Donald Trump ringt einem Land nach dem anderen Zusagen für den Kauf insgesamt Hunderter neuer Boeing-Flugzeuge ab. Fraglich ist allerdings, was von dem Show-Effekt bleibt. Airbus muss laut Luftfahrt-Experte Wissel keine Angst haben.

50 Boeing-Flugzeuge im Gegenzug für einen niedrigeren Zollsatz für Indonesien sowie Boeing-Maschinen im Wert von zehn Milliarden US-Dollar als Teil des Handelspakts zwischen den USA und Großbritannien: Damit er von seinen gigantischen Zolldrohungen abrückt, verlangte US-Präsident Donald Trump zuletzt von Handelspartnern, dass sie jede Menge Jets des amerikanischen Flugzeugbauers kaufen. Anders formuliert lässt sich von reiner Erpressung sprechen.

Hinzu kommen 18 Boeing-"Dreamliner" für die staatliche Airline Gulf Air in Bahrain und bei Trumps Besuch in Katar ganze 160 Jets plus Optionen für weitere 50 für die ebenfalls staatliche Qatar Airways. Mit diesen insgesamt mehr als 220 Zusagen und teils konkreten Bestellungen plus Dutzenden zusätzlichen Kaufoptionen innerhalb von zwei Monaten erreicht der US-Präsident bei Flugzeug-Deals eine neue Größenordnung.

Rettet Trump Boeing damit aus der tiefen Krise? Unter seiner Regierung konnte der Flugzeugbauer zudem sechs Jahre nach dem Absturz zweier 737-Max-Flugzeuge einen Vergleich erzielen: Im Gegenzug für eine Zahlung von 1,1 Milliarden Dollar wird die Strafverfolgung endgültig eingestellt. Daneben hatte der Einbruch des Luftverkehrs in der Corona-Pandemie die Boeing-Produktion schwer getroffen.

Airbus fürchtet angesichts von Trumps Boeing-Deals eine Wettbewerbsverzerrung, wie das "Handelsblatt" einen Insider zitiert. In den Augen von Luftfahrt-Experte Gerald Wissel hingegen besteht für den deutsch-französischen Wettbewerber allerdings kein Grund zu dieser Sorge. "Beide Hersteller sind gut ausgelastet", betont der Gründer von Airborne Consulting im Gespräch mit ntv.de. "Die neuen Boeing-Aufträge sind keine große Bedrohung für Airbus."

Womöglich reiner Marketing-Erfolg

Beide Hersteller kämen schon jetzt bei der Produktion nicht hinterher, erklärt der Branchenkenner. Und müssten auch um neue Aufträge nicht bangen. Für Fluggesellschaften wäre es Wissel zufolge zu riskant, künftig nur auf einen der beiden Produzenten zu setzen - allein schon wegen der Abhängigkeit von den Herstellern bei Ersatzteilen und um in Preisverhandlungen nicht machtlos zu werden.

In den vergangenen Jahren hatten Boeing und Airbus bei den Verkäufen demnach beide immer mal die Nase vorn. Russland fällt infolge seines Angriffskriegs gegen die Ukraine als Lieferant aus. Bei Flugzeugen aus China herrscht inzwischen kritische Zurückhaltung. "Gerade im Bereich der Langstreckenflugzeuge gibt es keine Alternativen zu Airbus und Boeing", sagt Wissel.

Entscheidend ist dem Experten zufolge vor allem, was aus den angekündigten Boeing-Käufen am Ende überhaupt wird. Erst einmal hat Trump einen großen Marketing-Erfolg erzielt, für Boeing, aber auch für die kaufenden Airlines - wer neue Flugzeuge bestellt, ist schließlich gut im Geschäft.

Doch der tatsächliche Vorteil für Boeing hängt noch von diversen Faktoren ab, wie Wissel klarstellt: Münden die Absichtserklärungen alle in konkreten Kaufverträgen? Fließt jetzt schon Geld in Form von Anzahlungen? Sind Anzahlungen erstattungsfähig, falls der Auftrag storniert wird? Außerdem dürften die Preisverhandlungen für die Maschinen noch ausstehen, wie viel verdient Boeing also überhaupt damit? Es könnte beim reinen Marketing-Erfolg bleiben.

Keine Aufträge auf Messe nach Air-India-Absturz

Trumps Handelspolitik könnte sich auf der anderen Seite für Boeing sogar rächen: China lehnte im Handelskrieg plötzlich die Annahme neuer US-Flugzeuge ab. Auch von der Neubesetzung der Spitze der US-Flugsicherheitsbehörde unter Trump kann sich Boeing Wissel zufolge keinen Vorteil erhoffen. Der neue Leiter Bryan Bedford, vorher Chef der Regional-Fluggesellschaft Republic Airways, kann seiner Einschätzung nach Sicherheitskontrollen nicht entschärfen - viel zu riskant.

Gefährlich würde es ebenfalls, falls auch bei dieser US-Behörde massiv Stellen abgebaut würden. Durch eine daraus folgende Reduzierung von Kontrollen entstünde ein großes Sicherheitsrisiko. Das dürfte sogar Trump zu riskant sein.

Auf der weltgrößten Luftfahrtmesse im Juni in Paris ging Boeing komplett leer aus, während Airbus mehrere Bestellungen einsammelte. Wenige Tage zuvor war ein "Dreamliner" von Air India abgestürzt. 260 Menschen verloren ihr Leben.

Die Ursache des Absturzes ist noch unklar. Es besteht der Verdacht auf Suizid eines Piloten. Die US-Luftfahrtbehörde warnte allerdings 2018, dass bei einigen Boeing-Modellen der Verriegelungsmechanismus deaktiviert war, der verhindert, dass sich die Kraftstoffschalter versehentlich bewegen. Air India hatte seine Schalter nicht überprüft, weil die entsprechende Behörden-Empfehlung nicht verbindlich war. Die Empfehlung wiederholte die Behörde nun.

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