Donald Trump hat der Ukraine mehr Luftabwehr versprochen. Doch die Frage ist, wo sie herkommen soll: Deutschland wird schon bald im Zentrum der Patriot-Produktion stehen. Doch gegen Putins täglichen Raketenterror in der Ukraine hilft kurzfristig nur etwas anderes.

Donald Trump hat die Kehrtwende eingeleitet. "Wir werden Waffen der Spitzenklasse bauen - und sie direkt an die Nato liefern", versprach der US-Präsident diese Woche im Oval Office. Nach monatelangem Zögern will Trump der Ukraine neues Gerät schicken, darunter dringend benötigte Patriot-Luftabwehrsysteme. Trump hat dafür einen Ringtausch mit den Nato-Partnern im Sinn: "Einige Länder, die Patriots nutzen" sollen ihre Luftabwehrbatterien an die Ukraine abgeben und durch neue ersetzen. Doch nun kommt der schwierige Teil des Plans: Woher sollen die Systeme kommen?

Das zeigte sich nur zwei Tage später: Die Patriot-Systeme seien bereits unterwegs nach Kiew, behauptete Trump: "Sie kommen aus Deutschland". Die Bundesregierung widersprach postwendend: "Da kann ich nicht bestätigen, dass aktuell schon etwas auf dem Weg ist. Das ist mir nicht bekannt", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, Die diplomatische Verwirrung wirft ein Schlaglicht auf einen der größten strategischen Produktionsengpässe der westlichen Rüstungsindustrie: Patriot-Batterien sind Mangelware.

Denn das Angebot ist knapp, die Bestände begehrt. Die strategischen Luftabwehrkämpfe in der Ukraine und im Iran-Krieg lassen bei vielen Militärplanern weltweit die Sorgen wachsen, ob die eigene Ausstattung ausreicht. Kein Land will riskieren, seine Luftabwehr zu entblößen, weil es zu viele Startrampen und Raketen nach Kiew liefert. Und da jahrelang zu wenig in Produktionskapazitäten investiert wurde, ist der Nachschub massiv ins Stocken geraten. Patriot-Batterien sind derzeit nicht nur eines der teuersten und wichtigsten, sondern auch knappsten aller US-Waffensysteme: "Kein anderer Teil unserer Streitkräfte steht mehr unter Druck," zitiert "CNN" einen US-General.

Waffe gegen Putins Raketenterror

Für Kiew tickt die Uhr: Um das Land für seine geplante Sommer-Offensive zu zermürben überzieht Wladimir Putin die Ukraine schon seit Wochen mit einem selbst für den inzwischen dreieinhalbjährigen Krieg beispiellosen Raketenterror. Seit Mai haben die russischen Luftangriffe drastisch zugenommen: Mehrere Kinschal-Hyperschallraketen oder ballistische Raketen, dazu Marschflugkörper sowie bis zu 700 Drohnen täglich greifen ukrainische Städte an. Kiews Luftabwehr soll belastet werden, bis ihr die Munition ausgeht.

Gegen die zerstörerischen Langstreckenwaffen des Kremls sind die Patriots momentan Kiews einzige wirkliche Verteidigung. Sowjetische S-300 oder S-400 können Putins ballistische Raketen nicht zuverlässig abfangen. Gerade mal sechs bis acht Patriot-Batterien sind laut ukrainischen Medien bisher im Einsatz. Präsident Wolodymyr Selenskyj wünscht sich mindestens zehn weitere und hat bis zu 25 insgesamt gefordert.

Das geht kurzfristig nur wenn andere Länder verzichten: 19 Nationen setzen das Patriot-System derzeit ein, neben den USA und Deutschland auch die weiteren Nato-Staaten Griechenland, Niederlande, Spanien, Polen, Rumänien und Schweden sowie Taiwan, Japan, Südkorea, Ägypten, Saudi-Arabien und andere Länder.

Laut dem US-Verteidigungsministerium sind derzeit weltweit gerade mal etwa 210 Patriot-Batterien im Einsatz. 90 davon besitzt die US-Armee, 60 sind einsatzbereit. Japan hat etwa 24 Batterien, Saudi-Arabien 20 bis 25, die Vereinigten Arabischen Emirate 8, Südkorea 8 und Taiwan 7 Systeme im Einsatz. Der Rest befindet sich in anderen Ländern im Nahen Osten und Asien. Der weitaus größte Teil der weltweiten Patriot-Einheiten kommt also für eine Weitergabe nicht infrage, weil er anderswo gebraucht wird und diese Länder keine Alliierten der Ukraine sind.

Und in Europa gibt es auch nach mehr als drei Jahren Ukraine-Krieg viel zu wenige: Hier ist Deutschland der größte und weltweit der viertgrößte Patriot-Nutzer. Ursprünglich hatte die Luftwaffe 12 Systeme im Einsatz. Drei hat sie bereits an die Ukraine abgegeben, acht weitere inzwischen nachbestellt. Auch die Niederlande haben bereits eins ihrer ursprünglich 4 Systeme an Kiew abgegeben und nachgeordert. Griechenland hat 6, Schweden hat 4, Spanien hat 3, und Polen sogar nur 2 Batterien im Einsatz, will aber in den nächsten Jahren auf 8 bis 12 Einheiten aufstocken. Auch Rumänien hat eine Batterie an Kiew weitergegeben und insgesamt 7 Einheiten bestellt. Doch bis sie alle da sind, dürften noch Jahre vergehen.

