- Laut Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sind sich die Länderchefs einig, dass für Mindereinnahmen der Länder vom Bund Ausgleich geleistet werden muss.
- Das Beispiel Thüringens zeigt, wie sich die Einnahmeausfälle auf Hunderte Millionen Euro aufsummieren würden.
- Gewerkschaften warnen vor dem Ausbleiben von Investitionen im sozialen Bereich.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff fordert einen Ausgleich für Mindereinnahmen durch das milliardenschwere Steuerpaket der Bundesregierung. Haseloff sagte MDR AKTUELL, wenn der Bund etwas wolle und die Länder mit zur Kasse gebeten würden, müsse es eine Kompensation geben. Es sei wichtig, dass man Geld vom Bund bekomme.
"Wir haben unterm Strich alle Finanzmittel ausgenutzt, die da sind. Da ist auch kein Puffer mehr, den man abbauen kann", sagte Haseloff mit Blick auf den Haushalt seines Landes. Es brauche einen Politikwechsel auch in der Wirtschaftspolitik, denn "wir haben negatives Wachstum, wir haben Steuerausfälle. Wenn wir dort nichts machen, dann wird es noch schlimmer. Dann werden die Steuermindereinnahmen noch größer, weil das Wachstum nicht da ist." Den Sozialstaat könne man dann nicht mehr bezahlen.
Ministerpräsidenten warnen und mahnen
Auch weitere Ministerpräsidenten und -präsidentinnen der Länder warnen gleichlautend vor den möglichen Folgen des Steuerpakets, mit dem die Bundesregierung die Wirtschaft ankurbeln will: Sie fürchten massive Steuerausfälle und fordern einen finanziellen Ausgleich vom Bund. Etwa die Hälfte der mit den Entlastungen verbundenen Steuermindereinnahmen soll von Ländern und Kommunen getragen werden.
Nach Angaben von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sind sich die Länder in ihrer Forderung einig. "16 Bundesländer, 16 Mal die gleiche Meinung", sagte er nach einem gemeinsamen Essen der Landesregierungschefs am Vorabend der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz. "Wir brauchen diese Reform, damit Deutschland wieder auf die Beine kommt, wir müssen wettbewerbsfähiger werden. Aber wir können das nicht den Kommunen aufhalsen, und wir können das auch nicht als Länder stemmen", sagte er im Deutschlandfunk.
Zugleich warb Kretschmer dafür, wie zwischen Ländern und Kommunen auch zwischen Bund und Ländern das Prinzip einzuführen, dass Bundesgesetze, die den Ländern Kosten aufbürden, ausgleichspflichtig sind. "Jetzt ist der Zeitpunkt, für die nächsten Jahre und Jahrzehnte eine tragfähige Lösung zu erarbeiten", sagte Kretschmer. Nötig sei auch eine Reduzierung von Sozialleistungen. Dabei sei das Bürgergeld "eines der zentralen Themen".
Voigt: Länder mit Steuerpaket nicht alleine lassen

Auch Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt und Finanzministerin Katja Wolf fordern einen Ausgleich vom Bund für mögliche Einnahmeeinbußen durch die geplanten Steuerentlastungen. "Ich halte den Investitionsbooster für sinnvoll", sagte der CDU-Politiker Voigt der Deutschen Presse-Agentur. Es gelte aber das Prinzip, wer bestelle, der müsse auch bezahlen. "Wenn der Bund Steuersenkungen beschließt, dann dürfen die Länder mit den Einnahmeausfällen nicht allein gelassen werden."
Aus dem Thüringer Finanzministerium hieß es, die Auswirkungen seien erheblich. "Ich verstehe, dass die Bundesregierung versucht, diese konjunkturellen Anreize zu setzen. Das finde ich richtig", sagte Finanzministerin Katja Wolf (BSW). Doch dies dürfe nicht auf dem Rücken der Länder passieren. "Zumal ja dann die Möglichkeit der Länder, eigene Konjunkturimpulse zu setzen, nämlich zu investieren, genommen wäre."
