• Machtverlust im "House of Lars" – Klingbeil steht in der SPD unter Druck.
  • Die SPD im tut sich schwer mit den engen Grenzen des Koalitionsvertrags.
  • Mit Petra Köpping hat sich eine starke Stimme für Ostdeutschland als stellvertretende Parteichefin durchgesetzt.

Das Gesicht von Lars Klingbeil spricht Bände. Der wiedergewählte Parteichef ringt um Fassung. Es ist das Gesicht des Parteitags. Abgestraft für vieles, für seine fehlende Demut nach der gescheiterten Bundestagswahl, für seinen Umgang mit den Parteilinken, vor allem aber für seine Kommunikation. Von oben nach unten nennen das einige in der Bundestagsfraktion. Da werde gelegentlich schon mal lautstark durchregiert, alle auf Linie gebracht.

Auch der unschöne Umgang mit Saskia Esken oder Hubertus Heil wird ihm zugeschrieben. Fehlendes Fingerspitzengefühl oder Basta-Politik à la Schröder kommen da gerade nicht gut an. Das Ampel-Aus und die Wahlschlappe vom Februar wirken noch nach. Dass die SPD dennoch in Regierungsverantwortung gegangen ist, ist auch sein Verdienst.

Doch Klingbeil hat sich dabei offenbar zu sicher gewähnt, nicht bemerkt, dass ihm da etwas entglitten ist. Das Personalkarussell zu heftig gedreht, zu viel Lars, zu wenig Partei. Das "House of Lars", wie einige in der SPD gern spotten, hat jetzt deutliche Risse bekommen. Und das zeigt sich auf dem Parteitag auch. Die Wunschliste der Basis für politische Korrekturen ist groß.

Die Wirklichkeit heißt Koalitionsvertrag

Sie träumen von einer linken Volkspartei, einer SPD, die sich von Grund auf erneuert. Viele Redner auf dem Parteitag beschwören die alten Tugenden, eine Steuer für Reiche, einen höheren Mindestlohn, eine Partei, die sich stark macht für Arbeitnehmerechte.

Doch die Realität heißt Koalitionsvertrag. Und da drückt gerade die CDU auf die Tube. Vor allem das Aussetzten des Familiennachzugs gefällt vielen auf dem Parteitag nicht. Die Möglichkeit zur Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, wollten die Jusos bis zum Schluss verhindern. Verteidigungsminister Boris Pistorius musste dafür auf dem Parteitag hinter den Kulissen verhandeln. Am Ende wurde der Antrag der Jugendorganisation entschärft.

Auch der Wunsch nach einem schnellen AfD-Verbot wurde zwar aufgenommen, aber auch deutlich milder formuliert, als etwa die Thüringer Delegierten gefordert hatten. Es gehe jetzt um die Prüfung der Voraussetzungen für eine Verbotsverfahren. Damit kann man zumindest in die Regierungsarbeit zurückkehren.

Wahlschlappe eine Hypothek für Klingbeil

Dennoch, der Parteitag der SPD macht klar. Die Basis hat ihrem Parteichef eine Hypothek mitgegeben. Einfach weiter so kann der Vizekanzler mit 65 Prozent Zustimmung wohl kaum machen. Klingbeil muss seine Politik besser erklären, die Abgeordneten mitnehmen bei Entscheidungen. Das heißt allerdings auch für die Union, dass es ungemütlicher werden könnte bei den Abstimmungsprozessen.

Und Klingbeil persönlich dürfte auch klar sein, dass der Weg zu einer möglichen Kanzlerkandidatur kein Selbstläufer ist. Im "House of Lars" haben sich starke Konkurrenten eingeladen: Bärbel Bas, seine neue Co-Vorsitzende, Anke Rehlinger, die Ministerpräsidentin aus dem Saarland, aber auch Alexander Schweitzer, der Ministerpräsident aus Rheinland-Pfalz, sie alle haben Ergebnisse deutlich über 90 Prozent bekommen. Und das dürften sie künftig auch nutzen, um ihre Forderungen durchzusetzen.

Starke Stimme für Ostdeutschland

Dass sich mit Petra Köpping eine starke Stimme für Ostdeutschland als stellvertretende Parteichefin durchgesetzt hat, ist ein wichtiges Zeichen für die SPD im Osten. Die Strategie der ostdeutschen Landesverbände, sich auf eine Person für eine Spitzenposition in der Partei zu verständigen, trug Früchte. Auch Köpping bekam ein sehr gutes Ergebnis, fast 92 Prozent. Ein starkes Mandat für ostdeutsche Themen.

Neue stellvertretende Vorsitzende: Petra KöppingBildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Und Köpping macht auch gleich klar, wohin die Reise mit ihr gehen wird, auf Augenhöhe: "Immer, wenn Ostdeutsche irgendwas zu bemängeln oder zu kritisieren haben, heißt es: die jammern mal wieder. Wenn aber die Bayern irgendwo eine Forderung aufmachen, dann wird das sofort ernst genommen, und ich möchte, dass wir auf Augenhöhe verhandeln und genauso behandelt werden wie Bayern."

Dafür will sie den Kontakt zur Basis wieder stärken. Und das ist dringend nötig für die SPD, auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern im nächsten Jahr. Die Wählerwanderung bei der Bundestagswahl zeigt, dass die Sozialdemokraten vor allem an Union und AfD Stimmen verloren haben. Dafür brauchen sie jetzt dringend eine Politik des Machbaren, die die Wählerinnen und Wähler mitnimmt. Eine Politik von unten nach oben, nicht umgekehrt. Eine, die weiß, wo der Schuh drückt. Das dürfte wohl auch eine Botschaft sein, die die Delegierten an diesem Sonntag ihrem Parteichef mit auf den Weg gegeben haben.

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