Die deutsche Autoindustrie muss brutale Gewinneinbrüche verkraften. Die Branche steht vor gewaltigen Herausforderungen - Donald Trumps Zölle sind nur eine von vielen.
Die deutschen Autokonzerne stehen unter erheblichem Druck. Das unterstreichen die jüngsten Geschäftszahlen eindrucksvoll: Bei Volkswagen, Mercedes, Audi und Porsche brechen die Gewinne massiv ein. Die Branche befindet sich in einer beispiellosen Umbruchphase - geprägt von Zöllen, immer stärkerer chinesischer Konkurrenz, wachsendem Kostendruck und der Transformation hin zur Elektromobilität.
Die Konzerne reagieren auf die Krise mit einem Mix aus harten Sparmaßnahmen, massiven Investitionen und einer strategischen Neuausrichtung. Hersteller und Zulieferer bauen zahlreiche Jobs ab. Allein Volkswagen will bis 2030 insgesamt 35.000 Arbeitsplätze abbauen - das ist jede vierte Stelle. Die Maßnahmen sollen künftig die Ergebnisse aufpolieren, belasten sie aber zunächst, beispielsweise wegen Kosten für Abfindungen.
Lange verdiente man gutes Geld mit deutschen Autos. Ingenieurskunst "Made in Germany" lieferte satte Gewinne. Das deutsche Auto als Statussymbol war auf der ganzen Welt gefragt - vor allem in China, dem größten und wichtigsten Markt.
Branchenkennern zufolge haben sich die deutschen Autokonzerne viel zu sehr auf ihren früheren Erfolgen ausgeruht. In den Verwaltungstürmen der großen deutschen Hersteller sei man "ein bisschen träge und ein bisschen überheblich" geworden, sagte Jürgen Pieper im Gespräch mit ntv. So habe man auf dem wichtigen chinesischen Automarkt die heimischen Hersteller unterschätzt.
"Elende Zolldiskussion"
Nach Ansicht von Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer ist es den Herstellern bislang nicht gelungen, den kontinuierlichen Rückgang der Verkäufe in China zu stoppen. "Hauptgrund sind die Elektroautos der deutschen Autobauer, die bei den chinesischen Kunden nicht gut ankommen", so Dudenhöffer. Sie seien zu teuer und zu wenig digital.
Die Situation sei wesentlich kritischer geworden, sagte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Er beobachte seit Jahren, wie in China einheimische Premium-Hersteller auf den Markt kämen und dort die Deutschen angriffen. Sie seien nicht nur innovativer, sondern auch günstiger. Die Deutschen könnten daher nicht mehr ihre hohen Preise durchsetzen.
Hinzu kommen die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle. Die seien ein "externer Schock", gegen den die Hersteller nicht viel machen konnten, so Pieper. Trotz des von den USA und der EU vereinbarten Rahmenabkommens herrsche allerdings noch keine hundertprozentige Klarheit - die "elende Zolldiskussion" höre nicht auf.
Die massiven Zollerhöhungen der USA hatten die Autobauer zusammen mit der Stahl- und Aluminiumindustrie als erstes getroffen. Seit April galt statt 2,5 Prozent ein Aufschlag von 27,5 Prozent. Nun wurde der auf die Höhe des neuen generellen Einfuhrzolls von 15 Prozent gesenkt. Das sei ein "kleiner Lichtblick", sagte Beatrix Keim vom Center Automotive Research (CAR) im Gespräch mit ntv.de. "Mit den etwas geringeren Zöllen kann es hier etwas besser vorangehen - gerade auch im SUV-Geschäft".
Die Krise als Chance
Dudenhöffer geht davon aus, dass dennoch mittelfristig bis zu zehn Prozent der Jobs in der deutschen Autoindustrie in die USA verlagert werden, wenn in dem Rahmenabkommen zwischen USA und EU nicht noch Sonderkonditionen für die Branche ausgehandelt werden. Das wären bis zu 70.000 Arbeitsplätze bei Herstellern und Zulieferern.
Auch Bratzel zufolge verstärkt sich durch Trumps Zölle die Entwicklung, dass Wertschöpfung in die USA abwandert. Der Trend, dort zu produzieren, wo die Hersteller verkaufen, werde sich grundsätzlich fortsetzen. Der Branchenexperte sieht langfristig aber zugleich eine große Chance für die deutschen Autobauer. "Die 15 Prozent Zoll treffen die deutschen, stark exportorientierten Hersteller zwar massiv", sagte er im Gespräch mit ntv.de. "Die steigenden Preise in den USA werden zu einer sinkenden Nachfrage führen." Dies könnte jedoch - endlich - genug Ansporn für die deutschen Hersteller sein, wieder so "begehrenswerte" Autos zu bauen, dass Kunden bereit sind, für "Made in Germany" höhere Preise zu zahlen, vor allem im Premiumbereich.
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