Jerome Powell schüttelte verdutzt den Kopf. In der Hand hielt der Notenbankchef ein Papier, das ihm der US-Präsident gerade übergeben hatte. Auf 3,1 Milliarden Dollar würde die Renovierung der Fed-Zentrale inzwischen veranschlagt, warf Trump ihm dabei vor. Powell studierte das Papier und erkannte recht schnell, dass das Weiße Haus in die Rechnung einfach ein weiteres Gebäude einbezogen hatte. „Das wurde vor fünf Jahren fertiggestellt“, so Powell.

Dieser öffentliche Zoff bei Trumps Besuch auf der Baustelle der Notenbankzentrale in Washington am Donnerstag war nur die jüngste Szene in einer Dauerfehde zwischen dem Präsidenten und dem obersten Währungshüter. Hinter dem, was dabei manchmal wie eine persönliche Vendetta Trumps aussieht, steckt in Wirklichkeit eine gezielte Strategie. Sein Ziel ist es, den Staatshaushalt zu entlasten, und dabei soll die Notenbank helfen, notfalls durch Zwang. Powell jedoch sträubt sich bislang, denn die Folgen wären fatal – insbesondere auch für Anleger und Sparer.

Trump verschärft seine Rhetorik

Schon seit April hat Trump die Rhetorik gegen den Fed-Chef verschärft. Er nannte Powell öffentlich einen „großen Loser“ und einen „Dummkopf“, bezeichnete ihn als „Mr. Too Late“, weil er bei den Zinssenkungen zu spät dran sei. „Ich glaube, ich verstehe viel mehr von Zinsen als er“, posaunte Trump. Zuletzt kam die Kritik an den angeblich aus dem Ruder laufenden Kosten für die Renovierung der Fed-Zentrale hinzu. Und dazwischen platzierte der Präsident immer mal wieder die Drohung, Powell zu entlassen.

Hinter diesem scheinbar zusammenhanglosen Stakkato steckt Trumps altbekannte Taktik, die dessen einstiger Berater Steve Bannon einmal als „flooding the floor with shit“ bezeichnet hat – die Öffentlichkeit wird mit Müll zugeschüttet, in der Hoffnung, dass irgendetwas verfängt und hängen bleibt und der Gegner am Ende zermürbt aufgibt. Doch an Powell beißt sich Trump offenbar die Zähne aus. Dessen bislang einziger Kommentar zu alldem lautete, er mache einfach weiter seinen Job.

Dieser besteht derzeit darin, die Zinsen unverändert hochzuhalten. Aktuell liegt der Leitzins, für den die Fed stets eine Spanne vorgibt, zwischen 4,25 und 4,50 Prozent. In Europa dagegen hat die EZB ihn bereits auf zwei Prozent abgesenkt. Doch der Grund für die Differenz ist einfach: Auf dieser Seite des Atlantiks scheint die Inflation gebändigt, während in den USA die Risiken wachsen, vor allem aufgrund der immer neuen Zolldrohungen und Zollvereinbarungen Trumps. Je höher die Zölle dabei ausfallen, desto stärker dürfte der Preisdruck in den USA werden. Dagegen muss die Fed mit hohen Zinsen ankämpfen.

Keine Zinssenkung erwartet

Diese hohen Zinsen führen jedoch wiederum dazu, dass sich die Lage der Staatsfinanzen immer weiter verschlechtert. 2022 hatte die öffentliche Hand 575 Milliarden Dollar für Zinszahlungen aufwenden müssen, im vergangenen Jahr war es mit 1126 Milliarden Dollar schon fast doppelt so viel – Tendenz rasch steigend. Gleichzeitig hat Trump mit seinen jüngsten Steuersenkungen ein neues riesiges Loch in den Haushalt gerissen, und die Zolleinnahmen können davon allenfalls einen Bruchteil ausgleichen.

Der US-Schuldenberg von derzeit rund 37 Billionen Dollar droht folglich noch rasanter zu wachsen als bisher, und Trump sucht Entlastung über niedrigere Zinsen. Um gleich drei Prozentpunkte solle die Fed den Leitzins senken, fordert er. Da sie das nicht tue, entstünden derzeit Mehrkosten für den Staat von 600 Milliarden Dollar jährlich. Das Argument einer drohenden Preiswelle hält Trump dabei für Quatsch – es sei doch weit und breit keine Inflation zu sehen, behauptet er.

Tatsächlich zeigen die Zahlen bisher kaum einen Inflationsschub. Doch das sei darauf zurückzuführen, dass viele Unternehmen vorsichtshalber ihre Lager gefüllt haben, sagt Tom Porcelli, Chefökonom des Finanzkonzerns PGIM Fixed Income, der rund eine Billion Dollar an Anlagevermögen verwaltet. Das halte die inflationären Effekte der Zölle noch in Schach. „Mit der Zeit werden diese Effekte jedoch durchsickern“, sagt er, „und wir erwarten einen Anstieg der Inflation in den Bereich von 3 bis 3,5 Prozent.“

Powell und seine Kollegen in der Notenbank scheinen ähnlich zu denken, und sie werden daher voraussichtlich auch bei ihrer nächsten Sitzung am 29./30. Juli den Leitzins unverändert lassen. Das dürfte Trump erneut in Rage versetzen, der am Donnerstag zwar gesagt hatte, er denke derzeit nicht daran, Powell zu entlassen, doch er sagte ebenso klar, was er nun von ihm erwartet. „Ich möchte nur eines sehen, ganz einfach: Die Zinsen müssen sinken.“ Und über Powell: „Ich denke, er wird das Richtige tun.“

Wenn nicht, dann dürfte Trump wieder beleidigende Worte finden und vielleicht doch eine Entlassung der Notenbankspitze betreiben. Genau dazu könnten die Vorwürfe der angeblich ausufernden Baukosten für die Fed-Zentrale dienen, denn damit hätte Trump einen vermeintlich handfesten Grund für die Entlassung: Missmanagement. Unzufriedenheit mit der Zinspolitik reicht nicht.

