Der US-Angriff auf zentrale iranische Atomanlagen hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Die Reaktionen in den Medien fallen unterschiedlich aus. Während einige Kommentatoren das Vorgehen mvon US-Präsident Donald Trump als strategisch kalkulierten Schlag zur Wiederherstellung amerikanischer Abschreckungskraft deuten, kritisieren andere einen völkerrechtswidrigen Alleingang mit unkalkulierbaren Folgen.

Eine Übersicht:

„de Volkskrant“ (Niederlande): Gefahr strategischer Fehler größer denn je

„Die Bomben und Raketen, die Donald Trump am Wochenende gen Iran geschickt hat, bringen eine größere Gefahr mit sich. Das Pentagon ist seit Trumps Amtsantritt mit Loyalisten wie Verteidigungsminister Pete Hegseth besetzt, die keine administrative Erfahrung haben. Das Potenzial für strategische Fehltritte ist größer denn je, da nun eine äußerst heikle Phase begonnen hat. (...)

Laut Trump sind die Iraner selbst schuld an dieser Eskalation, während es doch Israel war, das am 13. Juni ohne Zustimmung der Vereinten Nationen zum ersten Schlag ausgeholt hat. Obwohl das Weiße Haus am Sonntag immer wieder beteuerte, dass es nicht auf einen Regimewechsel oder einen Krieg aus sei, besteht die Gefahr, dass die Gewalt in der Region nur noch weiter zunehmen wird.

‚Wir befinden uns nicht im Krieg mit dem Iran, sondern im Krieg mit den iranischen Nuklearanlagen‘, versicherte Vizepräsident J.D. Vance (der selbst einmal desillusioniert von einem Einsatz im Irak zurückkehrte) seinen Landsleuten im Nachrichtensender NBC. Die Welt fragt sich gespannt, ob der Iran das auch so sieht.“

„Die Presse“ (Österreich): Zwei Machtressourcen bleiben den Ayatollahs

„Vorrangiges Ziel für die Führung in Teheran wird es bleiben, ihre Macht zu erhalten. Entsprechend wird sie ihre Antwort kalibrieren. Bevor die Mullahs untergehen, werden sie jedoch möglicherweise versuchen, die ganze Region in den Abgrund zu reißen.

In den Augen der frustrierten iranischen Bevölkerung ist das korrupte Unterdrückungsregime längst diskreditiert. Die Abermilliarden, die es ins Atomprogramm und in Terrororganisationen statt in die Entwicklung des Landes steckte, haben sich als gigantische Fehlinvestitionen erwiesen. An die islamistische Revolutionsrhetorik glaubt ohnehin kaum noch jemand. Zwei Machtressourcen außer nackter Gewalt bleiben den Ayatollahs jedoch noch: der unbeirrbare Wunsch der Iraner nach nationaler Unabhängigkeit und der tief in der schiitischen Kultur verankerte Kult der Selbstaufopferung. Jedes externe Gerede über einen Regimewechsel spielt den Machthabern in Teheran deshalb nur in die Hände.“

„NZZ“ (Schweiz): USA könnten in längeren Krieg verwickelt werden

„Das kurzfristige Risiko des amerikanischen Eintritts in den Iran-Krieg sind iranische Gegenschläge, die die USA in längere Kriegshandlungen verwickeln könnten. Auch sind es nicht die Amerikaner, die die Dynamik dieses Krieges maßgeblich bestimmen, sondern ihr Verbündeter Benjamin Netanjahu.

Ob das iranische Nuklearprogramm bereits zerstört ist, ist nicht klar. Experten sagen, es brauche ultimativ Bodentruppen, um das iranische Nuklearprogramm zu beenden – und die iranische Armee hat beträchtliche Kapazitäten. Wirtschaftlich verfügt Iran auch über ein erhebliches Druckmittel: Iran kontrolliert die Meerenge von Hormus – ein Nadelöhr für den globalen Erdölhandel.

