Erst schmiss CEO Luca de Meo überraschend hin, dann stand bis zu seinem Abgang noch kein Nachfolger in den Startlöchern und schließlich folgte vergangene Woche eine Gewinnwarnung. Die Renault-Gruppe hat turbulente Wochen hinter sich.
Jetzt veröffentlichten die beiden wichtigsten Konzernmarken, Renault und Dacia, ihre Absatzzahlen für das erste Halbjahr 2025 – und die offenbarten durchaus viele Lichtblicke. Besonders ein Modell dürfte der französisch-rumänischen Marke aktuell Freude bereiten.
Der Dacia „Bigster“ macht seinem Namen mit 4,75 Metern Länge und 1,71 Metern Höhe alle Ehre. Seit Januar kann er vorbestellt werden, seit Mai wird er ausgeliefert. Und er bringt das Dacia-Prinzip gut auf einen Nenner: günstige Pkw, mit denen das Unternehmen bislang trotzdem sehr profitabel wirtschaftet. Als Mittelklasse-SUV ist der Bigster mit unter 25.000 Euro Kaufpreis deutlich günstiger als viele Konkurrenten.
Und das kam bei Kunden offenbar gut an: Über 38.000 Vorbestellungen und 17.329 Auslieferungen notierte das Unternehmen eigenen Angaben zufolge im ersten Halbjahr. Den elektrischen Dacia Spring hat der Bigster gewissermaßen aus dem Stand eingeholt – beziehungsweise überholt, wenn man die Vorbestellungen hinzurechnet. Zwar ist er noch weit vom bisherigen SUV-Platzhirsch Duster entfernt, liefert den Absatzzahlen gemessen an seiner Verfügbarkeit aber durchaus einen Big Boost.
Trotz Bigster: Rückgang bei Verkaufszahlen
Der Plan von Dacia lautet, damit das Mittelklasse-Segment des europäischen Automarktes zu erobern – und so auch den deutschen Markt, auf dem die Marke verglichen mit anderen Ländern wie Frankreich oder Italien, noch Luft nach oben hat. Wie die andere große Konzernmarke, Renault, war Dacia bisher vor allem bei kleineren Fahrzeugen im sogenannten A- und B-Segment stark. Mit dem Renault Clio und dem Dacia Sandero hat der Konzern beispielsweise die meistverkauften Autos in Europa im Portfolio – genau in den traditionellen Kleinwagen-Segmenten.
Mit dem stärkeren Fokus auf günstige Mittelklasse-SUVs hatte man gehofft, auch in Deutschland zugewinnen zu können.
Trotzdem musste Dacia bei den globalen Absatzzahlen all seiner Modelle erst einmal einen Dämpfer hinnehmen. Im Vergleich zum Vorjahr verkaufte der Hersteller im ersten Halbjahr 0,7 Prozent weniger Fahrzeuge. Wie das Unternehmen vor Journalisten erklärte, lag das aber an einem Sondereffekt: Im türkischen Markt wechselte der Dacia Duster die Marke und wird dort seit August als Renault verkauft.
Der wichtigsten Marke des Gesamtkonzerns dürfte das nicht geschadet haben. Im Gegenteil: Der globale Absatz von Renault wuchs im Vergleich zum Vorjahr leicht um 2,7 Prozent auf 808.413 Fahrzeuge, schlechter Marktlage und Gewinnwarnungen des Konzerns zum Trotz. Im europäischen Markt – der mit Abstand wichtigste für den französischen Traditionshersteller – konnte Renault dabei um starke 8,4 Prozent wachsen, außerhalb Europas um 16,3 Prozent.
Nutzfahrzeug-Absatz von Renault bricht ein
Wo also sind die Haken? Dacia schwächelte insbesondere beim Duster, beim Sandero, vor allem aber beim Jogger, der global auf fast 17 Prozent weniger Neuregistrierungen kam.
Und wie schon in der Gewinnwarnung angedeutet, ist der Nutzfahrzeug-Absatz bei Renault regelrecht eingebrochen: 123.000 Fahrzeuge verkaufte Renault in Europa – ein Rückgang um 29 Prozent. Der Konzern hofft dank eines dann vollständigen Line-ups des Renault Master immerhin auf ein besseres zweites Halbjahr.
Weiterer Lichtblick: Renault legte beim Elektroabsatz in Europa weiter zu. Teil der Konzernstrategie ist es, das Portfolio schneller in Richtung Elektrifizierung zu entwickeln – Dacia hingegen soll länger am Verbrenner festhalten. Entsprechend größer war der Fokus auf Elektrofahrzeuge. Hier verkaufte Renault im ersten Halbjahr 63.800 E-Autos – ein Plus von 57 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert und 16 Prozent der gesamten Pkw-Verkäufe. Gerade den als Elektroauto neu aufgelegten Klassiker R5 feiert man dabei als Erfolg.
Zumindest die Absatzzahlen sehen angesichts der schwierigen Marktlage in strategisch wichtigen Bereichen durchaus gut aus. Bleibt abzuwarten, wie der Finanzbericht für das erste Halbjahr aussieht.
Steffen Bosse ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie und der Beratungsbranche.
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