Seine Armee beeindruckt die ganze Welt, sein Land steht unter schwerem Beschuss. Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog (64) hat gerade das Soroka-Krankenhaus in Beerscheba im Süden des Landes besucht, das am Donnerstag von einer iranischen Rakete getroffen wurde. Im Anschluss gab Herzog dem Axel Springer Global Reporters Network, zu dem auch WELT gehört, ein Interview.
„Glücklicherweise, wie durch ein Wunder, wies der Generaldirektor gestern Abend an, alle in den Untergrund zu bringen, und sie waren kurz vor der Explosion damit fertig“, sagt Herzog über die teils zerstörte Klinik. Wunder sind selten in diesem Krieg: Am Mittwoch ist ein siebenjähriges Mädchen gestorben, das für eine Krebsbehandlung aus der Ukraine nach Israel gekommen war. „Ihre Mutter, ihre Großmutter und ihre Cousins – sie alle wurden von einer Rakete getötet“, so der Präsident.
Trotz des heftigen Beschusses mit ballistischen Raketen aus dem Iran ist Herzog überzeugt, dass die Militäroperation gegen das Atomprogramm der Mullahs die einzige richtige Entscheidung war. „Wir mussten diese Bedrohung beseitigen und das ist es, was wir tun“, sagt der Präsident.
Teheran sei kurz davor gewesen, die Fähigkeiten zum Bau einer Atombombe zu erlangen, sagt Herzog: „Wir wissen mit Sicherheit, dass der Iran an die Schwelle gelangt ist und sehr nah dran war. Er hat Uran auf 60 Prozent angereichert, dafür gibt es keinen anderen Grund als die Entwicklung von Waffen.“ Herzogs Begründung für den Militärschlag: „Wir beseitigen diese Bedrohung im Vorfeld, bevor sie explodiert.“
Und was sagt der Präsident zur Unterstellung, der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu habe den Krieg aus innenpolitischen Motiven begonnen? Herzog, einst politischer Hauptkonkurrent von Netanjahu, widerspricht klar: „Das ist völliger Unsinn, denn der gesamte israelische Sicherheitsapparat, der manchmal auch mit Netanjahu streitet, hat diese Entscheidung voll und ganz unterstützt. Und ich sage es deutlich: Die gesamte israelische Politik steht bei dieser Entscheidung hinter der Regierung. Auch ich unterstütze sie uneingeschränkt.“
Die große Frage, die die Welt gerade beschäftigt, lautet nun: Wird auch Trump die Operation unterstützen und Israel helfen, Irans Atomlagen zu zerstören, die in unterirdischen Bunkern liegen? Herzog spricht bedacht: „Wir wissen nichts darüber, was nicht auch Sie wissen. Wir betonen, dass das die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump ist.“
Geht es Israel nur um das Atomprogramm?
Das Thema ist sensibel: „Wir sind sehr vorsichtig, wie wir uns äußern, weil wir die Debatte in Amerika verstehen und glauben, dass Präsident Trump selbst die Weisheit, die Fähigkeiten und das klare Verständnis der Situation besitzt.“ Allerdings betont Israels Präsident, dass dies „eine seltene Gelegenheit ist, eine Bedrohung zu beseitigen, die seit Jahrzehnten über der Welt schwebt“.
Trump will innerhalb der nächsten zwei Wochen darüber entscheiden, ob die USA an der Seite Israels in den Krieg gegen den Iran eingreifen. Dies geschehe vor dem Hintergrund, dass es eine „beträchtliche Chance“ für Verhandlungen gebe, die in naher Zukunft mit dem Iran stattfinden könnten oder auch nicht, zitierte Trumps Sprecherin Karoline Leavitt den Präsidenten bei einer Pressekonferenz.
Doch geht es Israel wirklich nur um das Atomprogramm? Oder soll auch das islamistische Regime gestürzt werden, das dem jüdischen Staat seit Jahrzehnten mit Vernichtung droht? Darauf deuten zumindest die Drohungen israelischer Minister gegen Ajatollah Ali Chamenei (86), den „Obersten Führer“ des Iran hin. „Wir haben weder ein Ziel in Bezug auf Chamenei noch in Bezug auf einen Regimewechsel. Aber dies könnte eine Nebenwirkung mit großen historischen Konsequenzen sein, die dem iranischen Volk zugutekommen würden“, sagt Herzog.
Der Staatspräsident widerspricht damit Verteidigungsminister Israel Katz (69), der die Tötung von Diktator Chamenei zum Kriegsziel erhoben hatte. Einem Regimewechsel steht er jedoch nicht ablehnend gegenüber. Genauso wie Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der erklärt hatte, „es wäre gut, wenn dieses Regime an sein Ende käme“. Darin stimmt Israels Staatschef Merz zu: „Er sagt die Wahrheit. Dafür gebührt ihm meine Anerkennung. Ich halte ihn für einen großartigen Anführer.“
Herzog dankte dem Bundeskanzler auch für die Anerkennung der israelischen Armee, die, so Merz, im Iran „die Drecksarbeit für uns alle“ mache. Ein Satz, der dem Kanzler in Deutschland Kritik von links und rechts eingebracht hat. „Ich lobe Friedrich Merz für seine moralische Klarheit und seine klare Stimme, denn er sagt die Wahrheit. Wir verteidigen Europa, wir verteidigen die Vereinigten Staaten“, so Herzog.
„Die Leute müssen aufwachen!“, fordert der israelische Präsident – und meint damit die Gefahr islamistischer Staaten und Organisationen. Die Weltgemeinschaft solle sich „mit der Realpolitik auseinandersetzen“ und die Bedrohung anerkennen. „Die Welt sollte uns unterstützen, auch im Interesse ihrer nationalen Sicherheit.“
Paul Ronzheimer ist stellvertretender BILD-Chefredakteur und Mitglied des Axel Springer Global Reporters Network.
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