Die Hafenbarkasse „Diplomat“ fährt am Bubendeyufer entlang, die von Büschen und Bäumen gesäumte Fläche zwischen der Elbfahrrinne und dem Petroleumhafen, gegenüber dem Elbufer von Övelgönne, wirkt vergessen und verlassen. Doch genau hier soll in etwa zehn Jahren das neue Kraftzentrum des Hamburger Hafens stehen, ein hoch automatisierter Terminal für die größten Containerschiffe der Welt.

Über die sogenannte Westerweiterung des Eurokai-Terminals wird seit fast 20 Jahren debattiert, seit 2022 liegt das Baurecht vor. Eng verbunden mit der Erweiterung des Terminals ist die Vergrößerung des Drehkreises am Waltershofer Hafen von 480 auf 600 Meter, um das Anlegen der größten Containerschiffe an den Terminals Eurokai und Burchardkai zu erleichtern. Die Stadt Hamburg investiert in die Westerweiterung und den Drehkreis rund 1,1 Milliarden Euro. Einen Teil bekommt sie später über die Pacht der Terminalfläche vom Unternehmen Eurogate zurück, dem Betreiber des Eurokais. Ein voraussichtlich hoher dreistelliger Millionenbetrag wird wohl langfristig der Anteil der Stadt sein.

Durch die Erweiterung des Drehkreises soll die Anlegezeit der Großcontainerschiffe von derzeit rund 90 auf 40 bis 45 Minuten sinken. Hamburg stellt sich damit auf die stetig steigende Zahl von Schiffen mit rund 400 Metern Länge und teils mehr 60 Metern Breite ein, die den Hafen anlaufen, speziell Frachter in den Liniendiensten zwischen Europa und China.

„Wir tun das, um für die internationale Schifffahrt angebotsfähig zu bleiben“, sagt Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) bei ihrer jährlichen Sommer-Pressefahrt durch den Hafen auf die Frage, warum Hamburg neue Terminalfläche schafft – schon heute hat der größte deutsche Seehafen viel mehr Kapazität für den Containerumschlag zur Verfügung, als Boxen bewegt werden. Rund 7,8 Millionen Containereinheiten (TEU) wurden 2024 in Hamburg umgeschlagen, in diesem Jahr dürften es deutlich mehr sein, wenn sich das Wachstum aus dem ersten Halbjahr – rund neun Prozent – in den kommenden Monaten fortsetzt. Doch insgesamt könnten die drei Hamburger Containerterminals der HHLA und der Eurokai heutzutage schon etwa 14 Millionen TEU im Jahr umschlagen.

Die Westerweiterung ist derzeit das größte und wichtigste Projekt zur Modernisierung des Containerumschlags in Hamburg. Die Stadt und die beteiligten Unternehmen senden damit das Signal: Der Hamburger Hafen lässt sich im Wettbewerb an Nord- und Ostsee nicht weiter abhängen. Im zurückliegenden Jahrzehnt hat Hamburg an der „Nordrange“ deutlich an Marktanteilen verloren, und das soll nicht so bleiben. Mit hoch automatisierten, elektrifizierten Terminals, deren Betrieb perspektivisch keine Treibhausgase ausstößt, will die Hansestadt wieder in die Offensive kommen. Die HHLA-Terminals Altenwerder und Burchardkai sind bereits automatisiert, der Eurokai schließt mit automatisch betriebenen Fahrzeugen und Containerlagern sowie mit ferngesteuerten Containerbrücken in den kommenden Jahren technologisch auf.

„Wir werden den Eurokai kontinuierlich an den neuesten Stand der Technologie anpassen“, sagt Eurogate-Manager Tim Schmonsees. Die heutige Fläche des Eurokais soll von 140 auf 178 Hektar erweitert werden, mit zusätzlichen Liegeplätzen für Großcontainerschiffe. Führende Reedereien wie CMA CGM oder Hapag-Lloyd, heißt es aus der Hafenwirtschaft, seien daran interessiert, sich an der Westerweiterung zu beteiligen. Allein Eurogate will in die Modernisierung und Westerweiterung des Eurokais rund 700 Millionen Euro investieren, in Fahrzeuge, Containerbrücken und Portalkräne.

