Wenn, ja, wenn man eine dieser Nichtregierungsorganisationen doch nur auf frischer Tat ertappte! Zum Beispiel einen gemeinnützigen Naturschutzverein, der mit Flugblättern und Infoständen für die Grünen werben würde, gleichzeitig aber vom Staat Tausende Euro bekäme, um die Umwelt zu schützen. Dann, ja, dann hätte eine NGO öffentliche Finanzen veruntreut. Und man hätte einen handfesten Skandal. Davon sind führende Freidemokraten überzeugt.

Auffällig oft sprechen sie dabei jedoch im Konjunktiv – denn sie wissen nicht, ob es solche Fälle gibt. Zwar hält es Ralf Witzel, der FDP-Fraktionsvize in NRW, „für gut möglich, dass im Land Organisationen mit Steuergeld gefördert werden, die regelmäßig gegen ihren Anspruch parteipolitischer Neutralität verstoßen“. Aber aktuelle Belege legt er nicht vor.

FDP fordert Transparenzoffensive

Deshalb fordert die FDP nun in mehreren Bundesländern eine Transparenzoffensive: Die staatliche Förderung von NGOs und deren parteipolitische Neutralität sollten durchleuchtet werden. Ein zentrales Prüfverfahren sei nötig, um herauszufinden, ob geförderte und vor allem gemeinnützige NGOs sich zugunsten einer Partei engagierten. Ganz ähnlich klingen auch Forderungen aus den Reihen der AfD. In so manchem Bundesland beantragte auch sie nun, einen vermeintlich „tiefen Staat“ trockenzulegen und NGOs zu parteipolitischer Neutralität zu zwingen.

Inspiriert zu diesem Vorstoß wurden FDP und AfD von der Union im Bund. Deren jetziger Kanzler und Ex-Oppositionsführer Friedrich Merz hatte im Februar Ähnliches von der damaligen Bundesregierung unter Olaf Scholz (SPD) gefordert. Hintergrund waren bekanntlich die massiven Proteste, die kurz vor der Bundestagswahl „gegen rechts“ stattfanden und die Union attackierten, weil diese einen Gesetzentwurf zur Migrationsbegrenzung eingebracht hatte, der mit AfD-Hilfe eine Mehrheit fand. Mehrere Organisationen, die bei diesen Demonstrationen CDU und CSU angriffen, wurden zum Teil mit Steuergeld finanziert.

Wie abhängig sind NGOs vom Staat?

Doch seit die Union im Bund mit der SPD koaliert, ist ihr Interesse an der Parteilichkeit Staats-finanzierter NGOs merklich geschrumpft. Aus der Bundestagsfraktion von CDU und CSU werden kaum mehr Initiativen zu dem Thema erwartet. Stattdessen dringen nun in diversen Ländern FDP und AfD auf mehr Transparenz und sehen sich damit als wahre Vollstrecker von Merz‘ früheren Postulaten.

Bei der Förderung von NGOs geht es um beträchtliche Summen. In der EU werden jährlich Milliardenbeträge dafür ausgegeben, in Bundesländern wie NRW sind es zumindest einige Hundert Millionen Euro. So weit, so klar. Viele andere Fragen sind dagegen unklar. Deshalb will die FDP laut ihrem Haushaltsexperten Ralf Witzel ausleuchten, „ob manche sogenannte NGOs ohne staatliche Zuwendungen gar nicht existieren könnten, ob sie also abhängig sind vom Staat“ und „ob solche Organisationen womöglich wiederholt durch einseitige Unterstützung von Parteien auffielen“.

NRW-CDU kritisiert den Vorstoß von Friedrich Merz

Bei SPD, Grünen und CDU lösen solche Anträge Kritik aus. Die CDU in Ländern wie NRW mäkelt damit aber auch an ihrem Bundesvorsitzenden und Kanzler, der im Frühjahr noch so klang wie nun die FDP. So bemängelt der CDU-Haushalts- und Finanzexperte in NRW, Olaf Lehne, „ein Generalverdacht gegen NGOs schadet der Demokratie und untergräbt das Vertrauen in zivilgesellschaftliches Engagement“. Lehne beteuert, „schon heute“ sorgten „klare Regelungen der Landeshaushaltsordnung und Nachweispflichten für eine rechtssichere und zweckgemäße Verwendung öffentlicher Mittel“. Dass die NRW-CDU Hendrik Wüsts geschlossen hinter dem damaligen NGO-Vorstoß von Friedrich Merz stünde, kann man somit nicht mehr sagen.

Schon jetzt wird NGOs auf die Finger geschaut – ein Stück weit

Richtig an der Kritik ist zumindest dies: Wer als gemeinnützige NGO staatliche Zuschüsse erhält, muss nachweisen, wie er das Geld verwendet. Solche Nachweise bestehen aus einer Auflistung eigener Aktivitäten und dabei ausgegebener Summen. Sie müssen beim jeweiligen Geldgeber zur Prüfung eingereicht werden. In manchen Fällen reicht ein vereinfachter Verwendungsnachweis aus, der weniger detailliert und aussagekräftig ist.

