Es gibt Momente, in denen die Zukunft seltsam aussieht. Unser Langzeittest der Ray-Ban Meta – der smarten Brille des Facebook-Konzerns – läuft nun schon neun Monate. Regelmäßig ziehen wir amüsierte Blicke auf uns, wenn wir mit dieser Brille sprechen. Und wir können es den Umstehenden auch nicht verübeln. Wer mit leblosen Gegenständen spricht, als wäre es ein Mensch, ist zumindest merkwürdig. Doch wer über die anfängliche Peinlichkeit hinwegkommt, entdeckt in der Ray-Ban Meta ein durchaus faszinierendes Stück Technologie, von dem wir glauben, dass es so schnell nicht mehr weggeht.

Meta hat mit der Ray-Ban Meta die weltweit erfolgreichste smarte Brille ihrer Art geschaffen – über zwei Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. Der Erfolg liegt auch im durchdachten Design begründet: Die Brille stammt optisch von der ikonischen Marke Ray-Ban und sieht aus wie eine gewöhnliche Sonnenbrille, wenn auch etwas voluminöser, um Platz für die integrierte Technik mit fünf Mikrofonen, zwei Open-Ear-Lautsprechern in den Brillenbügeln und einer Kamera in der oberen linken Ecke zu schaffen.

Damit ist sie in der Lage, nach dem Aktivierungswort „Hey Meta“ Sprachbefehle zu empfangen, die sie über Bluetooth an das verbundene Smartphone weiterleitet und von dort in die Cloud, wo Meta AI die Antworten generiert. Diese Künstliche Intelligenz beantwortet beispielsweise Wissensfragen, liefert Wettervorhersagen oder erklärt Kartenspielregeln meist zuverlässig, auch wenn die Qualität der Antworten nicht an den Konkurrenten ChatGPT heranreicht.

Doch die Brille kann noch mehr. Sie erkennt ihre Umgebung über die Kamera – ein „Hey Meta, was sehe ich?“ reicht, und sie beschreibt, was vor ihr liegt. Das funktioniert auch mit Sehenswürdigkeiten, deren Geschichte man auf diese Art erfahren kann, was auf Reisen sehr praktisch ist. Meistens weiß die Brille alle Wahrzeichen zu nennen, die auch in Reiseführern stehen.

Die Brille erkennt auf diese Weise auch Pflanzen und verrät, wie viel Wasser sie benötigen. Sie kann auf Wunsch einen Text zusammenfassen, den man vor die Brille hält, oder ihn in eine andere Sprache übersetzen und vorlesen. Sie gibt eine Inhaltszusammenfassung von einem Buch, das vor ihr liegt. Das alles ist fast immer hilfreich. Weiß die Brille nicht weiter, flüchtet sie sich in allzu simple Antworten wie „Das ist ein Busch oder Strauch“.

Wie weit die Künstliche Intelligenz bei der Übersetzung von Sprachen gekommen ist, zeigt die Brille mit ihrer Live-Übersetzung, die beängstigend gut funktioniert. Sie ist in der Lage, live zwischen den Sprachen Spanisch, Italienisch, Französisch und Englisch zu übersetzen – und zwar wirklich in Echtzeit. Wer sich ein Video auf Spanisch ansieht, bekommt die englische Übersetzung direkt ins Ohr gesprochen, als säße man neben einem Dolmetscher.

Einschränkungen auf Deutsch

Leider ist das noch nicht auf Deutsch möglich. Überhaupt hat die Ray-Ban Meta die deutsche Sprache erst in den vergangenen zwei Wochen als Update aufgespielt bekommen. Zwar wurde die Brille auch schon vorher in Deutschland verkauft, Nutzer mussten ihre Sprachbefehle aber auf Englisch formulieren.

Trotz des Updates holpert es auf Deutsch derzeit aber noch etwas. So muss die Live-Übersetzung manuell in der App gestartet werden, während sie auf Englisch auch per Sprachbefehl beginnen kann. Auch das Abspielen eines Songs bei Spotify über die Brille kann nicht mit einem deutschen Sprachbefehl begonnen werden. Das dürfte sich mit einem weiteren Update künftig ändern.

Auch abgesehen von Meta AI ist die Brille nützlich. Empfängt das verbundene Smartphone eine WhatsApp oder SMS, kann sie den Inhalt automatisch vorlesen. Nutzer können zudem per Sprachbefehl einen Anruf starten oder entgegennehmen, eine WhatsApp oder SMS diktieren und verschicken. Per Sprachbefehl nimmt die Brille auch ein Foto oder Video auf. Fotos können direkt zu Facebook oder Instagram gepostet oder per WhatsApp an Kontakte verschickt werden. Videos lassen sich live direkt zu Facebook und Instagram streamen. Wer ein Video-Telefonat über WhatsApp führt, kann seinen Gesprächspartner durch die Kamera der Brille schauen lassen.