Patriot-Raketen sind begehrt

Ein Grund ist die Komplexität des Systems: Es besteht aus einer fahrenden Kommandozentrale, dem Radarmodul, den eigentlichen Raketenwerfern, einer Antennenanlage und sogar einem eigenen rollenden Kraftwerk für die Stromversorgung. Es kann Flugzeuge, ballistische Raketen, Marschflugkörper und sogar Interkontinentalraketen in bis zu 150 Kilometer Entfernung erfassen und mit fast fünffacher Schallgeschwindigkeit bekämpfen, je nachdem welcher Raketentyp verwendet wird.

Die Fertigung einer einzigen Batterie dauert momentan rund zwei Jahre. Hersteller Raytheon kann laut eigenen Angaben derzeit rund zwölf Batterien im Jahr herstellen. Weil so viele andere Länder schon bestellt haben, käme eine schnelle Lieferung an Kiew nur infrage, wenn sie der Ukraine den Vortritt lassen. Rumänien und Schweden etwa haben drei Jahre auf ihre Systeme gewartet, Polen sogar vier Jahre. Auch die Auslieferung an die Schweiz, die schon 2023 fünf Systeme bestellt hat, ist erst ab 2027 geplant.

Auch die enormen Kosten stehen einer schnellen Entscheidung im Wege. Laut dem US-Thinktank CSIS kostet eine Batterie inklusive Raketen rund 1,1 Milliarden Dollar. Davon entfallen rund 400 Millionen Dollar nur auf die Abschussanlagen, 690 Millionen allein auf die Raketen. Eine einzelne der neusten Generation (PAC-3), die Ziele nicht durch Streuwirkung, sondern direkte Treffer ("hit to kill") vernichten kann, kostet laut CSIS etwa vier Millionen Dollar. Da sie kleiner und manövrierfähiger sind als ihre Vorgänger, passen davon vier Stück in einen Abschusskanister statt bloß eine wie bei den älteren und größeren Varianten.

Doch das noch größere Problem als die Abschusssysteme ist wie schon bei Kiews Artillerieversorgung auch die Munition. Sie wird von Lockheed Martin hergestellt. Laut CSIS hat die US-Armee 2023 gerade mal 252 neue Patriot-Raketen geordert und 2024 dann 870 weitere PAC-3-Raketen gekauft. Laut "Bloomberg" will die US-Armee ihre geplante Beschaffung nun ab 2026 auf fast 14.000 Stück mehr als vervierfachen. Denn nach internen Pentagon-Analysen sollen die Bestände durch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten auf nur noch rund ein Viertel des strategisch notwendigen Patriot-Raketen-Vorrats gefallen sein. Der Engpass war demnach ein wesentlicher Grund für Trumps kurzzeitigen Waffen-Lieferstopp an die Ukraine Anfang Juli.

Durch das jahrelange Unterinvestment in die Patriot-Raketen sind die Produktionskapazitäten noch kleiner als bei den Feuerbatterien: derzeit können nur etwa 500 Stück jährlich hergestellt werden. Bis 2027 soll das auf etwa 650 pro Jahr steigen. "Die schlechte Nachricht ist, dass wir nicht einfach einen Schalter umlegen können und all das über Nacht bekommen werden", zitiert "Axios" einen Experten von CSIS.

Deutschland bald vorne in der Patriot-Produktion

Die Produktion stockt auch, weil die USA die Hand auf die Technologie halten. Bisher wurden Patriot-Raketen weltweit nur an einem einzigen Ort gefertigt: bei Lockheed Martin in Arkansas. Die Fabrik in Camden wurde 1978 eröffnet und 2022 massiv erweitert. Bis auf eine weitere Fabrik von Mitsubishi in Japan, die aber nur 30 Raketen im Jahr in Lizenz herstellen kann, gibt es außerhalb der USA nur Fabriken für Komponenten und Wartungsanlagen für die Patriot-Systeme.

Das soll sich nun ändern: Im bayrischen Schrobenhausen entsteht gerade die erste Patriot-Raketen-Fabrik außerhalb der USA. Dafür arbeitet Raytheon mit MBDA zusammen, dem europäischen Raketenhersteller, der etwa den Marschflugkörper Taurus produziert. Schon seit den 80er Jahren ist ihr gemeinsames Joint Venture COMLOG die zentrale Logistikfirma für die Wartung der Patriot-Raketen in Europa.

Ende 2024 erfolgte nun der symbolische Spatenstich für den massiven Ausbau der MBDA-Anlagen in Schrobenhausen, mit denen Europa künftig auch seine eigene Produktion sicherstellen will. Künftig sollen dort bis zu 1000 Patriot-Raketen für Deutschland, die Niederlande, Rumänien und Spanien hergestellt werden, die die Nato 2024 für rund 5,1 Milliarden Euro bestellt hat. Produziert werden sollen verbesserte Patriot-Raketen der 2. Generation (PAC-2 GEM-T), die für den Abschuss von Marschflugkörpern und ballistischen Raketen entwickelt wurden, wie sie Putin täglich in der Ukraine einsetzt.

Deutschland wird damit künftig im Zentrum der Patriot-Raketen-Produktion in Europa und der Verteidigung der Ukraine gegen Putins strategischen Luftterror stehen. Doch bis dahin wird es noch Jahre dauern: Die neue Fabrik in Schrobenhausen soll erst 2026 fertig werden und 2027 zu liefern beginnen. Wirklich lösen könnten das Patriot-Problem der Ukraine kurzfristig also nur die USA. Sie haben nicht nur 60 Patriot-Batterien, sondern auch tausende Raketen im Bestand, die sie sofort nach Kiew liefern könnten. Das würde allerdings noch erheblich mehr Mut zur Lücke erfordern als bisher.

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