Die Menschen in Panama-Stadt sind aufgebracht. „Wir wollen keine amerikanische Kolonie werden“, steht auf den Schildern, die die Demonstranten durch die Straßen tragen. In Kolumbien ruft Präsident Gustavo Petro seine in den USA lebenden Landsleute auf, gegen die geplanten Steuern auf Überweisungen in ihr Heimatland zu demonstrieren. Und Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum erwägt, gegen jene Pläne Washingtons „die Straße“ zu mobilisieren.

Drei Beispiele, die zeigen: Die Stimmung kippt südlich des Rio Bravo, des Grenzflusses zwischen den USA und Mexiko. Immer mehr Länder in Lateinamerika begehren auf gegen den Anti-Latino-Kurs der Regierung von Donald Trump. Die Gründe sind Strafzölle, Abschiebungen auch legal in den USA lebender Menschen und die geplanten Steuern auf Auslandsüberweisungen aus den Vereinigten Staaten in die jeweiligen Heimatländer.

Für China und Europa bietet das eine Chance, die Beziehungen zu den Ländern der Region auf ein neues Fundament zu stellen. Für Brüssel rückt vor allem die Umsetzung des ausverhandelten Freihandelsabkommens Mercosur ein Stück näher. China treibt seine Pläne für eine „Seidenstraße“ kräftig voran. Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen.

Kolumbien: Anschluss an die Seidenstraße

Für ein kleines politisches Erdbeben sorgte die Ankündigung von Kolumbiens linkspopulistischem Präsidenten Petro, formell der „Neuen Seidenstraße“ beitreten zu wollen. So wird die Strategie Chinas genannt, mithilfe von Infrastrukturprojekten mehr als 100 Länder enger mit dem Handel im Reich der Mitte zu vernetzen.

Kolumbien ist seit 2007 das einzige südamerikanische Partnerland der Nato. Insofern sei die Entscheidung Petros, sich inmitten des Handelskonflikts zwischen den USA und China Richtung Peking zu öffnen, „von hoher symbolischer Bedeutung“, sagt Politikwissenschaftler Vladimir Rouwinski von der Universität ICESI in Cali im Gespräch mit WELT.

„Es gab ja vor einigen Wochen eine verbale Auseinandersetzung zwischen Petro und Trump über das Verfahren bei den Abschiebeflügen“, sagt Rouwinski. Es wird vermutet, dass Petro als Reaktion darauf nun überlegt, die Seiten zu wechseln. Allerdings laufen die Industrie- und Handelsverbände in Bogotá Sturm: Sie warnen davor, es sich mit dem wichtigsten Exportland, den USA, zu verderben.

Panama: Widerstand gegen stärkere US-Anbindung

Ein paar Wochen lang blickte die Welt auf den Panama-Kanal. Donald Trump hatte öffentlich Anspruch erhoben auf die für den Welthandel so wichtige Wasserstraße, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Die USA hatten Anfang des 20. Jahrhunderts die unter französischer Führung begonnen Bauarbeiten vollendet und sich die Hoheit über den Kanal gesichert; 1999 gab Washington sie an Panama zurück.

Trump unterstrich seine Absichten, indem er seinen Verteidigungsminister Pete Hegseth sowie Außenminister Marco Rubio nach Panama-Stadt schickte. Am Ende stand eine Erklärung, die Washington als „Sieg“ für sich verbuchte. Zentraler Punkt der im April unterzeichneten Vereinbarung ist die Stationierung von US-Truppen am Panama-Kanal.

Das treibt seit Wochen die Menschen in Panama auf die Straße, überwiegend Studenten und Gewerkschafter. Sie befürchten vor allem eine „Militarisierung“ und „Unterwerfung“ Panamas. Eine stärkere militärische Präsenz der USA in ihrem Land lehnen sie ab. Die Kirche will zwischen den Konfliktparteien vermitteln.

Mexiko: Es droht ein Milliardenverlust

Die von Washington geplante neue Steuer auf die sogenannten Remesas, Auslandsüberweisungen von in den USA lebenden Migranten an ihre Familien, sorgen derzeit für besonders viel Ärger in Lateinamerika. Für Millionen Familien sind sie eine Art Lebensversicherung gegen extreme Armut.

Allein nach Mexiko flossen im vergangenen Jahr nach Berechnung der Interamerikanischen Entwicklungsbank auf diese Weise 68 Milliarden Dollar aus den USA in Richtung Mexiko. In Guatemala machen die Remesas gut 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

„Man darf nicht diejenigen doppelt besteuern, die bereits Steuern zahlen“, kritisierte Mexikos Präsidentin Sheinbaum den Vorstoß. Vor wenigen Tagen brachte sie eine „Mobilisierung“ der Mexikaner ins Gespräch, um die Steuer zu verhindern. Ein Aufruf, den ihr die US-Regierung nach Ausbruch der Proteste in Los Angeles als Anstachelung zur Gewalt auslegt. Aber schon jetzt gibt es Initiativen, die darauf abzielen, mexikanische statt amerikanische Produkte zu kaufen.

Brasilien: Gestiegenes Interesse an Europa

Das brasilianische Wirtschaftsmagazin „Valor“ kommt nach den jüngsten Entwicklungen zu dem Schluss: Lateinamerika positioniert sich im Handelskrieg zwischen den USA und China an der Seite Pekings.

Der brasilianische Ökonom Gilberto Braga vom Institut für Kapitalmärkte (Ibmec) sieht jedoch im Konflikt zwischen China und den USA eine echte Chance für eine stärkere Anbindung Europas an das Handelsbündnis Mercosur (Vollmitglieder sind Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay).

„Die Befürchtungen einiger Länder, dass sie aufgrund des Potenzials brasilianischer Agrarprodukte Verluste erleiden könnten, sind geringer als die durch die von Trump verhängten Zölle verursachten Rückschläge“, so Braga und meint damit vor allem den bisherigen Widerstand Frankreichs. Argentiniens Präsident Javier Milei und der brasilianische Präsident Lula da Silva führten dazu jüngst Gespräche mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Argentinien und Uruguay: Drängen auf EU-Entscheidung

Inmitten dieser Gemengelage reiste David McAllister (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, mit einer Delegation nach Uruguay und Argentinien. „Mit diesem Besuch möchten wir den hohen Stellenwert der Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur unterstreichen“, ließ McAllister wissen.

Viel lieber als schöne Worte würden die Südamerikaner allerdings Taten sehen, also endlich eine Ratifizierung des von weiten Teilen der europäischen Wirtschaft und ihren südamerikanischen Partnern ausgehandelten EU-Mercosur-Freihandelsvertrags.

Uruguays Außenminister Mario Lubetkin machte laut dem Nachrichtenportal „Ambito“ bei den Gesprächen in Montevideo klar, was er jetzt von Brüssel erwartet: „Jetzt ist es so weit. Wir hoffen, dass wir bis Dezember eine Bestätigung von ihrer Seite erhalten. Wir haben ihnen gesagt, dass wir unsererseits alles vorbereitet haben. Alle vier (südamerikanischen) Parlamente sind bereit.“

Tobias Käufer ist Lateinamerika-Korrespondent. Im Auftrag von WELT berichtet er seit 2009 über die Entwicklungen in der Region.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.