Während der Wall Street schwache Konjunkturdaten zu schaffen machten, konnte der DAX erneut mit einem Kursrekord aufwarten. Die Anleger rechnen fest mit einer Zinssenkung der EZB.
Es war ein mühsamer Tag an der Wall Street. Einerseits zeigen sich viele Investoren zunehmend gleichgültig gegenüber den fast täglichen Wendungen in den zahlreichen Handelskonflikten, die US-Präsident Donald Trump losgetreten hat. Andererseits machten ihnen heute Schwächesignale von der US-Konjunktur zu schaffen.
Der Dow Jones, der lange ein leichtes Plus behaupten konnte, ging schließlich 0,22 Prozent tiefer bei 42.427 Punkten aus dem Handel.
Die Technologietitel des Nasdaq 100 schafften ein Plus von 0,27 Prozent auf 21.721 Punkte. Was den Zollstreit mit China betrifft, warten die Marktteilnehmer nun gespannt auf ein Telefonat von Trump mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping, das im Laufe dieser Woche stattfinden soll.
US-Daten überraschend schwach
Die Sorge vor rezessiven Tendenzen durch die ungelösten Handelskonflikte bekam heute neue Nahrung. Laut den Beschäftigungsdaten des privaten Dienstleisters ADP wurden in der Privatwirtschaft im Mai weniger Stellen geschaffen als erwartet. Während Volkswirte im Schnitt eigentlich 114.000 neue Jobs erwartet hatten, fiel die Zahl mit 37.000 enttäuschend aus. Das war der niedrigste Wert seit Mai 2023, was auch einen Schatten auf den offiziellen Arbeitsmarktbericht am Freitag wirft.
Auch der Stimmungsindikator der US-Dienstleister enttäuschte. Der Einkaufsmanagerindex sank im Mai überraschend auf 49,9 Punkte nach 51,6 Zählern im April, wie die monatliche Umfrage des Institute for Supply Management (ISM) ergab. Das Barometer fiel damit knapp unter die Wachstumsschwelle von 50 Zählern, wie zuvor schon der Einkaufsmanagerindex des produzierenden Gewerbes.
Trump attackiert erneut Powell
US-Präsident Trump nutzte die Veröffentlichung der Zahlen für eine erneute Attacke auf Zentralbankchef Jerome Powell. Dieser reagiere "zu spät", schrieb Trump im Onlinedienst X. "Powell muss jetzt den (Leit-)Zins senken", forderte der Präsident. Er verwies auf die wiederholten Zinssenkungen in Europa. Der nächste Zinsentscheid steht am 18. Juni an. Die Finanzmärkte erwarten eine weitere Zinssenkung derzeit allerdings erst im September.
Der am Abend veröffentlichte Konjunkturbericht der Fed, das "Beige Book", brachte in dieser Frage kaum neue Erkenntnisse. Das US-Konjunkturbild hat sich laut der US-Notenbank zuletzt leicht eingetrübt. "Alles in allem bleibt der Ausblick leicht pessimistisch und unsicher, unverändert im Vergleich zum vorherigen Bericht", teilte die Notenbank mit. Alle Berichte aus den Bezirken zeigten zugleich, dass höhere Zollsätze zu einem Aufwärtsdruck auf Kosten und Preise führten.
EZB vor nächster Zinssenkung
Mehr Klarheit herrscht über den nächsten Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Inflationsrate im Euroraum war im Mai überraschend deutlich gefallen, wie das Statistikamt Eurostat mitgeteilt hat. Mit 1,9 Prozent liegt die Teuerung nun nicht nur auf dem niedrigsten Stand seit September 2024, sondern sogar unter dem Inflationsziel der EZB von 2,0 Prozent.
Der Weg für eine erneute Zinssenkung der Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde ist damit frei. Am Markt wird für die morgige Ratssitzung der EZB fest mit einer Senkung des richtungsweisenden Einlagenzinssatzes um 25 Basispunkte auf dann 2,0 Prozent gerechnet. Es wäre die achte Zinssenkung seit Mitte 2024. Sinkende Zinsen machen Investitionen in Aktien attraktiver.
