Bürokratie sei wie Cholesterin, schreibt die renommierte US-Wirtschaftszeitung „Wall Street Journal“ – es gebe gute wie schlechte. So könne ein gut funktionierender Staat für Verlässlichkeit sorgen und Unternehmen wichtige Dienstleistungen bereitstellen, doch ein Zuviel an Staat auch Prozesse lähmen. Und insbesondere in Europa sei Bürokratie ein Problem.
In einem Artikel vom Freitag mit der Überschrift „Der seelenzermürbende Kampf, im bürokratischen Deutschland ein Unternehmen zu führen“ berichtet die Zeitung über verschiedene Beispiele aus Deutschland. So spricht unter anderem der Gründer des Textil-Startups „Nordwolle“, Marco Scheel, der seit Jahren in Medien und auf seinem YouTube-Kanal seinen Kampf gegen die Bürokratie anprangert. Er habe sein Unternehmen in ein 200 Jahre altes Gut in Teplitz an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns verlegt – ein Schritt, der sich später als illegal herausstellte.
Scheel berichtet: Die örtlichen Behörden waren zunächst der Ansicht, dass das dunkle Metalldach für die Unterbringung von Pferden und nicht von menschlichen Mitarbeitern geeignet sei. Dann stellte sich heraus, dass die provisorische Metalltreppe, die als zweiter Fluchtweg dient, auf einer Granitplatte steht – einem „natürlichen Baustoff“, der eine besondere Baugenehmigung erfordert. Und ein nicht vorschriftsmäßiges Rauchabzugsfenster blockiert bis heute die Baufreigabe. Inzwischen belaufen sich die Bußgelder auf 25.000 Euro.
Das „Wall Street Journal“ erklärt in seinem Bericht, wie das in Deutschland entstandene „Vorsorgeprinzip“ Bürokratie-Auswüchse begünstige. In den 1970er bis 1980er-Jahren sei ein Konzept entstanden, nach dem der Staat im Zweifelsfall versuchen sollte, Risiken zu verhindern, bevor sie entstehen. Was erst in der Umweltgesetzgebung Anwendung fand, habe sich schnell auf andere Bereiche ausgeweitet und wirke in den Augen von Kritikern risikoavers und innovationsfeindlich.
Und während Frankreich und Dänemark in letzter Zeit Fortschritte beim Bürokratieabbau gemacht haben, fiele Deutschland hingegen als eines der wenigen Länder auf, in dem die Bürokratielast im Laufe der Zeit sogar zugenommen hat.
Brütende Feldlerchen und Behördenchaos als Negativbeispiele
Als weitere Beispiele – neben dem von Gründer Marco Scheel – erinnert das „Wall Street Journal“ an Beschwerden von Lokalpolitikern darüber, dass ein stark befahrener, rund drei Kilometer langer Straßenabschnitt im Stadtteil Karlshorst seit fast 15 Jahren wiederholt aufgerissen werden musste. Der Grund: Der Nahverkehrsbetrieb, die Wasserbetriebe und die Landesregierung hätten es versäumt, den Bau eines neuen Regenwasserkanals mit der Straßensanierung und dem Gleisbau für die Straßenbahn abzustimmen.
Am Frankfurter Flughafen mussten die Bauarbeiten einer Photovoltaikanlage wegen 500 brütender Feldlerchen für Monate unterbrochen werden, heißt es in einem weiteren Beispiel.
Eine Besuchergruppe von schwedischen Investoren habe erklärt, Deutschland sei für Übernahmen und Direktinvestitionen zunehmend unattraktiv geworden – es gelte als zu teuer und überreguliert. „Sogar die Schweiz – die nun wirklich nicht als Wilder Westen gilt – wird derzeit als spannender wahrgenommen“, sagte einer von ihnen laut „Wall Street Journal“.
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