Der Suchmaschinen-Konzern Google beweist einmal mehr, wie gut er inzwischen auch Hardware beherrscht. Gleich ein halbes Dutzend neue Mobilgeräte aus seiner Pixel-Baureihe stellte Google in der Nacht zum Donnerstag vor. Neben neuen Pixel-Smartphones gehörten auch innovative magnetische Ladegeräte, eine neue Smartwatch mit Satellitenkommunikation sowie ein neues faltbares Tablet-Telefon und Kopfhörer dazu.
Zusammen formen sie ein eigenes Hardware-Ökosystem, vom Smartphone über sogenannte Wearables wie Uhren und Kopfhörer bis zum Ladezubehör. Alle Geräte basieren bereits jetzt auf Android Version 16, das einen besonderen Schwerpunkt auf künstliche Intelligenz (KI) setzt. Alle haben zudem Googles neuen Mobilchip Tensor G5 an Bord, der die Berechnung von KI-Modellen auf dem Gerät unterstützt und so besonders datensparsam arbeiten soll.
Bis auf das Falt-Tablet kommen die Geräte bereits ab Ende August auf den Markt, Hardware und Software sind anders als im Vorjahr rechtzeitig fertig geworden. Zudem gelingt es Google, eine eigenständige Designsprache in Hard- und Software zu entwickeln. Das Pixel 10 wirkt frisch, der angehobene Kamerabalken ist zum Markenzeichen der Geräte geworden. Die runde Smartwatch setzt sich merklich vom eckigen Apple-Design ab, zeigt sich im Alltag mehr wie eine Uhr als ein weiterer Mini-Computer.
Material auf Augenhöhe mit Apple
Auch Schwächen bei der Auswahl der Materialien leistet sich Google nicht: Die Qualität der Gehäuse aus Gorilla-Glas von Corning ist auf Apples Augenhöhe, die Bauqualität belegt den Premiumanspruch der Google-Geräte. Kurz: Google zeigt das Portfolio aus Hard- und Software, das Apple gerne zeigen würde. Google-Manager Rick Osterloh verkündete selbstbewusst: „Wir haben die besten KI-Modelle, den besten Assistenten.“
Denn insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz auf den Geräten ist Google aktuell weit vor dem Smartphone-Marktführer Apple. Apple musste die dringend notwendige Neuauflage des KI-Assistenten Siri ins kommende Jahr verschieben, viele bereits lange angekündigte KI-Innovationen unter dem Namen „Apple Intelligence“ fehlen seit Monaten. Während Apple laut ersten Prognosen Anfang September mit der Vorstellung des kommenden iPhone 17 erwartbare Innovationen der Vorjahre weitertreibt – neue Farben, einen schnelleren Chip, eine bessere Kamera – will Google mit dem Pixel 10 das KI-Telefon der Zukunft definieren.
Der Konzern verliert keine langen Worte über das Tempo seiner neuen G5-Chips oder die Megapixel-Zahl seiner Kameras, sondern definiert seine Innovationsführerschaft über KI-Funktionen, die dem Nutzer echten Mehrwert bieten sollen. Schon im Pixel-Jahrgang Nummer 9 des Vorjahres integrierte Google Dutzende KI-Helfer, nun legt man mit der Pixel-10-Serie noch eine Schippe drauf.
„Magic Cue“ etwa ist ein neuer Assistent, der dem Nutzer kontextbezogen Informationen zuspielt, ohne dass er sie aktiv anfordern muss. Fragt die Reisepartnerin per Chat nach der Fluginformation, schlägt Magic Cue automatisch die passenden Flugdaten aus Gmail vor. Ruft man bei einer Fluggesellschaft an, blendet das Pixel von selbst die Buchungsnummer ein. Wichtig dabei: Diese Funktionen sollen nur auf den Geräten ausgeführt werden, nicht in einem Google-Rechenzentrum, es werden also keine Daten übertragen.