Gleichwohl müssen geförderte NGOs damit rechnen, dass der Geldgeber oder auch der Landesrechnungshof ihnen über die Schulter schauen könnte. Immer wieder knöpfen sich zudem Fraktionen in den Parlamenten von Bund, Land und Kommune einzelne NGOs und deren Verwendungsnachweise vor. Sollte einer Organisation die Veruntreuung öffentlicher Zuschüsse nachgewiesen werden, wäre das eine Straftat. Die Annahme, NGOs könnten Staatsgeld nach Lust und Laune verjubeln und treiben, was sie wollen, trifft also nicht zu.

Wenn grüne Minister grüne NGOs kontrollieren sollen

Was allerdings fehlt, ist zum einen eine zentralisierte Erfassung und Kontrolle aller geförderten NGOs und ihrer parteipolitischen Neutralität – und zum anderen eine unabhängige Prüfstelle, die die Geldempfänger ohne jedes Eigeninteresse beurteilt. Bislang kontrolliert überwiegend der Geldgeber, ob die von ihm geförderte Organisation parteipolitisch neutral agiert.

Wer aber eine NGO fördert, steht ihr häufig nahe, was oft auf Gegenseitigkeit beruht. Entdeckt zum Beispiel ein grün geführtes Ministerium, dass eine von ihm geförderte NGO nebenbei für die Grünen wirbt, könnte es daher versucht sein, beide Augen zuzudrücken, weil es davon ja profitiert – so fürchtet man in der FDP. Sie wirbt daher für eine Prüfstelle, der niemand Befangenheit unterstellen könnte.

Wie viel Parteinahme darf es denn sein?

Umstritten ist auch die Frage, was überhaupt kontrolliert werden soll: Muss eine geförderte NGO immer oder nur in der Regel parteipolitisch neutral auftreten? Dazu gibt es längst Rechtsprechung, vor allem ein Urteil des Bundesfinanzhofes. Demnach zwingt allein die staatliche Förderung noch keine Organisation dazu, parteipolitisch neutral zu agieren. Anders steht es mit Geldempfängern, die als gemeinnützig anerkannt wurden. So darf etwa ein Verein für Naturfreunde umweltpolitisch Positionen einer Partei unterstützen, weil der Naturschutz sein Förderzweck ist.

Das gilt aber nicht für parteipolitisches Engagement, das mit dem Förderzweck wenig zu tun hat. In diesem Fall sind seltene Äußerungen zu tagespolitischen Ereignissen gestattet, nicht aber regelmäßige Stellungnahmen oder gar Aktionen, die Zeit und Geld kosten. CDU-Mann Lehne veranschaulicht dies so: „Wenn ein gemeinnütziger Naturschutzbund einmal mitteilt, dass er für ein AfD-Verbot plädiert, ist das zulässig. Fertigt er aber ein 1000-seitiges Schwarzbuch zur AfD an, verstößt er gegen die Pflicht zu parteipolitischer Zurückhaltung.“

Einsamer Kampf der AfD

Vor allem die AfD vertritt da ein anderes Rechtsverständnis. Sie hält es bereits für intolerabel, wenn eine geförderte Gruppe öffentlich ein Verbot der Partei unterstützt. Und dafür kann sie, anders als die FDP, auch etliche konkrete Beispiele auflisten. Denn zahlreiche geförderte und gemeinnützige Vereine haben unlängst ein Parteiverbot der AfD gefordert – womit sie zweifellos nicht parteipolitisch neutral auftraten.

Solche öffentlichen Stellungnahmen geben die meisten dieser Organisationen aber nur sehr selten ab, was ihr Verhalten nach herrschender Meinung tolerabel macht. Andererseits ist der Ruf nach Verbot einer Partei ein kaum mehr zu steigernder Bruch mit dem Prinzip parteipolitischer Neutralität, so hält man im AfD-Umfeld dagegen. Worauf die anderen Parteien entgegnen, es gehe nicht um die Qualität, sondern um die Quantität solcher Stellungnahmen zu tagespolitischen Ereignissen.

Es bleibt, wie es ist

Womöglich wird die AfD in dieser Frage den Gerichtsweg einschlagen, auch wenn Experten ihr kaum Erfolg einräumen. Doch ob auf juristischem oder parlamentarischem Weg – an der derzeitigen Kontrollpraxis wird sich so schnell wohl nichts ändern. So räumten Christdemokraten im Gespräch mit WELT ein, einzelne Bestimmungen zur NGO-Kontrolle könnten durchaus eine Überarbeitung vertragen. An solche Reformen werde man sich aber erst heranwagen, wenn die CDU nicht mehr mit SPD oder Grünen koaliere. Doch in allen Bundesländern, in denen die CDU regiert, koaliert sie mit SPD oder Grünen.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.