Neben Prestigeprojekten wie diesen steht die Kärrnerarbeit: die Pflege der insgesamt rund 43 Kilometer Kaikanten im Hamburger Hafen. Rund 35 Kilometer davon gehören der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA). Etwa fünf Kilometer der Kaimauern sind älter als 100 Jahre, zehn Kilometer sind zwischen 60 und 100 Jahre alt. Nur acht Kilometer sind jünger als 30 Jahre. Was allein die Sanierung der Kaikanten im kommenden Jahrzehnt kosten wird, wollen Leonhard und HPA-Chef Jens Meier nicht sagen. „Es ergibt keinen Sinn, solche Globalzahlen aufzurufen, finanzielle Unterstützung zum Beispiel vom Bund zu fordern, und das Geld dann womöglich nicht zeitnah verbauen zu können“, sagt Meier. „Wir versuchen, Sanierung und Neubau bedarfsgerecht zu priorisieren und dann möglichst auch Baurecht für das jeweilige Projekt zu haben.“

Allerdings steht auch Hamburg hinter der Forderung der Hafenwirtschaft und ihres Branchenverbandes ZDS, die jährliche Unterstützung des Bundes von derzeit nur rund 38 Millionen Euro dauerhaft auf 400 bis 500 Millionen Euro im Jahr zu erhöhen. Auch punktuelle Beteiligungen des Bundes an Bauprojekten sind in der Hansestadt willkommen.

Hamburg bindet an den Kaikanten heute schon permanent Beträge im hohen dreistelligen Millionenbereich. Allein die Sanierung des Steinwerder Kais an der Werft Blohm+Voss und des Salzgitterkais am Kohle- und Erzterminal Hansa Port kostet insgesamt rund 700 Millionen Euro – einen Teil davon holt sich die Stadt auch hier durch Pachten zurück, andernfalls würde die EU-Kommission die städtischen Investitionen als unerlaubte Beihilfe werten. Die Sanierung des Hachmannkais südlich des Terminals Tollerort auf Steinwerder kostete rund 47 Millionen Euro, sie dauerte bis zum Mai dieses Jahres insgesamt zwei Jahre und acht Monate – bei einer Kaimauer von 460 Metern Länge.

Komplett neu erschlossen wird derzeit das Areal Steinwerder Süd. Durch Aufschüttung verbindet die HPA zwei alte Kaianlagen zu einer neuen trapezförmigen Fläche von rund 26,4 Hektar. Seit vielen Jahren wird an diesem Projekt gearbeitet, in den Jahren 2026 und 2027 sollen der oder die künftigen Nutzer ausgewählt, 2029 der Terminal von der Stadt übergeben werden. Logistik könnte dort angesiedelt werden, auch in Verbindung mit der Lagerung und Weiterverarbeitung von Rohstoffen. Der neue Terminal, erreichbar für Schiffe mit 10,8 Metern Tiefgang, ist an die Hamburger Hafenbahn angebunden.

Hohe Summen investiert Hamburg in den kommenden Jahren auch in die Landstromanschlüsse für See- und Binnenschiffe. Bis 2027 müssen alle Kreuzfahrtschiffe in Hamburg mit Landstrom versorgt werden, die dann technisch dafür vorbereitet sind. In der EU gilt von 2030 an eine Landstrompflicht für alle dafür ausgelegten Kreuzfahrt- und Containerschiffe. Heutzutage ist es für die meisten Reedereien noch billiger, den Strombedarf auf den Schiffen mit den dieselbetriebene Bordaggregaten zu decken.

Das allerdings werde sich ändern, sagt Meier, der auch Präsident des Welt-Hafenverbandes International Association of Ports and Harbors (IAPH) ist. Neben der Verpflichtung zur Nutzung von Landstrom werde es Regelungen zum Einsatz von synthetischen, klimaneutralen Kraftstoffen für die Bordaggregate geben. Die Mitgliedstaaten der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO beschlossen 2023, dass die globale Schifffahrt bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein soll. Bislang steht die Schifffahrt für rund drei Prozent des gesamten menschengemachten Ausstoßes an Treibhausgasen. „Diese Entwicklung“, sagt Meier, „werden wir in den Häfen nach Kräften unterstützen.“

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Die maritime Wirtschaft – Schifffahrt, Häfen und Werften – zählt zu seinen Schwerpunktthemen.

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