Der Wirtschaftsweise Achim Truger hat eine deutliche Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro gefordert. „Sollte die Mindestlohnkommission darunter bleiben, muss die Koalition eingreifen und den Mindestlohn per Gesetz auf 15 Euro anheben“, sagte Truger dem Pro-Newsletter Industrie & Handel des Nachrichtenmagazins POLITICO.

Er sieht die schwarz-rote Bundesregierung in der Verantwortung. „Es ist ein gesetzlicher Mindestlohn, letztlich liegt die Entscheidung bei der Politik — das sind ja keine Tarifverhandlungen“, sagte Truger. „Das Feintuning könnte dann in Zukunft wieder die Mindestlohnkommission übernehmen.“ Das Gremium entscheidet bis zum 30. Juni.

Sorgen vor Arbeitsplatzverlusten durch einen höheren Mindestlohn hält Truger für unbegründet. „Zwar sind einige Minijobs weggefallen, aber insgesamt lassen sich keine negativen Beschäftigungseffekte nachweisen“, sagte Truger. „Mit 15 Euro wird es möglicherweise ein paar billige Restaurants weniger geben, aber nicht weniger Arbeit.“ Ein höherer Mindestlohn könne sogar die Produktivität steigern.

Wirtschaftsweise im Mindestlohn-Streit uneinig

Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag zwar die Unabhängigkeit der Tarifkommission betont. Sie schrieben aber auch, dass 2026 ein gesetzlicher Mindestlohn von 15 Euro erreichbar sein sollte. Aktuell beträgt der Mindestlohn 12,81 Euro. Eine Erhöhung auf 15 Euro wäre eine Steigerung um 17 Prozent. Deutschland hätte damit den höchsten Mindestlohn aller Industrieländer.

Truger, der an der Universität Duisburg-Essen lehrt, setzt sich mit seiner Forderung von der Position des Sachverständigenrates ab, dem er seit 2019 angehört. Seine Kollegin Veronika Grimm hatte zuletzt deutlich gegen eine Erhöhung gestellt. Monika Schnitzer sieht wiederum ausschließlich die Kommission in der Verantwortung — nicht die Politik.

Die Industrie warnt bereits vor der Erhöhung des Mindestlohns. Auch kleine und mittlere Unternehmen fürchten bei einer Erhöhung des Mindestlohns steigende Lohnkosten. Truger begründete seine Forderung damit, dass die Inflation vorherige Steigerung des Mindestlohns bereits aufgezehrt habe.

Laura Hülsemann ist Reporterin für den Newsletter „Industrie und Handel“ bei POLITICO.

Jürgen Klöckner ist Head of Pro bei POLITICO Deutschland.

Thorsten Mumme ist Editor POLITICO Industrie & Handel.

Romanus Otte ist Senior Reporter Industrie & Handel bei POLITICO.

Dieser Text erschien zuerst im POLITICO PRO Industrie und Handel.

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