Berechnungen ihres Ministeriums zufolge würden sich die geplanten Steuerentlastungen im Jahr 2026 mit einem Minus von 43,6 Millionen Euro im Landeshaushalt auswirken. Im Jahr 2027 wären es 105,7 Millionen Euro, im Jahr 2028 dann bereits 182,6 Millionen Euro und im Jahr 2029 dann 188,3 Millionen Euro. In der Mai-Steuerschätzung sind diese zu erwartenden Mindereinnahmen nur teilweise eingepreist. Wolf erwartete auch Auswirkungen für die Kommunen, dazu lagen aber noch keine Berechnungen vor.
Panter: Wenig Profit für kleine Firmen
Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter hat die Steuerentlastungen für Unternehmen begrüßt, mahnt aber weitere Schritte an. "Gerade kleinere Firmen, die wenig Eigenkapital haben, profitieren von den beschlossenen Maßnahmen kaum", erklärte der SPD-Politiker.
Die Grünen-Finanzpolitikerin Katharina Beck forderte ebenfalls, die wirtschaftlichen Impulse "effektiver zu gestalten" und warnte vor negativen Folgen durch Steuerausfälle der Kommunen. Zudem kritisierte sie, von den Entlastungen würden vor allem Anteilseignerinnen und -eigner großer Unternehmen profitieren.
DGB: Folgen sind fehlende soziale Investitionen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DBG) Hessen-Thüringen appellierte an den Bund, die Kommunen im Rahmen seiner Steuersenkungspläne bei Gewerbesteuerausfällen nicht allein zu lassen. "Das rächt sich mit ausbleibenden Investitionen in Schulen, Kitas, ÖPNV oder Wohnungsbau – also in alles, was Menschen konkret brauchen", sagte Michael Rudolph, Vorsitzender des DGB Hessen-Thüringen in einer Mitteilung. Wer die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden beschneide, gefährde Vertrauen in Staat und Demokratie. "Wir fordern deshalb eine echte Kompensation für die Kommunen", sagte Rudolph.
Die Gewerkschaft Verdi forderte den Bund ebenso auf, die absehbaren Steuerausfälle der Kommunen vollständig zu übernehmen. Sonst würde die finanzielle Notlage vieler Städte und Gemeinden deutlich verschärft.
Der Steuerexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Tobias Hentze, spricht von einem "befristeten Effekt". "Die Steuerlast kehrt in den Folgejahren zurück – eine strukturelle Entlastung ist das nicht", sagt er. Mehrere Branchenverbände, etwa aus der Energiewirtschaft und der Elektroindustrie mahnten bereits zusätzliche Entlastungen an. Wichtig seien etwa schnell günstigere Strompreise.
Was das Steuerpaket der Bundesregierung beinhaltet
Der Gesetzesentwurf beinhaltet vor allem sogenannte Superabschreibungen von je 30 Prozent für drei Jahre auf Investitionen. Vorgesehen ist auch bereits die dann ab 2028 beginnende Absenkung der Körperschaftsteuer um je einen Prozentpunkt für fünf Jahre. Zudem gibt es einen "Investitionsbooster" für Elektromobilität, bei dem nicht nur die Preisobergrenze von 75.000 auf 100.000 Euro pro Wagen erhöht wird, sondern auch eine 75-prozentige Abschreibemöglichkeit im ersten Jahr der Anschaffung vorgesehen ist. Erhöht wird zudem die steuerliche Forschungsförderung.
Unternehmen sollen in den Jahren 2025 bis 2029 um rund 46 Milliarden Euro entlastet werden. Etwa in dieser Höhe müssen Bund, Länder und Kommunen geringere Steuereinnahmen einkalkulieren, was noch zu Widerstand im Bundesrat führen kann. Ob das Steuerpaket in der aktuellen Form umgesetzt wird, ist offen. Der Bundestag befasst sich heute damit in erster Lesung.
In Berlin treffen sich heute die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder. Dabei ist das Steuerpaket das wichtigste Thema.
Reuters/dpa/AFP(ys)
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