DAX marschiert weiter
Die Aussicht auf eine weitere geldpolitische Lockerung half heute auch dem DAX, sich über der Marke von 24.000 Punkten zu behaupten. Am Vormittag übertraf der deutsche Leitindex mit 24.346 Punkten sogar seinen Rekordstand aus der Vorwoche. Das deutsche Börsenbarometer baute damit seinen Jahresgewinn auf rund 22 Prozent aus. Im Verlauf ließ der Schwung etwas nach, und der DAX ging mit einem Plus von 0,77 Prozent auf 24.276 Punkte aus dem Handel.
Wenn unter deutschen Anlegerinnen und Anlegern trotz der Rekordrally wenig Euphorie auszumachen ist, könnte das auch an dem zuletzt gestiegenen Anteil ausländischer Investoren liegen, die durch steigende Kurse und das vermeintlich stabilere politische Umfeld in Europa angezogen werden.
Dies- und jenseits des Atlantiks treibt aber auch die Hoffnung die Kurse, dass die US-Zölle letztlich nicht so hoch ausfallen werden wie ursprünglich von Präsident Trump angekündigt. Die Börsen setzen auf den sogenannten "TACO-Trade", wobei TACO für "Trump Always Chickens Out" steht, was so viel heißt wie "Trump kneift immer". Mit dieser wenig schmeichelhaften Wendung wird auf Trumps wiederholt aufgeschobene oder abgeschwächte Zollandrohungen angespielt.
Ein weiteres Element der laufenden DAX-Rally sind die geplanten Steuererleichterungen der neuen Bundesregierung, die Unternehmen und Bürger entlasten und das Wirtschaftswachstum ankurbeln sollen. Erst heute beschloss das Kabinett in Berlin ein milliardenschweres Paket mit erweiterten Abschreibungsmöglichkeiten für Maschinen und Elektrofahrzeuge.
Euro stabil nach Vortagesverlusten
Der Euro konnte sich nach seinen deutlichen Vortagesverlusten stabilisieren. Zur Stunde tendiert er auch angesichts der schwachen US-Daten bei 1,1423 Dollar 0,3 Prozent höher. Gestern war die Gemeinschaftswährung wegen einer niedriger als erwartet ausgefallenen Inflation in der Eurozone unter Druck geraten.
Ölpreise drehen nach unten
Die US-Konjunkturdaten setzten dagegen die Ölpreise unter Druck. Am späten Abend kostet die Sorte Brent aus der Nordsee 64,91 Dollar je Barrel (159 Liter) und damit 1,0 Prozent weniger.
Die überraschend deutlich gefallenen Lagerdaten aus den USA stützten die Notierungen nur wenig. Die Rohölvorräte sanken um 4,3 Millionen auf 436,1 Millionen Barrel. Analysten hatten im Schnitt mit einem Rückgang um 3,1 Millionen Barrel gerechnet.
Goldpreis weiter gut unterstützt
Die Feinunze Gold kostete mit 3.373 Dollar 0,4 Prozent mehr als am Dienstag. Zu Wochenbeginn war der Goldpreis noch bis auf 3.392 Dollar und damit den höchsten Stand seit fast einem Monat gestiegen. Die weltweite Nachfrage nach Gold von den Zentralbanken, Sicherheit suchenden Investoren und Privatpersonen, die wegen der Zollunsicherheit eine Alternative zum Dollar suchen, stützt den Goldpreis.
Infineon-Aktie mit Broadcom-Boost
Im DAX war die Infineon-Aktie der größte Gewinner. Europaweit waren Halbleiterwerte stark gefragt. Am Dienstag hatten bereits Chip-Aktien in den USA deutlich zugelegt. Hintergrund sind positive Nachrichten von Broadcom. Das US-Unternehmen hat mit der Auslieferung einer neuen Version seiner Switch-Chips für Rechenzentren begonnen, Broadcom-Aktien erreichten daraufhin gestern in New York ein Rekordhoch.
