Noch steht die Entscheidung nicht, aber dem chinesischen Online-Giganten Temu droht eine Strafe der EU-Kommission. Die wirft der Plattform zahlreiche Verstöße gegen Verbraucherrechte vor. Kann Temu die nicht ausräumen, geht bald ein erheblicher Teil des Jahresumsatzes nach Brüssel.
Der chinesische Online-Marktplatz Temu verstößt laut einer Analyse von Experten der EU-Kommission gegen europäisches Digitalrecht. Es sei nachgewiesen worden, dass für Verbraucher in der EU ein hohes Risiko bestehe, dort auf illegale Produkte zu stoßen, teilte die Brüsseler Behörde zu einer vorläufigen Einschätzung mit. Insbesondere ergab die Untersuchung demnach, dass auf Temu einkaufende Menschen sehr wahrscheinlich Babyspielzeuge oder Elektronikprodukte finden, die nicht EU-Regeln entsprechen würden.
Laut der EU-Kommission wäre Temu gemäß dem Gesetz über digitale Dienste (DSA) eigentlich dazu verpflichtet, Risiken einer Verbreitung illegaler Produkte auf seinem Marktplatz besser anzugehen. Kommissionsvizepräsidentin Henna Virkkunen teilte dazu mit: "Die Sicherheit der Verbraucher im Internet ist in der EU nicht verhandelbar."
Das chinesische Unternehmen kann nun auf die Vorwürfe reagieren. Passt Temu sein Verhalten nicht an oder kann es die Vorwürfe nicht ausräumen, kann die Kommission formell einen Verstoß feststellen. Dies kann eine Geldbuße von bis zu sechs Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes von Temu nach sich ziehen.
Macht Temus Marktplatz süchtig?
Die Behörde unter der Leitung von Ursula von der Leyen betonte, dass sie noch nicht final entschieden hat, ob Temu wirklich gegen EU-Recht verstößt. Sie betonte allerdings, dass sie weiter auch zu anderen mutmaßlichen Verstößen von Temu gegen das Digitalgesetz ermittelt - einschließlich der Verwendung süchtig machender Gestaltungsmerkmale des Marktplatzes.
Gegen Temu wird schon länger ermittelt. Im Oktober hatte die Kommission bekannt gegeben, dass sie überprüft, ob die Plattform genug gegen den Verkauf illegaler Produkte unternehme. Damals hieß es unter anderem, unseriöse Händler würden wieder auf der Plattform auftauchen, nachdem sie gesperrt worden seien.
Temu ist in der EU enorm beliebt
Bei Kunden in Deutschland und Europa erfreut sich Temu großer Beliebtheit. Der Anbieter zählt bereits zu den größten Onlinehändlern in Deutschland. Mehrere Millionen Menschen in der EU nutzen das Portal. Es gilt unter EU-Digitalrecht als sehr große Online-Plattform (VLOP), da das Unternehmen gemeldet hatte, mehr als 45 Millionen aktive monatliche Nutzerinnen und Nutzer in der EU zu haben.
Unabhängig von der DSA-Untersuchung gehen auch europäische Verbraucherschutzbehörden gegen Temu vor. Wie das Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) im November bekannt machte, verstoßen mehrere Praktiken auf der Plattform gegen EU-Recht.
Als problematische Praktiken wurden damals falsche Rabattaktionen, gefälschte Bewertungen sowie fehlende und irreführende Informationen zu Rechtsansprüchen der Verbraucher angeführt. Auch Kontaktangaben verstecke Temu, sodass sich Kundinnen und Kunden nicht ohne Schwierigkeiten an die Plattform wenden könnten. Auch werde der Eindruck vermittelt, dass Produkte nur begrenzt oder für kurze Zeit verfügbar seien.
Das Brüsseler Verfahren gegen Temu fällt in eine Zeit wachsender wirtschaftlicher Spannungen mit China. Wie vergangene Woche beim EU-China-Gipfel deutlich wurde, bleiben Fortschritte - trotz Gesprächsbereitschaft - beim zentralen Streitpunkt Handel aus. Kommissionspräsidentin von der Leyen stellte klar, dass die Wirtschaftsbeziehungen der beiden Großmächte ausgewogener werden müssten.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.