Mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete haben rechtliche Zweifel an den umfassenden Zurückweisungen an den deutschen Grenzen geübt. „Weisungen an die Bundespolizei auf eventuell wackeliger Rechtsgrundlage werden der Situation nicht gerecht, insbesondere wenn damit vor allem politische Signale bezweckt werden“, sagte der SPD-Abgeordnete Sebastian Roloff dem Magazin „Stern“. Roloff ist auch Mitglied des SPD-Parteivorstands.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte der Bundespolizei per Erlass ausdrücklich erlaubt, Menschen auch dann zurückzuschicken, wenn sie ein Schutzgesuch äußern. Die Rechtsgrundlage für das Vorgehen an der deutschen Grenze ist umstritten. Grüne und Linkspartei forderten Aufklärung. Dobrindt kündigte an, der EU-Kommission eine rechtliche Begründung für die verschärften Grenzkontrollen zu liefern.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit äußerte auch der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci. Dem Magazin sagte er, es sei entscheidend, dass die zurückgewiesenen Asylsuchenden Zugang zu einem Verfahren hätten. Auch deshalb bestehe die SPD-Bundestagsfraktion auf einer Abstimmung mit den Nachbarländern.

Es sei niemandem damit gedient, wenn Menschen in Grenzgebieten untertauchten und dann eine andere Stelle für den Übertritt suchten. Der SPD-Abgeordnete Jan Dieren erklärte, der Eindruck sei bedenklich, dass eine Weisung erteilt worden sei, ohne vorher eine Rechtsgrundlage zu finden.

Straßburg und Kehl schicken Brandbrief an Merz

Kehls Oberbürgermeister Wolfram Britz und seine Straßburger Amtskollegin Jeanne Barseghian haben sich derweil bei Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) über die verstärkten Kontrollen beschwert. Sie beeinträchtigten das Leben in dem deutsch-französischen Ballungsraum erheblich, wie die beiden Stadtoberhäupter in einem von der Stadt Kehl mitgeteilten Brief schrieben.

Der parteilose Kehler Rathauschef Britz hatte den Protestbrief bereits vor rund zwei Wochen angekündigt. Nun unterschrieb den Angaben zufolge auch die ostfranzösische Grünen-Politikerin Barseghian. Straßburg ist Sitz des Europaparlaments – die elsässische Metropole hat deshalb für das Zusammenwachsen Europas eine besondere symbolische Bedeutung.

Die seit dem 8. Mai verstärkten Kontrollen machten sich wirtschaftlich bemerkbar, berichteten die Oberbürgermeister. Der Kehler Einzelhandel habe weniger Kundinnen und Kunden aus der benachbarten Region Straßburg. Unternehmen in der baden-württembergischen Grenzregion seien auf Fachkräfte aus dem benachbarten Elsass angewiesen.

„Grenzkontrollen in dieser Form stellen einen Wettbewerbsnachteil dar“, heißt es den Angaben zufolge in dem Brief an den Kanzler. Die beiden Politiker luden Merz zu einem Besuch ein.

An der Europabrücke, die als Nadelöhr für den Verkehr zwischen Ostfrankreich und Deutschland gilt, stauen sich wegen der verstärkten Kontrollen häufig Autos. Viele Elsässer fahren zur Arbeit und zum Einkaufen ins benachbarte Baden-Württemberg.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.