Kurz nach der ersten Anklage gegen den Pleitier Benko kommen immer mehr Details ans Licht. Ein Gutachten zeigt, wie mehrere Kredite seiner Firmen wohl gegen österreichisches Recht verstießen. Auch bei seinen luxuriösen Privatvillen soll Benko getrickst haben.
In der von Immobilienpleitier René Benko gegründeten Signa-Gruppe gab es bei der Finanzierung offenbar mehr Ungereimtheiten als bisher bekannt. Darüber berichtet der "Spiegel", der sich auf ein ihm vorliegendes Gutachten des Beratungshauses Deloitte vom 29. Januar 2025 beruft. Danach verstießen mehrere Kredite, sogenannte Up-Stream-Darlehen, in denen Tochterfirmen der Signa-Holding als Muttergesellschaft Geld liehen, wohl gegen österreichisches Recht, gegen die verbotene Einlagenrückgewähr.
In der Mehrzahl habe es "an der betrieblichen Rechtfertigung der Kreditgewährung" gefehlt, schreiben die Prüfer, Darlehen seien mit zu niedriger Verzinsung und ohne nötige Sicherheiten vergeben worden, ohne eine "Risikobeurteilung mit Bank-Standard". Auch, während sich Signas Lage verschlechterte.
Im November 2022 sahen die Prüfer die Signa-Holding schon "dauerhaft zahlungsunfähig", es habe eine "erhebliche Liquiditätslücke" gegeben. 161 Millionen Euro fällige Schulden seien nicht bezahlbar gewesen. Rechne man die wohl unerlaubten Kredite hinzu, steige die Lücke auf 916 Millionen Euro.
In den Büchern der Holding fanden die Prüfer dennoch einen überraschenden Kredit an Benko. Im Dezember 2022 hatte er demnach von der Signa-Holding ein Darlehen in Höhe von 13,2 Millionen Euro bekommen, der Kreditrahmen habe aber eigentlich nur bei 5 Millionen gelegen. Sein Zinssatz: ein Prozent.
Der für das Controlling zuständige Signa-Holding-Geschäftsführer Marcus Mühlberger habe angegeben, nicht aktiv in die Liquiditätsplanung eingebunden gewesen zu sein, wie es in dem Gutachten heißt, aus dem der "Spiegel" zitiert. Er habe keinen Grund gesehen, "sich beim Thema Liquidität Sorgen zu machen". Es sei "nicht nachvollziehbar", so die Deloitte-Gutachter, "auf welcher konkreten Grundlage" der Manager zu diesen Schlüssen komme. Mühlberger weist die Vorwürfe zurück.
Saudis angebettelt
Wie Benko Investoren noch kurz vor der Insolvenz der Signa-Holding zu höheren Investitionen drängte, zeigt der Fall des saudi-arabischen Staatsfonds PIF. Benko bettelte die Araber im Oktober 2023 noch einmal um Geld an, zeigen Dokumente aus den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien, die dem "Spiegel" vorliegen. Man brauche "dringend eure Unterstützung", schrieb Benko einem PIF-Verantwortlichen. Zwei Tage später: "Wir haben keinen alternativen Plan B für den dringenden Liquiditätsbedarf, der bis Anfang nächster Woche benötigt wird!!" Der PIF-Mann aber verlangte erst "alle notwendigen Unterlagen".
Der Fonds hatte zuvor 187 Millionen Euro in das "Projekt Franz" von Signa nahe dem Münchner Hauptbahnhof investiert, die laut den Ermittlungen direkt als Kredit an die Tochter Signa Prime weitergeleitet worden sein sollen, obwohl mindestens 113 Millionen Euro zweckgebunden gewesen seien.
Auch bei Luxus-Immobilien offenbar getrickst
Dem "Spiegel" liegen auch Dokumente vor, wie Benko sein Leben in luxuriösen Immobilien wie der Villa N in Innsbruck sicherte. So gibt es Zweifel an seiner Darstellung, er habe die Villa samt Ausstattung nur gemietet. Laut Dokumenten nahm das Ehepaar Benko erheblichen Einfluss auf die Ausstattung.
Für die Villa gab Benko demnach 2023 rund zwei Millionen Euro aus, für ein anderes Familienhaus in Innsbruck gut eine halbe Million. Offizielle Besitzer waren Firmen der familiären Laura-Privatstiftung, in der Benkos Mutter Ingeborg Begünstigte ist. Die Stiftung vermietete die Villa N demnach samt Ausstattung an die Signa-Holding, die sie an Benko untervermietete. Eine Darstellung, an der die Ermittler zweifeln.
Die Benkos entschieden offenbar selbst, was hineinkommen sollte. Acht Millionen Euro soll das Inventar der Villa N gekostet haben. Zum Bauherrentermin am 7. November 2020 soll René Benko mit Ehefrau den Architekten getroffen haben, wie aus den Akten hervorgeht, aus denen der "Spiegel" zitiert. Der Architekt schickte Pläne für die riesige Spa-Landschaft im Untergeschoss, der Blauen Grotte von Capri nachempfunden, mit Optionen wie hellgrauen Felsen und "more 'James Bond'" oder Arkaden "Capri Style".
Riesige Dino-Skulptur im Garten
Das Mieterpaar, so legen die Dokumente nahe, bestimmte die Muster der Marmorplatten und dachte über die Eingangstür, "an klassische Londoner TownHouses" erinnernd, nach. Es sollte ein Kino mit bis zu zehn Plätzen geben, einen Billardraum mit senfgelber Spielfläche. Eine Signa-Assistentin schrieb, für den Garten habe Benko einen Drei-Meter-T-Rex und eine 2,20-Meter-Skulptur des französischen Künstlers Philippe Pasqua gekauft.
Im August 2021, als ein Marmorlieferant die Arbeit einstellen wollte, weil Rechnungen offenstünden, schrieb Benko ihm auf Italienisch: Er sei Eigentümer der Firma, die die Villa besitze, "und Eigentümer der Signa Holding Gruppe". Er lockte, es gebe "eine Reihe Möglichkeiten für Kooperationen in Italien", so beim Hotel Palazzo Bauer in Venedig.
Erste Anklage gegen Benko
Die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hatte am Dienstag eine erste Anklage wegen Betrugs gegen Benko erhoben. Die Justizbehörde wirft Benko vor, bei seiner Insolvenz als Einzelunternehmer Vermögenswerte zuungunsten der Gläubiger beiseitegeschafft zu haben. Konkret wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, dass er "unter dem Eindruck zunehmender Zahlungsschwierigkeiten und einer absehbaren Konkurseröffnung" Angehörigen noch 300.000 Euro geschenkt habe. Insgesamt belaufe sich der in diesem Verfahren festgestellte Schaden auf 660.000 Euro. Dem 48-Jährigen drohen dafür ein bis zehn Jahre Haft. Benko war im Januar festgenommen worden. Seine Signa-Holding hatte Ende 2023 Insolvenz angemeldet.
Die nun erhobene Anklage ist Teil eines umfassenden Ermittlungsverfahrens. Neben Benko stehen mehr als ein Dutzend weitere Personen im Visier der Justiz. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen schweren Betrugs, Untreue, Förderungsmissbrauchs und Gläubigerbegünstigung. Der bislang ermittelte Gesamtschaden beläuft sich laut Behörde auf rund 300 Millionen Euro. Auch in Deutschland und Italien laufen Ermittlungen gegen Benko.
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