nach Verkündung vollständig abgefasst werden. Ist das nicht möglich, dürfen Gerichte das Urteil zunächst ohne Begründung verschicken und die Gründe später nachreichen. 1993 hatten sich die obersten deutschen Bundesgerichte auf eine maximale Frist von fünf Monaten verständigt – ein Zeitrahmen, den Karlsruhe nun zumindest für Eilverfahren infrage stellt.

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