Die US-Anleger bleiben angesichts der unklaren Konjunktur- und Zinsperspektiven weiter extrem nervös. Die Wall Street drehte letztlich noch ins Minus. Der DAX blieb hingegen auf Rekordkurs.
Das anhaltende Rätselraten über die weiteren Entwicklungen im US-Zollstreit mit China hat für einen nervösen Handel an der Wall Street gesorgt. Die großen Aktienindizes wechselten mehrfach die Vorzeichen, meist ein Zeichen für Unruhe und Ratlosigkeit bei den Anlegern. Es war ein zerrissener Tag bis zur letzten Handelsminute.
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte baute seine anfänglichen Gewinne im Verlauf wieder wieder ab und ging am Ende bei 42.319 Punkten um 0,25 Prozent tiefer aus dem Handel. Der breiter gefasste S&P 500 verlor 0,53 Prozent auf 5.939 Zähler, während der Index der Technologiebörse Nasdaq 0,83 Prozent einbüßte. Der Auswahlindex Nasdaq 100 schloss 0,8 Prozent leichter.
Trump und Xi telefonieren
Am Nachmittag wurde bekannt, dass Präsident Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping miteinander telefoniert haben. Trump kündigte danach neue Handelsgespräche mit China an. Ort und Zeit des geplanten Treffens würden später mitgeteilt, schrieb er nach einem Telefonat mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping auf seiner Plattform Truth Social. Trump hat zudem eine Einladung von seinem chinesischen Amtskollegen Xi nach China angenommen - und Xi im Gegenzug nach Washington eingeladen.
"Ich habe keine Ahnung, wie das Ergebnis aussehen wird. Genau das macht das Investieren im Moment so schwierig", sagte Jed Ellerbroek, Portfoliomanager bei Argent Capital Management. "Ich glaube, es geht weniger darum, vorherzusagen, was Trump tun wird, als darum, ein Portfolio aufzubauen, das auch bei unvorhersehbaren Wendungen erfolgreich sein kann."
Euro springt nach Konjunkturdaten an - US-Jobdaten im Fokus
Am Devisenmarkt reagierten die Anleger zunächst auf gute deutsche Auftragsdaten und deckten sich mit der Gemeinschaftswährung ein. Der Euro stieg bei lebhaftem Handel im europäischen Geschäft in der Spitze bis auf 1,1493 Dollar, zuletzt wurden im US-Handel 1,1444 Dollar bezahlt. Dies auch in Reaktion auf deutlich gestiegene Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA, die am Nachmittag ebenfalls für Bewegung sorgten.
Die wöchentlichen Neuanträge lagen überraschend auf dem höchsten Wert seit über einem halben Jahr, womit sich die jüngste Serie enttäuschender US-Konjunkturdaten fortsetzte. Konkret legten sie in der vergangenen Woche um 8.000 auf 247.000 zu, wie das Arbeitsministerium heute in Washington mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt nur mit 235.000 Hilfsanträgen gerechnet.
Morgen steht der offizielle Arbeitsmarktbericht der US-Regierung für Mai auf dem Programm. Hier wird mit einem deutlich schwächeren Anstieg der Beschäftigung gerechnet. Generell spielen Arbeitsmarktdaten eine wichtige Rolle bei Zinsentscheidungen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Ein schwächerer Arbeitsmarkt könnte der Fed Spielraum für sinkende Zinsen liefern, was den Dollar belastet. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1423 (Mittwoch: 1,1384) Dollar fest.
Fed im Dilemma
À propos Zinsen: Jüngste Daten signalisierten teilweise eine schwächere Wirtschaft in den USA, bei gleichzeitig steigenden Preisen. "Damit entsteht eine Situation, in der die US-Notenbank eigentlich die Zinsen senken müsste, um den Arbeitsmarkt zu stützen, sie dies aber nicht tun kann, weil ihr wegen steigender Inflation die Hände gebunden sind", erklärte Analyst Jochen Stanzl von CMC Markets. Man könne nur hoffen, dass sich dieses Daten-Dilemma im offiziellen Arbeitsmarktbericht nicht bestätigt, da es sonst zu größeren Verkäufen an der Wall Street kommen könnte, so Stanzl.