Einige Funktionen der Ray-Ban Meta lassen sich natürlich auch ohne Sprache steuern. Auf dem rechten Brillenbügel ist ein Knopf, der kurz gedrückt ein Foto aufnimmt und länger gedrückt eine Videoaufnahme startet. Die rechte Seite des Bügels hat ein berührungsempfindliches Feld. Streicht man mit dem Finger nach vorn, erhöht sich die Lautstärke, nach hinten wird es leiser. Doppeltippen nimmt einen Anruf an und beendet ihn auch wieder.

Die Qualität der Foto- und Videoaufnahmen ist in Ordnung, aber nicht mit modernen Smartphones vergleichbar. Für Social Media reicht es aber. Leider sind die Aufnahmen ausschließlich im Hochformat, was eine Nachbearbeitung etwas erschwert. Ein 32-Gigabyte eingebauter Speicher fasst etwa 500 Fotos und 100 Videos, die jeweils eine maximale Länge von drei Minuten haben können. Über die Smartphone-App werden sie dann automatisch auf das Smartphone geladen.

Die Brille nimmt ihre Fotos und Videos mit einem starken Weitwinkel auf und korrigiert die Aufnahmen anschließend so, dass der Horizont nicht schief ist. Die Videoaufnahme hat keine Bildstabilisierung, man sollte also seinen Kopf nicht zu wild bewegen. Es fiel uns im Test schwer, einen vernünftigen Fotoausschnitt zu wählen, weil man hier nur schätzen kann. Die Kamera in der oberen linken Ecke der Brille entspricht eben nicht der Augenperspektive.

Die Anruf-Sprachqualität der Brille ist hervorragend, wie unsere Gesprächspartner immer wieder versicherten. Auch die auf die Ohren ausgerichtete Audioausgabe über die Brillenbügel ist erstaunlich gut, aber nicht vergleichbar mit Ohrhörern. Insbesondere der Bass fehlt. In lauteren Umgebungen hatten wir Schwierigkeiten, die Tonausgabe zu verstehen. In leiseren Umgebungen konnten Personen in der Nähe hingegen die Tonausgabe gut mithören. Leider verbindet sich die Brille nicht mit zwei Geräten, was bei Kopf- und Ohrhörern langsam zum Standard wird.

Vier Stunden Akku

Die Akkulaufzeit der Brille ist sehr schwankend. Bei normalen Temperaturen soll der Akku bei moderater Nutzung vier Stunden lang durchhalten, was sich im Test bestätigt hat. Wer die Brille hauptsächlich im Standby betreibt, also mit dem Smartphone verbunden hat, aber keine Musik hört und kaum fotografiert, kommt auch auf sieben Stunden. Bei Temperaturen unter null und Videoaufnahme ist aber nach weniger als 20 Minuten kein Strom mehr übrig. Die Brille wird im Etui wieder aufgeladen, in dem ein integrierter Akku für weitere 32 Stunden Strom liefert.

Fazit: Die Ray-Ban Meta ist gewöhnungsbedürftig, aber in vielen Situationen sehr hilfreich. Sie ist trotz der darin verbauten Technik mit unseren Brillengläsern nur 57 Gramm schwer und lässt sich bequem über einen längeren Zeitraum tragen. Wer alle Funktionen der Ray-Ban Meta nutzen will, muss dem Facebook-Konzern aber einiges an Vertrauen entgegenbringen. Denn ohne Cloud geht es nicht. Werden Fotos verschickt, gepostet oder auch nur von der KI korrigiert, müssen sie in die Cloud geladen werden. Das gilt auch für Sprachbefehle in Richtung Meta AI.

Das Tragen eines Geräts mit Kamera und Mikrofon auf der Nase wirft natürlich Datenschutzfragen auf, sowohl bezüglich der eigenen Privatsphäre als auch der anderer Menschen. Allerdings gilt das auch für jedes Smartphone, das ebenfalls mit Mikrofon und Kamera ausgestattet und jederzeit mit dem Internet verbunden ist. Es scheint, dass hier mit der Zeit die Toleranz größer wird.

Wer mit der Ray-Ban Meta Aufnahmen macht, sollte seine Umgebung unbedingt darauf hinweisen und die Erlaubnis einholen. Bei der Aufnahme eines Fotos oder Videos leuchtet in der rechten oberen Ecke der Brille eine weiße LED, um die Aufnahme zu signalisieren. Wird sie verdeckt, lassen sich auch keine Aufnahmen machen. Doch nicht immer wird die LED von Personen in der Nähe wahrgenommen.

Zudem gibt es natürlich Tabu-Zonen, auf die Meta in der Meta-AI-App auch hinweist: „In bestimmten vertraulichen Situationen solltest du deine Brille ausschalten, etwa in Gesundheitseinrichtungen, in Umkleidekabinen, in öffentlichen Toiletten, in Schulen oder in Gotteshäusern.“ Die Liste lässt sich noch viel weiter führen. Auf der Innenseite des linken Brillenbügels gibt es einen Aus-Knopf. Die meisten Personen, auf die wir während unseres Tests mit der Brille getroffen sind, ahnten nichts von den Funktionen. Wer jedoch von der Kamera im Gestell wusste, fand das meist unangenehm. Die Ray-Ban Meta kostet je nach Ausführung zwischen 329 Euro und 409 Euro.

Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.

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