Auch wenn Israel und die USA das iranische Regime in die Knie zwingen könnten, stellt sich die Frage, wie man ein Land, das sich die Intervention von außen nicht gewünscht hat, stabilisieren kann. Ein gutes Szenario ist kaum vorstellbar: Sowohl im Irak wie in Afghanistan führten erzwungene Machtwechsel zu Terror und Bürgerkrieg.“

„Magyar Nemzet“ (Ungarn): Für die Europäer bleibt der Katzentisch

„Den Iran zu bombardieren, war zumindest riskant. (...) Aber warten wir das Ende ab. (...) Wenn wir uns die Weltpolitik als eine Bridge-Partie vorstellen, dann sitzen am Tisch der Großen die führenden Politiker der USA, Russlands, Israels und Chinas; letztere beobachten nach der letzten Runde des Einsatzerhöhens bloß die anderen drei.

Für die Europäer bleibt der Katzentisch, sie ‚verhandelten‘ noch mit dem iranischen Außenminister (Abbas Araghtschi, Anm. d. Red.), zu einem Zeitpunkt, als die Amerikaner bereits ihre Kampfjets mit den Bomben beluden. Bestimmt wird es keine geopolitische Lösung geben, die nur für Israel gut ist. Aber auch eine solche ist – zumindest für uns, für unsere Gesellschaften (im Westen) – auszuschließen, die für Israel eine Terrorgefahr bedeuten würde.“

„Wall Street Journal“ (USA): Trump hat die Welt von Atom-Bedrohung befreit

„Präsident Trumps Entscheidung, am Samstag die drei wichtigsten iranischen Atomanlagen anzugreifen, hat dazu beigetragen, die Welt von einer ernsthaften nuklearen Bedrohung zu befreien. Und sie war ein großer Schritt zur Wiederherstellung der US-Abschreckung. Sie schafft auch eine Chance für einen friedlicheren Nahen Osten, sofern die Nationen der Region diese nutzen. (...)

Trump hat dem Iran jede Möglichkeit gegeben, die Situation friedlich zu lösen. Das Regime hat seine 60-tägige Frist für ein Abkommen missachtet. Dann griff Israel an, zerstörte einen Großteil des Atomprogramms und erlangte die Lufthoheit. Dennoch gab der Präsident dem Iran eine weitere Chance zur Einigung. Das Regime wollte nicht einmal die Urananreicherung im eigenen Land aufgeben. Ajatollah Ali Chamenei wollte lieber eine Bombe als den Frieden.“

„Guardian“ (Großbritannien): USA haben internationaler Ordnung einen Schlag versetzt

„Indem die USA die Diplomatie abgelehnt und sich für den Krieg entschieden haben – nicht nur unter Verletzung des Völkerrechts, sondern auch auf Betreiben eines Landes, das die Vernichtung Gazas anstrebt –, haben sie der Architektur der internationalen Ordnung einen schweren Schlag versetzt. Sie haben damit signalisiert, dass Länder, die verhandeln (Iran), mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen müssen, während diejenigen, die sich schnellstmöglich Atomwaffen beschaffen (Nordkorea), diese vermeiden können.

Dass die USA Präventivschläge gutheißen, kommt Wladimir Putin, Xi Jinping und allen anderen Machthabern, die solche Schläge durchführen wollen, sehr gelegen. Selbst wenn die unmittelbare Krise im Nahen Osten eingedämmt werden kann, werden die Folgen dieses rücksichtslosen Vorgehens möglicherweise erst in Jahrzehnten vollends zu spüren und zu ermessen sein.“

„El Mundo“ (Spanien): Trump zieht in den Krieg

„Donald Trumps Angriff im Alleingang auf den Iran bedeutet das Ende des Multilateralismus und der kollektiven Sicherheit, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden waren. Die selbst ernannte Position des US-Präsidenten als Friedensstifter, der sich selbst des Friedensnobelpreises für würdig hält, ist dahin. Der Führer der mächtigsten Nation der Welt gibt seine Ablehnung militärischer Interventionen auf und wird zu einem Hauptakteur im bewaffneten Konflikt zwischen Israel und dem Iran.