Maßgeblich verantwortlich für die schwachen Inflationserwartungen sind wiederum die erratischen Zollentscheidungen der Trump-Regierung, deren Auswirkung auf die Geldentwertung den Währungshütern weiter unklar bleibt - weshalb sie die Füße still halten. Die letzte Zinssenkung in den USA gab es im Dezember 2024.
Tesla-Aktie bricht ein nach Zerwürfnis zwischen Trump und Musk
Die Aktien des US-Autobauers Tesla gerieten nach Äußerungen von Präsident Trump zum Zerwürfnis mit Firmenchef Elon Musk kräftig unter Druck und fielen am Ende deutlich um 14,2 Prozent. Präsident Donald Trump hat sich nach der öffentlichen Kritik von Musk an dem geplanten Steuer- und Ausgabengesetz enttäuscht über den Milliardär gezeigt. "Elon und ich hatten eine großartige Beziehung. Ich weiß nicht, ob das noch so sein wird", sagte Trump im Oval Office.
Trump warf Musk vor, das Gesetzesvorhaben abzulehnen, weil es die Abschaffung der Steuergutschriften für E-Fahrzeuge vorsieht. Musk hatte seine Kritik mit der damit verbundenen Erhöhung des Bundesdefizits begründet und das Gesetz als "ekelhafte Abscheulichkeit" bezeichnet.
DAX erreicht neues Rekordhoch
Am heimischen Aktienmarkt ist es auch heute weiter bergauf gegangen. Der DAX markierte bei 24.467 Punkten im Verlauf eine Bestmarke. Das Jahresplus liegt damit bei etwas über 22 Prozent.
Allerdings setzten nach der wie erwartet ausgefallenen Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) Gewinnmitnahmen ein. Dies auch, weil EZB-Präsidentin Lagarde in ihrer Pressekonferenz andeutete, dass der Zinssenkungszyklus der Notenbank sich nach der achten Zinssenkung in Folge auf sein Ende zubewegen könnte. Der DAX fiel danach zurück und schloss am Ende bei 24.323 Punkten unter Tageshoch um 0,19 Prozent höher. Auch der MDAX der mittelgroßen Werte gab im Gefolge nach, beendete den Handel aber letztlich um 0,34 Prozent höher.
EZB liefert wie erwartet
Die EZB senkte am Nachmittag zum achten Mal seit Juni 2024 die Leitzinsen im Euroraum. Der für Banken und Sparer wichtige Einlagenzins wird um 0,25 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent verringert, wie die Notenbank heute in Frankfurt mitteilte.
"Richtig so, kann man sagen, nachdem die Inflationsrate im Euroraum unter zwei Prozent gesunken ist", kommentierte Michael Heise, Chefökonom beim Vermögensverwalter HQ Trust, die Entscheidung. Zudem bringe der ungelöste Handelsstreit mit den USA nach wie vor erhebliche Konjunkturrisiken mit sich.
Zwar war der Zinsschritt erwartet worden, die fortlaufende Zinswende in der Eurozone stärkt aber die Aktienmärkte, denn im Gegenzug werden festverzinsliche Papiere unattraktiver. Was für die Sparer keine gute Nachricht ist, nehmen die Anleger an der Aktienbörse dafür umso erfreuter auf.
DAX-Hausse nach dem Prinzip Hoffnung
Trotz des erneuten Rekords sehen viele Experten das aktuelle Kursniveau allerdings auch kritisch: Die Fachleute der Helaba bezeichnen das Korrekturrisiko nach den jüngsten Gewinnen als hoch. Das Handelsvolumen bleibe relativ dünn, und das weitere Kurspotenzial werde knapper, meint Marktexperte Andreas Lipkow. Es brauche schon Fantasie, um auf dem aktuellen Kursniveau noch ein hinnehmbares Chance-Risiko-Verhältnis im DAX lokalisieren zu können.
