Die Babyboomer-Generation geht in Rente - ein finanzieller Kraftakt für die Rentenkasse. Wirtschaftsforscher schlagen nun vor, dass reichere Rentner einen "Soli" für ärmere zahlen. Der Vorschlag löst breite Kritik aus. Aber es gibt auch Lob.
Reiche Rentner der Babyboomer-Generation könnten nach einem Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für ärmere Rentner im gleichen Alter zur Kasse gebeten werden. Die Idee des "Boomer-Soli" stößt zwar überwiegend auf Kritik, etwa bei der Union und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) - könnte aber eine neue Debatte lostreten.
Maximilian Blesch, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, über den sogenannten Boomer-Soli
tagesschau24, 16.07.2025 18:00 UhrMit dem "Boomer-Soli" sollten laut den DIW-Forschern gezielt Menschen mit hohen Alterseinkünften zur Kasse gebeten werden, um einkommensschwache Rentner zu unterstützen und damit das Risiko für Altersarmut zu senken. Umverteilt werden solle nur innerhalb der älteren Generation, nicht über höhere Rentenbeiträge oder Steuerzuschüsse.
Babyboomer werden für Rentenkasse zum Problem
Hintergrund des Vorschlags ist die Belastung des Rentensystems durch die alternde Bevölkerung. In den kommenden Jahren gehen viele Menschen der geburtenstarke Jahrgänge der 1950er- und 60er-Jahre in Rente. "Wenn alle Babyboomer im Ruhestand sind, wird das Rentensystem noch deutlich stärker unter Druck kommen als bisher", sagte DIW-Forscher Peter Haan.
Der Steuerexperte des Instituts, Stefan Bach, ergänzte: "Es wäre nicht fair, die anstehenden Lasten des demografischen Wandels vor allem den jüngeren Generationen aufzubürden." Mit dem DIW-Vorschlag blieben Jüngere weitgehend verschont, "im Gegensatz zu steigenden Rentenbeiträgen und Steuerzuschüssen, die nach den Plänen der neuen Koalition künftig die zunehmend klammen Kassen der gesetzlichen Rente stabilisieren sollen", so das DIW.
Zehn Prozent von der Altersvorsorge weg?
In dem DIW-Konzept geht es um eine Abgabe von zehn Prozent auf sämtliche Alterseinkünfte wie die gesetzliche Rente, Betriebsrenten und Pensionen. Dabei soll ein Freibetrag von 1.000 Euro monatlich gelten, nur auf darüber liegende Einkünfte würde die Abgabe also fällig. Eine Variante sieht zudem die Besteuerung von Vermögenseinkünften vor. Erwerbseinkommen sollen nicht belastet werden.
Die Forscher rechnen vor: Die Abgabe würde die 20 Prozent der Rentnerhaushalte mit den höchsten Einkommen nur moderat belasten. Je nachdem, ob Kapitaleinkünfte mit einbezogen würden, würde das gewichtete Nettoeinkommen dieser Haushalte um drei bis vier Prozent sinken. Umgekehrt würden die gewichteten Einkommen der 20 Prozent der Rentnerhaushalte mit den niedrigsten Einkommen um zehn bis elf Prozent steigen.
Strikte Ablehnung der Union
Von der Union kommt strikte Ablehnung. Die Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Gitta Connemann (CDU), sagt, ein "Boomer-Soli" raube den Menschen Verlässlichkeit. "Jemand, der in die Rente eintritt, der sein Portfolio berechnet hat, (…) dem kann ich nicht so mal über Nacht sagen, ich nehme dir davon zehn Prozent weg", sagte Connemann den Sendern RTL/ntv.
Der Chef der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stefan Nacke, warnte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe: Der DIW-Vorschlag schaffe neue Ungerechtigkeiten, "wenn Einnahmen der Rentnerhaushalte, aber keine Vermögen berücksichtigt werden".
Schwarz-Rot hat sich Rentenreform vorgenommen
Die schwarz-rote Bundesregierung will zunächst ein sogenanntes Rentenpaket umsetzen, mit dem unter anderem das Rentenniveau bis 2031 festgeschrieben und die sogenannte Mütterrente ausgeweitet werden sollen.
Ein Sprecher des zuständigen Bundesarbeitsministeriums wollte das DIW-Konzept nicht bewerten. Er verwies auf die Rentenkommission, die im kommenden Jahr im Auftrag der Bundesregierung verschiedene Reformoptionen prüfen soll. Ziel der Regierung sei "eine verlässliche und ordentliche Rente" auch für künftige Jahrgänge, sagte der Sprecher.
DGB fordert mehr Steuergerechtigkeit statt Extra-Abgabe
Kritik am DIW kam auch von DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Einen Vorschlag, der "den Mangel niedriger Renten" lediglich unter den Rentnerinnen und Rentnern umverteile, brauche niemand, erklärte Piel.
Wer Beitragzahlende wirklich entlasten wolle, müsse über mehr Steuergerechtigkeit an hohe Einkommen und Vermögen rankommen. Ein Soli auf Renten lasse "die größten Einkommen im Land" wie Miet- und Pachteinnahmen, Unternehmensgewinne und Zinsen unangetastet, so Piel.
Neue Debatte zur Generationengerechtigkeit?
Der Bund der Steuerzahler nennt den Ansatz richtig, sich über die Lastenteilung zwischen Jung und Alt Gedanken zu machen, nennt den DIW-Vorschlag jedoch "verfehlt". Verbandspräsident Reiner Holznagel verteidigte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe das geltende Äquivalenzprinzip, "wonach längere und höhere Einzahlungen auch zu einer höheren Rente führen". Dies sei "einer der Grundsätze der gesetzlichen Rentenversicherung, der Vertrauen schafft", argumentierte Holznagel.
Lob für den Vorschlag kam dagegen von der Vorsitzenden des Sachverständigenrates Wirtschaft, Monika Schnitzer. Der Grundgedanke des DIW sei auf alle Fälle richtig, auch wenn die konkrete Ausgestaltung "sicher zu diskutieren" sei. "Die Rentenlast der Babyboomer kann nicht allein der immer kleineren Zahl von jungen Beitragszahlern aufgebürdet werden, die Babyboomer-Generation selbst muss einen Beitrag dazu leisten", sagte die Wirtschaftsweise den Funke-Zeitungen.
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