Die Parteispitze des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) will die Partnerschaft Deutschlands zu Israel drastisch einschränken und Israel auf internationaler Ebene isolieren. Dies geht aus einer Mail von Donnerstagnachmittag hervor, die die BSW-Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali sowie der Generalsekretär der Partei Christian Leye an den restlichen Bundesvorstand geschrieben haben und die WELT vorliegt. Die Parteispitze bittet die Kollegen darin um Zustimmung zu einem Vorstandsbeschluss.
Der Antrag mit dem Titel „Stoppt den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf den Iran – Deutsche Waffenlieferungen an Israel beenden!“ wäre ein einschneidender Bruch mit dem Prinzip der Sicherheit Israels als „deutsche Staatsräson“, dem sich sämtliche Bundesregierungen seit 2008 verpflichtet fühlen. Das BSW spricht sich darin nicht nur für „den sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen an Israel“ aus, sondern erhebt mit der Begründung der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Iran zahlreiche weitere Forderungen, die einen weitgehenden Bruch der Beziehungen zum jüdischen Staat bedeuten würden.
Darunter ist etwa „eine Initiative der Bundesregierung im Nato-Rat zur Beendigung der militärischen und geheimdienstlichen Kooperation mit Israel“. In der Praxis könnte dies die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Nato-Staaten und Israel einschränken. Als Teil des Nato-Mittelmeerdialogs nimmt Israel bislang gelegentlich an Nato-geführten Übungen teil, etwa zur maritimen Terrorabwehr.
Zwischen Deutschland und Israel ist die militärische und geheimdienstliche Kooperation noch deutlich enger. Erst im Jahr 2023 hat die Bundeswehr für das israelische Luftabwehrsystem Arrow 3 einen Beschaffungsvertrag über 3,6 Milliarden Euro unterzeichnet. Der Bundesnachrichtendienst kooperiert vertrauensvoll mit dem israelischen Geheimdienst Mossad.
Wagenknecht und Mohamed Ali fordern zudem „eine Initiative der Bundesregierung im EU-Rat zur Aussetzung des Assoziationsabkommens zwischen der Europäischen Union und Israel“. Das Abkommen regelt einen zollfreien Zugang Israels zum EU-Binnenmarkt für viele Produkte sowie die Teilnahme Israels an EU-Forschungsprogrammen und enthält regelmäßige Treffen auf Ministerebene. Das Abkommen steht derzeit nach einer Initiative zahlreicher EU-Mitgliedstaaten auf dem Prüfstand. Die Bundesregierung will daran festhalten und betont, alle Gesprächskanäle offen halten zu wollen.
Aus dem BSW-Antrag geht außerdem die Forderung nach einer „Initiative der Bundesregierung vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur strafrechtlichen Verfolgung der israelischen Kriegsverbrechen, etwa der Angriffe auf Atomanlagen und Fernsehsender im Iran“ hervor. Da weder Israel noch der Iran Mitglied im Internationalen Strafgerichtshof sind, wäre dieser nicht zuständig – außer im unwahrscheinlichen Fall, dass der UN-Sicherheitsrat den Fall an das Gericht überweist. Theoretisch könnte Deutschland den Sicherheitsrat dazu auffordern.
Antragsteller ist das BSW-Präsidium, dem neben den Parteichefs und dem Generalsekretär auch noch die Vize-Parteichefinnen, der Bundesgeschäftsführer und der Bundesschatzmeister angehören. Die Partei ist stark auf die Vorsitzende Wagenknecht ausgerichtet. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass auch der restliche Bundesvorstand einen Beschluss mehrheitlich unterstützt. Eine weitere BSW-Forderung ist „das Verbot der Nutzung von US-Militärstützpunkten in Deutschland zur logistischen oder militärischen Unterstützung des israelischen Angriffskrieges“. In Bezug auf Gaza behaupten Wagenknecht und Mohamed Ali einen „Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung“.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte dem BSW in einem WELT-Interview bereits im August vergangenen Jahres vorgeworfen, den „Israelhass in Deutschland“ zu „befeuern“. Wagenknecht hatte zuvor in Bezug auf Israels Kriegsführung in Gaza von einem „Vernichtungsfeldzug“ gesprochen. Das BSW sitzt nicht mehr im Bundestag, ist aber an den Landesregierungen in Brandenburg und Thüringen beteiligt und mit Abgeordneten darüber hinaus im sächsischen Landtag sowie im Europaparlament vertreten.
Politikredakteur Frederik Schindler berichtet für WELT über die AfD, Islamismus, Antisemitismus und Justiz-Themen. Im September erscheint im Herder-Verlag sein Buch über den AfD-Politiker Björn Höcke. Zweiwöchentlich erscheint seine Kolumne „Gegenrede“.
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