Die Bundesregierung möchte statt der bisherigen täglichen Höchstarbeitszeit eine Begrenzung pro Woche einführen. Dadurch werden längere Arbeitstage möglich. Was bedeutet das für die Gesundheit?

Seit 1919 gilt in Deutschland eine Höchstarbeitsdauer von acht Stunden am Tag. Dieses Konzept beruht auf dem Grundsatz acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit, acht Stunden Schlaf. Längere Arbeitstage sind ausnahmsweise möglich, sie müssen aber innerhalb von einem halben Jahr ausgeglichen werden. Die neue Regierung möchte mehr Flexibilität ermöglichen. In stressigen Phasen sollen lange Arbeitstage regelmäßig möglich sein, in weniger stressigen Phasen entsprechend kürzere Tage.

Was am Ende zählt, ist nicht mehr, wie viel im Schnitt pro Tag gearbeitet wird, sondern dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insgesamt unter 48 Stunden pro Woche bleiben. Bei fünf Arbeitstagen wären demnach knapp zehn Stunden regelmäßig möglich. Die vertraglich festgelegte Arbeitszeit muss dabei selbstverständlich eingehalten werden, alles darüber hinaus sind nach wie vor Überstunden.

Was machen lange Arbeitstage mit der Gesundheit?

Lange Arbeitstage und zu wenig Erholung belasten den Körper. Nils Backhaus forscht für die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. In seinen Projekten untersucht er, unter welchen Bedingungen am effektivsten gearbeitet wird. Er sagt, dass die Studienlage in eine eindeutige Richtung zeigt: Demnach erhöhen lange tägliche Arbeitszeiten von zehn Stunden und vielleicht noch mehr das Risiko für psychische Erkrankungen, koronare Herzerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und Schlafstörungen.

Negative Auswirkungen auch im Büro und Homeoffice

In vielen Studien werden bestimmte Branchen betrachtet, zum Beispiel die Schichtarbeit in der Pflege. Nicht immer können die Ergebnisse der Studien verallgemeinert werden. Schließlich unterscheidet sich das Arbeitsumfeld im Krankenhaus sehr von dem einer Baustelle, und die unterscheidet sich wiederum von einem Büro.

Dass lange Arbeitszeiten bei körperlich anstrengenden Jobs irgendwann zu Problemen führen, liegt nahe. Aber wie sieht es bei klassischen Büro-Tätigkeiten aus, bei denen es auch die Möglichkeit für Homeoffice gibt? Dazu gibt es eine aktuelle Studie, die auf einer repräsentativen Stichprobe basiert. Die Möglichkeit für Homeoffice war ein Kriterium der Stichprobe. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass lange tägliche Arbeitszeiten verstärkt zu größerer Erschöpfung und Konflikten zwischen Beruf und Privatleben führen, aber auch zu Schwierigkeiten nach der Arbeit abzuschalten.

Lange Arbeitszeiten erhöhen Unfallrisiko

Neben den gesundheitlichen Aspekten gibt es auch Leistungseinbußen. Wenn Beschäftigte länger als acht Stunden arbeiten, nimmt deren Aufmerksamkeit, Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit ab. Insbesondere bei physisch und psychisch belastenden Jobs ist das gefährlich, denn Müdigkeit provoziert mehr Fehler und Unfälle. Das Unfallrisiko ist nach zwölf Stunden Arbeit doppelt so hoch wie noch in der achten Arbeitsstunde. Das gilt nicht nur für Unfälle am Arbeitsplatz, sondern auch für Unfälle, die nach der Arbeit passieren, zum Beispiel auf dem Heimweg im Straßenverkehr.

Wie können wir mehr leisten?

Trotzdem sind die Anforderungen der Regierung klar. Bundeskanzler Friedrich Merz ist sich sicher: "Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten." Erstmal funktionieren längere Arbeitszeiten und Überstunden für das Unternehmen gut, dadurch wird Personalmangel abgefedert, und auch kurzfristige konjunkturelle Schwankungen können ausgeglichen werden.

Langfristig kommt es aber zu Arbeitsausfällen und man erreicht genau das Gegenteil - dazu ist die Studienlage deutlich. Der nachhaltigere Weg zu mehr Leistung führe über Pausen und Erholungszeiträume. Aus der Erholungsforschung ist bekannt, dass Belastungen zeitnah ausgeglichen werden müssen. Ausreichend Pausen und Ruhezeiten wirken kurzfristig zwar wie "verschwendete Arbeitszeit", sorgen aber langfristig dafür, dass das Personal leistungsfähig bleibt.

Folgen für Schichtsysteme

In einem Schichtsystem kann es zum Beispiel sinnvoll sein, mehr und dafür kürzere Schichten zu nutzen. Dafür notwendig ist genügend Personal. Das aber ist schwierig angesichts des Fachkräftemangels. Man steht also vor einem Dilemma. Trotzdem muss den Unternehmen klar sein: Wenn das Personal regelmäßig mit zu langen Schichten belastet wird, kommt es zu Personalausfällen. Überlastete Mitarbeiter werden nicht am nächsten Tag krank, sondern oft erst Jahre später. Sie wechseln dann zum Beispiel schon lange vor dem Ruhestandsalter von der Schichtarbeit in den Tagesdienst.

Ausreichend Pausen und Ruhezeiten schließen längere Arbeitstage nicht aus, ihnen muss aber zeitnah eine Entlastung folgen. Um das sinnvoll umzusetzen, braucht es eine Unternehmenskultur, die sich der Bedeutung von Erholung bewusst ist. Je nach Branche kann diese Erholung ganz unterschiedlich aussehen. Es braucht individuell abgestimmte Modelle, die zur jeweiligen Arbeitsstruktur passen.

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