Citigroup empfiehlt DHL Group zum Kauf
Auch Aktien der DHL Group waren gefragt. Die US-Bank Citigroup hat die Titel von "Neutral" auf "Buy" hochgestuft und das Kursziel von 40 auf 48 Euro angehoben. Die mit einer Erholung der Paketmengen einhergehende mögliche Erholung der Gewinnmargen werde am Markt noch nicht ausreichend gewürdigt, betonte Analyst Arthur Truslove.
China vor Bestellung Hunderter Airbus-Maschinen?
Die Airbus-Aktie verbuchte ebenfalls kräftige Gewinne. China könnte im kommenden Monat im Zuge des Besuchs europäischer Staatsoberhäupter etwa 300 Flugzeuge bei dem weltgrößten Flugzeugbauer bestellen. Derzeit liefen Gespräche mit chinesischen Fluggesellschaften über den Umfang einer Bestellung, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider.
Thyssenkrupp: Aktionäre sollen großes TKMS-Paket bekommen
Die Aktie von Thyssenkrupp zeigte sich von der ab heute geltenden Verdopplung der US-Zölle auf Stahlimporte unbeeindruckt. Vielmehr bestimmte die Aufspaltungsfantasie den Kurs. Der kriselnde Industriekonzern will beim geplanten Börsengang der U-Boot-Tochter Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) fast die Hälfte der Anteile abspalten und den Aktionären in ihre Depots legen. "Die neue Holding-Gesellschaft der TKMS, an der die Aktionäre der Thyssenkrupp AG im Zuge der Abspaltung zu 49 Prozent beteiligt sein werden, soll an der Frankfurter Wertpapierbörse zum Börsenhandel zugelassen werden", sagte Vorstandsmitglied Volkmar Dinstuhl. Der MDAX-Konzern hatte bislang lediglich erklärt, eine Mehrheit an der Rüstungstochter behalten zu wollen.
Hapag-Lloyd rechnet mit Branchenwachstum
Der Chef der Container-Reederei Hapag-Lloyd hält aktuelle Prognosen über eine Stagnation der internationalen Branche für zu pessimistisch. Er rechne derzeit mit einem Zuwachs von vier Prozent, wobei es am Ende auch nur zwei werden könnten, sagte Rolf Habben Jansen bei einer Online-Konferenz mit Kunden. Man bleibe "erst einmal vorsichtig optimistisch".
Analyse schickt Redcare Pharmacy auf Talfahrt
Anleger nahmen bei Redcare Pharmacy Reißaus. Die im MDAX notierten Titel der Online-Apotheke brachen um über zwölf Prozent ein, nachdem die Analysten von Kepler Cheuvreux die Aktie auf "Hold" von zuvor "Buy" herabgestuft und zugleich das Kursziel von zuvor 150 auf 130 Euro gesenkt hatten. Kepler-Experte Sven Sauer sieht ein "kritisches, strukturelles Risiko" für Online-Apotheken und ihr E-Rezept-Geschäft in der Freiwilligkeit der GesundheitsID. Sie ersetze CardLink ab April 2026 als primäre Zugangsmethode für digitale Verschreibungen. Patienten ohne GesundheitsID seien dann beim E-Rezept außen vor. Redcare äußerte sich daraufhin zuversichtlich, dass es einen reibungslosen Übergang der digitalen Einlösung von Rezepten geben werde.
Thyssenkrupp Nucera punktet mit Großauftrag
Größter SDAX-Gewinner war die Aktie von Thyssenkrupp Nucera. Der Elektrolysespezialist hat einen Großauftrag zur Planung einer Elektrolyseanlage an Land gezogen. So soll der Konzern eine sogenannte Front-End-Engineering- und Designstudie (FEED) für ein groß angelegtes Wasserstoffprojekt in Europa durchführen. Der im MDAX notierten Thyssenkrupp gehören noch etwas über 50 Prozent an Nucera.
SFC Energy erhält Großauftrag aus Dänemark
Der Brennstoffzellen-Spezialist SFC Energy AG hat einen Großauftrag aus Nordeuropa erhalten. Die dänische Norlys Fibernet habe Wasserstoff-Brennstoffzellen für die Stromversorgung kritischer Telekommunikationsinfrastruktur bestellt, teilte das Unternehmen mit. Den Wert des Auftrags bezifferte SFC nicht.
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