Monatelang wurde verhandelt. Es gab unzählige Telefonate und Videokonferenzen. Und immer wieder reisten Brüsseler Beamte nach Washington, trafen Vertraute Donald Trumps. Am Sonntag dann sprach die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, in Schottland persönlich mit dem US-Präsidenten – und verkündete kurz darauf eine Zahl: 15 Prozent. So hoch ist der Zoll, den Amerika künftig auf fast alle Produkte aus Europa erheben will.

Doch was bedeutet das? Sind 15 Prozent viel oder wenig? Von der Leyen bemühte sich am Sonntag, den Satz als niedrig darzustellen. Trump, sagte sie, habe zuletzt schließlich 30 Prozent angedroht. Tatsächlich konnte die EU das halbieren und – vielleicht noch wichtiger – eine lange Phase des Hoffens und Bangens beenden. Europas Unternehmen haben nun mehr Planungssicherheit. Alles gut also?

Trump ist bisher der große Gewinner

Kaum. Denn betrachtet man die Höhe der amerikanischen Zölle auf Produkte aus der EU in der Zeit vor Trumps zweiter Präsidentschaft, dann wirkt der Deal schlecht: Zwischen 2000 und 2024 lag der durchschnittliche Satz bei ungefähr zwei Prozent. 15 Prozent bedeuten also eine dramatische Steigerung. Aus deutscher Sicht besonders heikel ist, dass dieser Wert auch für Autos gilt. Unter Trumps Vorgänger Joe Biden zahlten Importeure nur 2,5 Prozent, also einen Bruchteil.

Viele andere Weltregionen müssen noch mit deutlich höheren Sätzen leben. Anfang Juli hatte Trump 50 Prozent für Importe aus Brasilien angekündigt. Auf Waren aus Thailand sollen 36 Prozent fällig werden, auf Güter aus Südkorea 25 Prozent. Die Einnahmen aus all den neuen Zöllen dürften dem US-Präsidenten bei der Finanzierung von Steuersenkungen helfen. Und vor seinen Wählern steht er einmal mehr als „Dealmaker“ da, als geschickter Verhandler. Trump ist – das lässt sich nach mehr als 100 Tagen Zollkonflikt sagen – bisher der große Gewinner.

Wer das ganze Ausmaß seiner Handelspolitik verstehen will, sollte weiter in die Vergangenheit schauen – noch in die Zeit vor Joe Biden und sogar vor der Jahrtausendwende. Einer Untersuchung der amerikanischen Elite-Universität Yale aus der vergangenen Woche zufolge sind die US-Bürger einem durchschnittlichen Zollsatz von 17,3 Prozent ausgesetzt, das ist der höchste Wert seit 1935.

US-Bürger zahlen Preis für Trumps Zölle

Damals verfolgte Präsident Franklin D. Roosevelt eine protektionistische Handelspolitik. Sein Land befand sich seit dem Börsencrash von 1929 in einer tiefen Wirtschaftskrise, Millionen Menschen waren arbeitslos, Unternehmen gingen pleite. Roosevelt versuchte, die heimische Wirtschaft zu schützen. Nach jener Zeit sanken die amerikanischen Sätze aber stetig, von einigen Ausschlägen abgesehen. Mit Trump schnellten sie wieder in die Höhe.

Und das dürfte Amerikas Verbraucher belasten. Die Zölle, die Trump in diesem Jahr bisher verhängte, führen laut der Yale-Untersuchung zu einem Anstieg der Preise in den USA um zwei Prozent – was einem durchschnittlichen Einkommensverlust pro Haushalt von 2700 Dollar entspricht.

Am Ende, so scheint es, kennen Trumps globale Handelskriege zwei Verlierer: all die Staaten, auf die nun höhere Zölle zukommen – und die US-Bürger selbst.

Stefan Beutelsbacher ist Korrespondent in Brüssel. Er berichtet über die Wirtschafts-, Handels- und Klimapolitik der EU.

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