Doch die Folgen einer Entlassung wären fatal. George Saravelos, Chef der Währungsanalyse bei der Deutschen Bank, schätzt, dass der Dollar innerhalb der ersten 24 Stunden nach einem solchen Schritt drei bis vier Prozent an Wert verlieren würde. Dadurch würde automatisch auch der Wert von Aktienanlagen in den USA in Euro gerechnet entsprechend sinken – europäischen Investoren würden also erhebliche Verluste blühen.

Tohuwabohu an den Finanzmärkten

Gleichzeitig dürften aber auch die Renditen für amerikanische Staatsanleihen steigen, glaubt Saravelos, ähnlich wie im April, als Trump bei seinem sogenannten „liberation day“ drastische Zölle ankündigte – nur, um wenige Tage später ein Moratorium zu verkünden. Diese Wende führten Investoren herbei, die regelrecht in einen Kaufstreik getreten waren und so die Renditen drastisch in die Höhe trieben. Daraus drohte eine ernsthafte Finanzkrise zu werden.

In den ersten Tagen nach einer Entlassung von Powell dürfte also Tohuwabohu an den Finanzmärkten herrschen. Weit drastischer wären jedoch die mittel- bis langfristigen Folgen. „Investoren würden ein solches Ereignis ganz klar als direkten Angriff auf die Unabhängigkeit der Fed interpretieren“, sagt Saravelos. „Da die Fed an der Spitze des globalen Dollar-Währungssystems steht, ist es auch offensichtlich, dass die Folgen weit über die Grenzen der USA hinausreichen würden.“

Zudem könnte am Ende das Gegenteil dessen stehen, was Trump erreichen möchte, selbst wenn der neue Fed-Chef ihm folgt und die Leitzinsen drastisch senkt. „Aggressive Zinssenkungen aufgrund von politischem Druck werden unter Umständen keine niedrigeren Anleihenrenditen entlang der gesamten Renditekurve bewirken, da Anleger beginnen könnten, höhere Inflationsrisiken einzupreisen“, sagt Mark Haefele, Chefanlagestratege bei der Investmentbank UBS. Sprich: Trotz der niedrigeren Leitzinsen dürften dann die langfristigen Marktzinsen sogar steigen.

Es sei denn, die Fed greift auch hier ein, so wie sie es in den 40er- und 50er-Jahren tat, als sie die Marktzinsen durch direkte Eingriffe nach unten manipulierte. Absurd? Nicht, wenn man Kevin Warsh beobachtet. Er war bis 2011 Mitglied des Leitungsgremiums der Fed und ist Medienberichten zufolge einer der Top-Kandidaten Trumps für eine Powell-Nachfolge. Dieser Mann sagte nun vor wenigen Tagen in einem Fernsehinterview sicher nicht zufällig, es sei ein Fehler, die Zinsen nicht zu senken, und er forderte einen neuen Rahmen für die Zinspolitik der Notenbank. Diese müsse künftig stärker mit dem Finanzminister zusammenarbeiten.

Das aber wäre das Aus für eine unabhängige Notenbankpolitik. Die Fed würde zu einer ausführenden, untergeordneten Behörde des Finanzministeriums. Ein solches Szenario erscheint vielen, gerade hierzulande, sehr weit hergeholt. Doch dieses Risiko sollte nicht unterschätzt werden, warnt Eduard Beitinger, Leiter der Geldanlage beim Vermögensverwalter Feri. „In Deutschland hat die Erfahrung der Hyperinflation in der Weimarer Republik, verursacht durch eine enge Verflechtung von Fiskal- und Geldpolitik, eine beinahe obsessive Haltung gegenüber der politischen Unabhängigkeit der Notenbank hervorgebracht“, sagt er. „In der US-amerikanischen Politik und Zivilgesellschaft ist diese Haltung hingegen deutlich weniger tief verankert.“

Trump könnte also darauf hoffen, dass die breite Öffentlichkeit in den USA kaum abschätzen könnte, welche Folgen eine Unterjochung der Fed langfristig haben kann. Diese Entmachtung der Währungshüter muss dabei nicht gleich zu einer Hyperinflation führen wie 1923 in Deutschland. Doch eine spürbar höhere Inflation in den USA und ein steter Wertverlust des Dollar wären in einem solchen Fall fast sicher – ähnlich wie in den Siebzigerjahren. Jene Dekade war von Stagflation gekennzeichnet, also einer hohen Inflation bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Stagnation. Das griff damals auch auf Europa über, und wenig spricht dafür, dass es diesmal anders wäre.

Frank Stocker ist Wirtschafts- und Finanzkorrespondent in Frankfurt. Er berichtet über Geldanlage, Finanzmärkte, Konjunktur und Zinspolitik. Zudem hat er Bücher zur Inflation von 1923 und zur Geschichte der D-Mark veröffentlicht.

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