Ein Paradigmenwechsel in der Außenpolitik des Weißen Hauses hin zu einem möglichen kriegerischen Expansionismus, der das Risiko eines groß angelegten Krieges im Nahen Osten exponentiell erhöht und weltweit zu wachsender Unsicherheit führt. Wenn ein Bombenangriff auf Nuklearanlagen einfach möglich ist, lautet die implizite Botschaft: In der verbleibenden Amtszeit von Trump ist alles möglich. Totale Unberechenbarkeit.

Ein Iran mit Atomwaffen ist keineswegs eine geringfügige Bedrohung, aber sie muss mit einer gemeinsamen Strategie angegangen werden, und das ist nicht geschehen. Für den Präsidenten gibt es keine inneren oder äußeren Gegengewichte mehr. Trump hat den Angriff weder abgesprochen noch seine Verbündeten darüber informiert. (...)“

„Washington Post“ (USA): Trump muss Amerikanern sagen, wie der Krieg endet

„Es ist möglich, dass ein gedemütigter Iran seine Vergeltungsmaßnahmen zumindest kurzfristig begrenzt und sich Trump gegenüber verhandlungsbereit zeigt, ein Abkommen auszuhandeln, das Teheran dauerhaft einschränkt. Oder es könnte zu einer Eskalation von Angriffen und Gegenangriffen kommen.

Die Zerstörung einzelner Atomwaffenstandorte mag einfach sein im Vergleich dazu, Irans Fähigkeit zu schwächen, den Handel im Persischen Golf zu unterbinden oder andere asymmetrische Operationen auszuführen. (...)

Inwieweit wird sich (US-Präsident Donald) Trump gezwungen sehen, solche Angriffe mit Gewalt zu beenden – oder zumindest es zu versuchen? Und inwieweit würde sich der Präsident mit Beschränkungen nur für das iranische Atomprogramm zufriedengeben, anstatt auch die Fähigkeit des Landes zur Herstellung und zum Einsatz konventioneller Waffen einzuschränken? Wie lange würde er den Konflikt verlängern, um Ziele zu erreichen, die über die Eindämmung der atomaren Ambitionen des Irans hinausgehen?

Die US-Bürger – und ihre Vertreter im Kongress, denen die Verfassung die Befugnis zur Kriegserklärung überträgt – hätten sich noch vor wenigen Wochen nicht vorstellen können, dass sie diesen Krieg führen würden. Nun muss der Präsident ihnen helfen, sich vorzustellen, wie dieser endet.“

„Sydney Morning Herald“ (Australien): Der Zusammenhalt der Nato erodiert

„Das war keine zögerliche, geheimdienstliche Unterstützung Israels hinter den Kulissen. Das war eine US-Militäroperation mit voller Stärke. Pentagon-Beamte bestätigten, dass die Angriffe ‚von oben‘ koordiniert wurden, und (US-Präsident Donald) Trump verschwendete keine Zeit, sich die Lorbeeren dafür einzuheimsen.

Für die Nato sind die Auswirkungen immens. Das Bündnis, das noch immer unter den Folgen des über dreijährigen Stellungskriegs in der Ukraine leidet, sieht sich nun gezwungen, mit einem US-Präsidenten umzugehen, der es in einen größeren regionalen Krieg hineinzieht – einen Krieg, auf den nur wenige europäische Hauptstädte Lust oder für den sie die Kapazität haben. Und entscheidend ist, dass Washington keinen Konsens abgewartet hat. Es wurden nur wenige Verbündete im Detail informiert. Und es wurde nicht um Erlaubnis gefragt. (...)

Hinter den Kulissen erodiert der Zusammenhalt der Nato. Nicht wegen russischer Panzer, sondern wegen der Unberechenbarkeit der USA. Und das hat die Nato und Europa gezwungen, sich einer unbequemen Wahrheit zu stellen. Die größte Bedrohung für ihre Einheit könnte nun aus dem Bündnis selbst kommen.“

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