Dafür benötigt die Software den neuen G5-Chip sowie Googles neues KI-Modell Gemini Nano auf dem Gerät, sie sollen so datensparsam und sicher arbeiten. Magic Cue ist vorerst exklusiv nur auf Pixel-Geräten verfügbar – allerdings zunächst nicht in Europa. Apple hatte ähnliche Fähigkeiten zur Datenanalyse auf dem Gerät für Siri angekündigt, schaffte bislang aber die Umsetzung nicht.
Beim Faltgerät muss Apple bislang passen
Auch die Kamera-App profitiert von der neuen KI auf dem Gerät: Ein „Kamera-Trainer“ gibt in Echtzeit Tipps für den besten Blickwinkel, Bildausschnitt oder Beleuchtung. Gruppenfotos verbessert das Pixel auf Wunsch automatisch, indem es aus mehreren Bildern ein Foto zusammensetzt, auf dem alle in die Kamera schauen. Sogar die Person hinter der Kamera lässt sich im Nachhinein einfügen – einmal mehr verschwimmen bei Google damit die Grenzen der Definition von authentischer Fotografie.
Nicht zuletzt kann das Pixel in den USA in Echtzeit Telefonate in der Stimme des Nutzers übersetzen – eine Funktion, die bei Apple bislang undenkbar ist, allerdings auch bei Google in Europa vorerst nicht aktiv ist.
Mit dem „Pixel 10 Fold“ zeigt Google zudem ein Faltgerät mit knickbarem Zwanzig-Zentimeter-Bildschirm, für das es im Apple-Ökosystem bislang nichts Vergleichbares gibt. Erst 2026 wird Apple voraussichtlich ein eigenes Faltgerät herausbringen. Google dagegen hatte bereits eine Gerätegeneration lang Zeit, die Hardware zu optimieren, insbesondere das empfindliche Scharnier.
Das Fold ist – anders als vergleichbare Geräte der Konkurrenz – wasser- und staubdicht nach dem IP68 Standard, soll robust genug für zehn Jahre Dauergebrauch sein. Dazu passt, dass Google auch bei der Software-Unterstützung führend ist: Die neuen Pixel-Geräte bekommen bis zum Jahr 2032 regelmäßig Updates, verspricht der Konzern.
Nicht zuletzt unterstützen Googles neue Geräte allesamt den Ladestandard Qi2 für kabelloses Laden. Hier kopiert Google das einzige Mal Apple, die Pixel-Telefone haben dafür Magnete im Rücken wie Apples iPhones. Damit können sich iPhone und Pixel dieselben Ladegeräte und Magnet-Halterungen teilen. Ein geschickter Zug von Google, der Konzern wirbt aktiv um Neukunden aus dem Apple-Ökosystem, hat auch auf der Software-Ebene alles getan, um den Umstieg auf Android so einfach wie möglich zu machen.
Mit der Pixel-10-Serie beweist Google, wie man die Rolle als „besseres Apple“ ausfüllen möchte. Apple ist zwar weiter Marktführer im Bereich Datenschutz, das dürfte vor allem europäische Nutzer ansprechen. Doch in anderen Bereichen, in denen Apple sich traditionell hervortut, zieht Google gleich oder geht einen Schritt weiter mit langer Software-Unterstützung, Materialanmutung, Integration von Hardware und Software und einem mittlerweile breiten Produkt-Ökosystem. Vor allem aber wagt Google zurzeit mit KI und Falt-Hardware mehr. Die neuen Pixel erscheinen als die Smartphones, die Apple eigentlich bauen müsste, würde der iPhone-Konzern seinen eigenen Ansprüchen an Innovation gerecht werden. Google demonstriert, wohin die Entwicklung bei den Smartphones geht.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Benedikt Fuest ist Wirtschaftskorrespondent für Innovation, Netzwelt, IT und Rüstungstechnologie.
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