Gleich nach ihrem Amtsantritt hat Bauministerin Hubertz mehr Tempo bei neuem Wohnraum angekündigt. Der "Bau-Turbo" sollte schnell kommen. Doch regierungsintern ist das Vorhaben erst einmal ausgebremst.
"Bau-Turbo", diesen werbewirksamen Begriff hatte sich noch die Ampel-Regierung ausgedacht. Es geht um Turbogeschwindigkeiten bei der Planung und beim tatsächlichen Bauen, möglich gemacht durch einen bestimmten Paragrafen im Baugesetzbuch. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt sollte schneller gebaut werden dürfen, weil Bezirks- und Gemeinderäte in vielen Fällen nicht mehr zustimmen müssten.
Zu Ampel-Zeiten sorgte der Plan für Ärger: Ein Bündnis aus mehr als 20 Verbänden kritisierte, dass demokratische Beteiligungsprozesse in Gefahr seien. Die Grünen, damals noch Koalitionspartner, malten das Horrorszenario: Bauherrn von Luxusimmobilien könnten durch den "Bau-Turbo" einfacher an Grundstücke kommen, Spielplätze und Grünanlagen in Innenstadtlagen somit überteuerten Spekulationsobjekten zum Opfer fallen. Doch mit dem plötzlichen Aus der Ampelkoalition war auch der "Bau-Turbo" erst einmal Geschichte.
"Bau-Turbo" soll bis zur Sommerpause stehen
Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz zog die Idee wieder aus der Schublade. In Interviews schwärmte die SPD-Politikerin davon, dass die Planung von Bauprojekten künftig nur noch zwei Monate anstatt fünf Jahre dauern könnten. Hubertz sprach von der "Brechstange", die Städte und Gemeinden künftig zur Verfügung haben sollten, um im Wust von Verordnungen und Regeln schnell durchgreifen zu können. Die Bundesregierung wollte den "Bau-Turbo" in dieser Woche auf den Weg bringen.
Doch es hakt schon wieder. Diesmal sieht das Bundesumweltministerium noch Klärungsbedarf. Es soll um Vorgaben zum Lärmschutz gehen und die Frage, was wie weit gelockert werden darf. Ausgerechnet zwei SPD-geführte Ressorts sind sich uneins. Also hat es der "Bau-Turbo" doch nicht durch das Kabinett geschafft.
Ministerin Hubertz versuchte, die Verzögerung beim "Tag der Immobilienwirtschaft" nicht als Problem darzustellen. Es sei ganz normal, dass Gespräche stattfänden, wenn ein Haus etwas vorlege. Sie sei in gutem Austausch mit Umweltminister Carsten Schneider. "Ich bin optimistisch: Das werden wir vor der Sommerpause noch schaffen", sagte Hubertz. Eine knappe Rechnung. Denn die parlamentarische Sommerpause beginnt Mitte Juli. Bis dahin sind es nur noch zwei Sitzungswochen im Bundestag.
"In die Gänge kommen"
Wie bei der Erstauflage des "Bau-Turbo" kommt wieder Kritik von den Grünen. "Erst haben Union und SPD einen 'Bau-Turbo' angekündigt und jetzt drücken sie selber auf die Bremse", sagte der baupolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Kassem Taher Saleh. Er warf der Regierungskoalition vor, keine gemeinsamen Ideen zu haben, um das Problem des zu wenigen und zu teuren Wohnraums in den Griff zu bekommen. Das sei nicht klug. Es sind spitze Worte von grüner Seite, nun, wo die Partei nicht mehr Teil der Regierungskoalition ist.
Auch die Bau- und Immobilienbranche reagierte verärgert auf das ausgebremste Bau-Programm. "Ich bin zusammengezuckt, als ich das gehört habe", sagte Iris Schöberl, die Präsidentin des Zentralen Immobilienausschusses ZIA, dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft. "Ich bitte die Regierung, nicht zu lange rumzuquatschen, sondern in die Gänge zu kommen." Schöberl wünscht sich auch, dass sich die Opposition einbringt. Die Bauindustrie sowie Städte und Gemeinden warteten darauf, dass der "Bau-Turbo" endlich kommt.
Zuletzt nur 250.000 neue Wohnungen pro Jahr
Wie sehr Deutschland Tempo beim Bauen braucht, zeigen die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach sind im vergangenen Jahr gut 250.000 neue Wohnungen fertiggestellt worden, rund 40.000 weniger als im Vorjahr. Das liegt weit entfernt vom baupolitischen Ziel, das die Ampel-Regierung formuliert hatte: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr.
Einige Verbände warnen seit Langem, dass selbst dieses Ziel nicht ausreicht - in Wahrheit seien eher doppelt so viele neue Wohnungen nötig. Die Hauptgründe für die Entwicklung liegen in weiterhin hohen Kreditzinsen und gestiegenen Kosten für Baumaterial und Personal.
Daher pocht Ministerin Hubertz auf ihren "Bau-Turbo". Sie will, dass mit langen Antrags- und Bearbeitungszeiten Schluss ist - besser heute als morgen. Doch Hubertz merkt nun: Abläufe im politischen Betrieb sind selten im "Turbo"-Modus möglich. Neue Gesetze und Initiativen sollen sorgfältig von verschiedenen Ministerien geprüft werden, um mögliche Fallstricke möglichst früh zu erkennen.
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