CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat umfassende Kritik an der gegenwärtigen Arbeits- und Sozialpolitik geäußert. Deutschland müsse sich neu justieren, sagte er im Gespräch mit dem „Stern“ – mit mehr Leistungsanreizen, weniger Bürokratie und einer Reform des Bürgergelds.

Laut Linnemann fehle es nicht an der Bereitschaft der Menschen mehr zu arbeiten, sondern an den politischen Rahmenbedingungen. „Ja, wir arbeiten statistisch gesehen zu wenig. Aber die Deutschen sind nicht faul“, sagte er. Derzeit lohne sich Mehrarbeit kaum, was sich ändern müsse.

Bürgergeld als Reizthema

Besonders deutlich wurde der CDU-Politiker beim Thema Bürgergeld. Auf die Frage, wen der Kanzler denn mit seiner Aussage über eine „gewaltige Kraftanstrengung“ meine, sagte Linnemann: „Zuallererst natürlich jene Bürgergeldempfänger, die eigentlich arbeiten könnten, aber es nicht wollen und das System ausnutzen.“ Daher komme die Stimmung in Deutschland. „Sie erleben doch kaum noch eine Geburtstags- oder Familienfeier, auf der nicht über das Bürgergeld gesprochen wird.“

Und weiter: „Es geht ungerecht zu, es gibt Menschen, die sich im Bürgergeld ausruhen.“ Über 200.000 Bürgergeldempfänger könnten eigentlich sofort arbeiten, lehnten aber Jobangebote wiederholt ab.

Für ihn sei die geplante Bürgergeldreform „die wichtigste Sozialstaatsreform seit der Agenda 2010“. Kritik an vermeintlicher Härte weist Linnemann zurück; es gehe um Fairness gegenüber denjenigen, „die arbeiten und das System finanzieren“.

Gleichzeitig warnte er Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) aber vor einem Schnellschuss: „Das muss sitzen“, sagte Linnemann dem Magazin weiter. „Wenn Sie sich anschauen, wie kompliziert das System ist, die Transferentzugsraten, die Schnittstellenproblematik mit anderen Systemen wie dem Wohngeld – dann wird eine Sozialstaatsreform ein Jahr dauern. Wir werden erst im Frühjahr diese Reform auf den Weg bringen können.“

Showdown im Koalitionsausschuss

Linnemanns Timing ist kein Zufall. Bereits am Sonntagabend hatte er in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ deutlich gemacht, wie ernst es seiner Partei mit der Reform des Sozialstaats sei. Das Thema hat Potenzial, zum Zankapfel der neuen Bundesregierung zu werden. Vor allem bei der Rentenfinanzierung offenbarten sich zuletzt Gräben zwischen Union und SPD. So hatte Arbeitsministerin Bärbel Bas unlängst gefordert, zur Finanzierung der gesetzlichen Renten auch Beamte und Selbstständige einzubeziehen. Ein Vorstoß, dem die Union eine Absage erteilte.

Auch schwelt ein Konflikt um die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Beim Koalitionsausschuss am Mittwoch dürfte sich zeigen, ob die neue Regierung in der Lage ist, bei diesen Themen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

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