Viele Börsen sind auf Rekordkurs. Auch in den USA herrscht Partystimmung - und das mit Donald Trump im Weißen Haus. Großinvestoren und Kleinanleger blenden Risiken aus. Die Frage ist, ob das gutgeht.
In weiten Teilen der Welt befinden sich Aktienmärkte auf Rekordhöhen. Da könnte man glatt vergessen, dass Donald Trump im Weißen Haus sitzt. Zu Jahresbeginn waren die meisten Ökonomen, Analysten und Investoren davon überzeugt, dass der von den USA angezettelte Handelskrieg Gift für die Märkte sei. Und nun? An den Börsen herrscht Partystimmung.
Trump hat hohe Zölle selbst gegen Verbündete verhängt und setzt auf Protektionismus. Sein Steuersenkungspaket wird die ohnehin extrem hohe US-Verschuldung noch sehr viel stärker anschwellen lassen. Er setzte durch, dass die Chip-Konzerne Nvidia und AMD 15 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Verkauf hochentwickelter Computerchips nach China an die US-Regierung abführen.
Der US-Präsident mischt sich in Firmenpolitik ein, er forderte den Chef des Chip-Fabrikanten Intel zum Rücktritt auf. Trump will die Kontrolle über Behörden, die bisher unabhängig vom Weißen Haus gearbeitet haben. Er feuerte den Chef der Statistikbehörde BLS, weil ihm die neuesten Daten nicht gefallen haben. Er attackiert den Chef der Notenbank Fed, weil diese die Zinsen nicht senkt.
Trump kündigte an, seinen Wirtschaftsberater Stephen Miran - einen erklärten Kritiker der Notenbank - im Direktorium der Fed zu platzieren. Miran ist nicht nur der Architekt des "Mar-a-Lago-Abkommens" - in dem es um die Restrukturierung des globalen Handels- und Währungssystems geht. Er ist auch Mitautor eines Papiers, in dem Vorschläge unterbreitet werden, die bisher unabhängige Fed umzubauen. Dort regt er unter anderem an, dass der US-Präsident alle Mitglieder des Board of Governors und alle Präsidenten der regionalen Notenbanken jederzeit abberufen kann. Oder wie es das "Wall Street Journal" ausdrückt: "Trump ahmt die Kommunistische Partei Chinas nach, indem er die politische Kontrolle immer tiefer in die Wirtschaft ausdehnt."
Tanzen, solange die Musik spielt
All das scheint den Aktienmarkt allenfalls am Rande zu interessieren. Der Fokus ist ein anderer: die US-Wirtschaft brummt, die Unternehmensgewinne entwickeln sich zufriedenstellend, und die Fed dürfte bald die Zinsen senken. "Obwohl Trumps Zölle sehr schlecht sind, neigen sowohl Ökonomen als auch andere Beobachter dazu, den durch Protektionismus verursachten Schaden zu übertreiben", schreibt Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, der ein erklärter Gegner Trumps ist.
Seinen Berechnungen zufolge wird das US-Bruttoinlandsprodukt durch die Zölle jahrelang 0,4 Prozent schwächer ausfallen als ohne Zölle. "Ein [solcher] dauerhafter Verlust ist zwar eine große Sache. Aber sie ist nicht so groß, dass man sich nicht vorstellen könnte, dass andere Faktoren die Aktienkurse so stark ankurbeln, dass der Markt eher steigt als fällt."
Zu diesen Faktoren gehören auch die von Trump angekündigte Deregulierung und Steuersenkungen. Doch der US-Präsident ist nicht der alleinige Dominator der Börsen. Verantwortlich für die Rallye am US-Aktienmarkt ist vor allem der Hype um Künstliche Intelligenz.
Das könnte bedeuten: Ohne Trump würden sich die Börsen möglicherweise noch viel besser entwickeln. Andererseits ist vielleicht das Gegenteil korrekt, und die Wirtschafts- und Handelspolitik des US-Präsidenten ist hervorragend. Doch es sieht so aus, als blende der Aktienmarkt die Risiken derzeit weitgehend aus. Die Börsen-Party ließe sich dann damit erklären, dass Anleger leichtsinnig und irrational geworden sind. Womöglich ist die treibende Kraft am Aktienmarkt aber gar nicht das Risiko, sondern die Angst, Kursgewinne zu verpassen - auch FOMO (Fear of missing out) genannt. Folgerichtig kaufen dann Anleger sogar völlig überteuerte Aktien und spekulieren mit Kryptowährungen.
Da werden Erinnerungen an den ehemaligen Chef der Citigroup, Charles "Chuck" Prince, wach. Er hatte die riskanten Kreditgeschäfte der Finanzindustrie 2007 so erklärt: "Solange die Musik spielt, musst Du aufstehen und tanzen." Ein Jahr später brach Lehman Brothers zusammen.
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