Zumal der Höhenflug zu einem großen Teil auf dem Prinzip Hoffnung beruht. Nämlich der, dass die völlig unberechenbare Trump-Administration mit der EU alsbald zu einer tragbaren Zolleinigung kommen wird. Vor diesem Hintergrund kommt dem heutigen Antrittsbesuch von Bundeskanzler Merz in Washington Bedeutung bei, wobei der Ausgang letztlich völlig offen ist.
Überraschendes Auftragsplus der Industrie
Fundamentale Unterstützung erhielt der DAX von aktuellen Konjunkturdaten: Die deutsche Industrie hat wegen der anziehenden Binnennachfrage im April überraschend mehr Aufträge an Land gezogen. Ihr Neugeschäft wuchs um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Fachleute hatten mit einem Rückgang gerechnet.
"Nach dem guten Vormonat ist der erneute Zuwachs ein starkes Zeichen. Die Auftragslage befindet sich zwar weiter im Tal, der Blick zeigt aber aufwärts", kommentiert Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei Hauck Aufhäuser Krüger.
Siemens Energy gibt Bundesgarantie zurück
Siemens Energy hat die Garantien des Bundes zurückgegeben. Das Unternehmen hat eine für sein Projektgeschäft nötige Garantievereinbarung über 11 Milliarden Euro mit Rückgarantien des Bundes abgelöst, wie es mitteilt. Eine neue Garantievereinbarung über 9 Milliarden von insgesamt 23 Banken kommt ohne staatliche Rückendeckung aus.
Siemens Energy hatte die staatliche Unterstützung 2023 gebraucht, als das Unternehmen einerseits massiv unter der Krise in seiner Windsparte litt, andererseits aber in großem Umfang neue Aufträge bekam. Für diese Aufträge, die oft über viele Jahre laufen, sind Garantie üblich, die in der Regel von Banken gegen eine Gebühr ausgestellt werden. Vor knapp zwei Jahren hatte der kriselnde Konzern aber Schwierigkeiten, diese Garantien von Banken zu bekommen. Die kostenpflichtige Rückgarantie des Bundes löste dieses Problem.
Airbus liefert im Mai weniger Flugzeuge aus
Der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus hat im Mai wieder weniger Flugzeuge ausgeliefert als im Vormonat. Diesmal fanden 51 Passagierjets den Weg zu den Kunden, wie der DAX-Konzern am Abend in Toulouse mitteilte. Im April hatte Airbus 56 Jets ausgeliefert - im März sogar 71 Stück. Nach den ersten fünf Monaten kommt der Hersteller damit auf erst 243 Maschinen - und damit nicht einmal 30 Prozent des Jahresziels von 820 Jets. Grund dafür waren vor allem fehlende Teile von Zulieferern, etwa Triebwerke.
Im Mai sammelte Airbus nun keine neuen Bestellungen ein, kassierte aber auch keine Stornierungen. Der Hersteller sitzt ohnehin auf prall gefüllten Auftragsbüchern: Ende März summierte sich der Auftragsbestand auf mehr als 8.700 Jets.
Thyssenkrupps Pläne für Marine-Börsengang
Thyssenkrupp will beim geplanten Börsengang der Marine-Tochter Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) fast die Hälfte der Anteile abspalten und den Aktionären in ihre Depots legen. "Die neue Holding-Gesellschaft der TKMS, an der die Aktionäre der Thyssenkrupp AG im Zuge der Abspaltung zu 49 Prozent beteiligt sein werden, soll an der Frankfurter Wertpapierbörse zum Börsenhandel zugelassen werden", sagte Vorstandsmitglied Volkmar Dinstuhl. Die Entscheidung darüber sollen die Aktionäre auf einer außerordentlichen Hauptversammlung treffen.
Ionos verdrängt Jenoptik aus dem MDAX
Der Cloud- und Webhosting-Anbieter Ionos steigt knapp zweieinhalb Jahre nach seinem Börsengang in den Nebenwerteindex MDAX. auf. Die United-Internet-Tochter, die eine Kursrally hinter sich hat, verdrängt Jenoptik, deren Aktie im vergangenen Jahr ein Drittel verloren hat, wie die Deutsche-Börse-Tochter ISS Stoxx mitteilte.
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