Nach dem Amoklauf an einem Gymnasium in Graz hat sich die Zahl der Todesopfer auf elf erhöht. Eine erwachsene Frau, die mit schweren Verletzungen in das Universitätsklinikum Graz eingeliefert worden war, erlag dort ihren Verletzungen, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA unter Berufung auf das Krankenhaus berichtete.

Zuvor hatte die österreichische Bundesregierung neun Todesopfer bestätigt. Der Amokläufer, ein 21-jähriger Österreicher, ist laut Polizei ebenfalls tot – er habe sich nach der Tat selbst getötet, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Neben den Todesopfern wurden offiziellen Angaben zufolge zwölf weitere Menschen verletzt, einige von ihnen schwer. Bei den Verletzten handelt es sich vor allem um Jugendliche.

Der Täter hat einen Abschiedsbrief hinterlassen. Wie die Nachrichtenagentur APA am Dienstagabend berichtete, stellte die Polizei ein Dokument in analoger und digitaler Form sicher. Den Fund des Schreibens bestätigte der dem Innenministerium in Wien zugeordnete Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, zudem dem ORF. Der Brief gebe aber keinen Hinweis auf das Motiv des Schützen. Allerdings gewinnt auch in den Augen von Experten die These, dass jahrelanges Mobbing zu Rachegelüsten geführt hat, an Plausibilität.

Der 21-jährige frühere Schüler des Gymnasiums hatte am Dienstagvormittag in der Schule in der zweitgrößten österreichischen Stadt zehn Menschen getötet und anschließend Suizid begangen. Er war laut Landespolizeidirektor Gerald Ortner ein Österreicher aus der Region Graz, der bei dem Angriff zwei Schusswaffen einsetzte, die er legal besaß: ein Gewehr und eine Kurzwaffe.

Für eine Schusswaffe der Kategorie B werde eine Waffenbesitzkarte benötigt, dazu müsse man auch ein psychologisches Gutachten vorlegen und die sichere Handhabung der Waffe nachweisen. „Offenbar hat er die Voraussetzungen besessen, sonst wäre er nicht legal an diese Schusswaffe gelangt“, sagte Ruf am Dienstagabend im ORF.

Ein Vater sprach nach dem Amoklauf in Graz über die Tat. Sein Sohn sei in der Schule gewesen und habe angerufen, berichtete der Vater in einem Video des Senders Puls24. Der Amokläufer in Graz habe in einem Klassenzimmer auf Schüler geschossen. Sein Sohn habe berichtet, dass er sich auf den Boden geworfen und tot gestellt habe.

„Ich habe mit eigenen Augen gesehen: drei Kollegen sind getötet worden in der Schule“, berichtete der Vater dem Sender, was sein Sohn am Telefon erzählt habe. Er sei unverletzt geblieben.

Sein zweiter Sohn sei erst nicht zu erreichen gewesen, berichtete der Vater, dem mehrfach die Stimme brach. Er habe große Sorge gehabt. Der Sohn habe sich dann aber aus der Halle gemeldet, in die alle überlebenden und nicht verletzten Schülerinnen und Schüler gebracht worden waren.

Zahlreiche Rettungskräfte waren in Graz am Dienstag im Einsatz. Das Rote Kreuz spricht von 158 Sanitätern und 31 Mitarbeitern der Krisenintervention. Außerdem seien 65 Rettungsfahrzeuge vor Ort. Rund 600 Menschen müssen nach den schockierenden Szenen betreut werden, darunter Verletzte, Augenzeugen und Angehörige der Opfer. Das sagte Bettina Galli-Magerl, Leiterin des steirischen Kriseninterventionsteams vom Roten Kreuz gegenüber der „Krone“.

Schüler und Lehrer wurden nach der Evakuierung zu einem sicheren Treffpunkt geleitet. Für die Eltern wurde ein Sammelplatz eingerichtet. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus.

Bei der Schule handelt es sich um ein sogenanntes Bundes-Oberstufenrealgymnasium. An solchen Schulen sind Schüler in der Regel 14 Jahre und älter. Die Schule zeigt auf ihrer Web-Seite 17 Schulklassen und ein Foto von rund 40 Lehrkräften.

Kanzler Stocker: „Unser Land steht in diesem Moment des Entsetzens still“

Österreich wird der Opfer mit einer dreitägigen Staatstrauer gedenken. Der Beschluss der Bundesregierung soll am Nachmittag offiziell verkündet werden, sagte eine Sprecherin des Kanzleramts der Nachrichtenagentur dpa. Die Flaggen an Präsidentschaftskanzlei und Bundeskanzleramt sowie an anderen offiziellen Gebäuden würden auf halbmast gesetzt.

Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sagte bereits alle Termine ab und berief einen Krisenstab ein. Am Tatort sprach er bei einer Pressekonferenz von einem „dunklen Tag in der Geschichte unseres Landes“. Es sei eine nationale Tragödie. „Unser Land steht in diesem Moment des Entsetzens still“, sagte er. Er sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus und dankte den Einsatzkräften. Und er betonte: „Unsere Schulen müssen Orte des Friedens bleiben.“

Auch Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) sprach bei der Pressekonferenz. „Die Steiermark trauert heute. Das grüne Herz weint. Es ist eine unfassbare Tragödie, die heute am Vormittag passiert ist“, sagte er.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) schrieb auf X: „Mein tiefstes Mitgefühl gilt den Opfern, ihren Familien und allen, die jetzt unermessliches Leid erfahren.“

Tief erschüttert zeigte sich Österreichs Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen. „Dieser Horror ist nicht in Worte zufassen“, schrieb der Bundespräsident auf X. Es gebe in diesem Moment nichts, was in diesem Moment den Schmerz von Eltern und Großeltern, von Geschwistern, Freunden und Freundinnen lindern könne. „Österreich trauert.“

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich entsetzt: „Mit großer Bestürzung und tiefer Trauer habe ich von der Gewalttat in Graz erfahren, bei der so viele unschuldige Menschen ihr Leben verloren haben.“ Er sprach dem österreichischen Bundespräsidenten Van der Bellen im Namen aller Deutschen seine „aufrichtige Anteilnahme“ aus und wünschte den Verletzten „eine rasche und vollständige Genesung“.

Auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) zeigte sich betroffen. „Mit großer Bestürzung habe ich die Nachrichten aus Graz vernommen“, schrieb er in einem Kondolenztelegramm an den österreichischen Bundeskanzler Christian Stocker. „Es erschüttert mich zutiefst, dass junge Menschen so jäh aus dem Leben gerissen wurden.“ Merz sprach den Familien der Opfer seine Anteilnahme aus. „Wir teilen ihren Schmerz und ihre Trauer“, erklärte er. „Den Verletzten wünschen wir rasche und möglichst vollständige Genesung.“

Debatte über Waffenrecht zu erwarten

Der Amoklauf dürfte in Österreich die Debatte über das Waffenrecht neu anheizen. In der Alpenrepublik sei der legale Erwerb von Waffen deutlich einfacher als im besonders strengen Deutschland, sagt der Geschäftsführer des Wiener Waffenhandels Euroguns, Markus Schwaiger, der Deutschen Presse-Agentur. „In Deutschland wird fast keine Waffenbesitzkarte mehr ausgestellt.“

Anders in Österreich: Jeder mindestens 18-jährige EU-Bürger mit Wohnsitz in Österreich, gegen den kein Waffenverbot verhängt wurde, dürfe bestimmte Gewehre nach mehrtägiger Wartefrist und Registrierung kaufen.

Im Fall des 21-jährigen Amokschützen von Graz wird die Sache noch brisanter. Nach Angaben der Polizei hatte der junge Mann eine Waffenbesitzkarte, wie sie für eine Pistole zwingend nötig ist. Das heißt, er musste einen sogenannten Waffen-Führerschein erwerben - eine umfassende theoretische und praktische Schulung - und einen Test beim Psychologen bestehen. Ein Amokläufer mit einer Waffenbesitzkarte - „das ist so eine Art Super-GAU“, meint Schwaiger.

Bisher hätten Amokläufer oder auch der Schütze beim islamistischen Anschlag in Wien im November 2020 Langwaffen oder illegale Waffen verwendet, so der Waffenhändler. Was jetzt passiert sei, sei nach seinem Wissen eine Premiere, so Schwaiger.

Insgesamt liegen in Österreich viel mehr Waffen - bezogen auf die Einwohnerzahl - in den Schränken und Tresoren ihrer Besitzer als in Deutschland. Laut Innenministerium in Wien waren vor wenigen Jahren 1,1 Millionen Schusswaffen registriert - im neunmal bevölkerungsreicheren Deutschland sind es sechs Millionen. Die Zahl der illegalen Waffen in Österreich schätzen Experten auf mindestens eine Million, wenn nicht mehrere Millionen.

Graz liegt im Südosten von Österreich. In der zweitgrößten Stadt des Landes leben etwa 300.000 Menschen.

Hinweis: Dieser Text wird laufend aktualisiert.

In der Regel berichten wir nicht über Selbsttötungen – außer die Tat erfährt durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Sollten Sie selbst das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie anonym Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

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