Die Bundesregierung will die unkontrollierte Abgabe von kleinen Kurzzeitkrediten einen Riegel vorschieben. Künftig sollen sogenannten „Buy now, pay later“-Krediten (BNPL: jetzt kaufen, später bezahlen) eine Kreditwürdigkeitsprüfung vorangehen. Ist abzusehen, dass der Kreditnehmer ihn nicht zurückzahlen kann, wird das Anliegen abgelehnt. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen. Damit setzt die Bundesregierung die neue EU-Verbraucherkreditrichtlinie um. Die neuen Regelungen sollen im November des kommenden Jahres in Kraft treten und schließen auch Kleinkredite unter 200 Euro ein.

„Schnell abgeschlossene Kreditverträge führen viele Verbraucherinnen und Verbraucher in die Schuldenfalle“, sagt Stefanie Hubig, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. „Deshalb haben wir uns in der EU darauf verständigt, den Verbraucherschutz bei Kreditverträgen zu verbessern.“ Dabei wolle man pragmatisch vorgehen und Verbraucher wirksam schützen, ohne sie mit unnötigem Papierkram zu belasten.

Wer in Zukunft einen dieser Kurzzeitkredite in Anspruch nimmt, weil er etwas kauft, das Geld aber erst nach zwei oder vier Wochen vom Konto abgebucht werden soll, muss sich auf eine genauere Prüfung als bisher einstellen. Dazu kann neben dem Abrufen der Bonität bei der Finanzauskunft Schufa und einer Selbstauskunft über das Einkommen auch die Überprüfung von aktuellen Gehaltsabrechnungen oder Kontoauszüge gehören. Die Kriterien, anhand derer im Fall von Allgemein-Verbraucherdarlehen künftig die Kreditwürdigkeit geprüft wird, sind im Gesetz abstrakt und generell formuliert. „Die Kreditgeber haben die Prüfung anhand dieser gesetzlichen Vorgaben in den verschieden Darlehenskonstellationen jeweils konkret auszugestalten“, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums.

Tatsächlich nehmen die Deutschen so viele Ratenkredite auf wie nie zuvor: Erstmals wurde im vergangenen Jahr die Marke von über zehn Millionen neu abgeschlossenen Kreditverträgen überschritten. Das geht aus dem aktuellen Risiko- und Kredit-Kompass der Finanzauskunft Schufa hervor. Besonders auffällig: Jeder zweite Kredit ist inzwischen ein Kleinkredit unter 1000 Euro.

Während die Gesamtzahl der aufgenommenen Ratenkredite gegenüber dem Vorjahr um neun Prozent stieg, legten Kleinkredite unter 1000 Euro besonders stark zu: plus 14,6 Prozent. Der Anteil dieser Mini-Kredite an allen neuen Verträgen ist seit 2020 von etwa einem Fünftel auf nunmehr fast die Hälfte angewachsen. Die Zahl der laufenden Kleinkredite hat sich damit in nur vier Jahren nahezu verdreifacht.

„Dieser starke Anstieg unterstreicht das potenzielle Überschuldungsrisiko durch viele kleine Kredite wie etwa von Buy-Now-Pay-Later-Angeboten“, warnt Schufa-Vorstand Ole Schröder. Verbraucher verlören leichter den Überblick über die monatlichen Raten und damit über ihre gesamte Schuldenlast.

Insgesamt verzeichnete die Schufa den Zahlen zufolge Ende 2024 rund 19,6 Millionen laufende Ratenkredite, ein Plus von 600.000 gegenüber dem Vorjahr. Besonders betroffen ist die Altersgruppe zwischen 35 und 44 Jahren: Dort stieg die Zahl laufender Kredite auf 5,2 Millionen. Auch junge Erwachsene zwischen 18 und 34 Jahren nehmen zunehmend Kredite auf.

Die Entwicklung ist nicht nur ein Signal für verändertes Konsumverhalten, sondern wirft auch Fragen zur finanziellen Stabilität auf. Mit Kleinkrediten finanzieren Verbraucher häufig Alltagsausgaben, nicht selten über Online-Anbieter. Gerade diese Vielfalt an kleinen Verbindlichkeiten birgt laut Schufa ein Risiko: Kleinbeträge summieren sich schneller, als es vielen bewusst ist.

Der Schufa Risiko- und Kredit-Kompass basiert auf der Analyse des umfangreichen Schufa-Datenbestands. Ausgewertet werden Indikatoren zu Kreditverhalten, Rückzahlungsmustern und Verbindlichkeiten in Deutschland. Die Daten gelten als wichtiger Seismograf für die Lage der Verbraucherfinanzen.

Was ändert sich für Verbraucher?

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht nun eine verpflichtende Kreditwürdigkeitsprüfung vor Abschluss jedes Verbraucherkreditvertrags vor. Dabei sollen ähnliche Maßstäbe gelten wie bei Immobilienkrediten. Bisher verzichteten BNPL-Anbieter wie Klarna, Paypal oder Ratepay auf solche Prüfungen oder nehmen sie nur in vereinfachter Form vor, manchmal nur als Identitäts- und Plausibilitätschecks. Das Hauptaugenmerk liegt dann eher auf Betrugsabwehr und nicht auf Überschuldung.

Künftig müssen die Anbieter vor Vertragsabschluss „eingehend“ prüfen, ob ein Verbraucher in der Lage ist, die Zahlungen zurückzuzahlen. Dabei sind alle relevanten Informationen einzubeziehen: Einkommen, laufende Verpflichtungen und gegebenenfalls Informationen aus Bonitätsdatenbanken. Zudem muss die Prüfung dokumentiert werden. Wird ein Kredit abgelehnt, müssen die Gründe dafür angegeben werden. Daten aus sozialen Netzwerken dürfen für die Prüfung nicht verwendet werden.

„Die neue Verbraucherkreditrichtlinie der EU ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Verbraucherschutzes“, sagt Schufa-Vorstand Schröder. Die Verpflichtung der Kreditgeber zu einer Bonitätsprüfung von Kleinstkrediten sei konsequent. „So können die Menschen wirkungsvoll vor Überschuldung geschützt werden, ganz im Sinne der neuen gesetzlichen Anforderungen.“

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat in der Vergangenheit wiederholt davor gewarnt, dass „Buy now, pay later“-Kredite eine große Gefahr für Überschuldung sind. Der Verband kritisierte am Gesetzentwurf, dass Vorgaben an vielen Stellen uneindeutig seien. So würde zwar die für eine effektive Überschuldungsprävention notwendige Prüfung der Einkommen, Ausgaben und anderer finanziellen Verpflichtungen vorgeschrieben, allerdings im folgenden Halbsatz durch das Gebot der Angemessenheit zu „der Art, der Laufzeit, der Höhe und den Risiken des Darlehensnehmers“ direkt wieder abgeschwächt. „Daraus ergibt sich eine erhebliche Schutzlücke“, sagt Dorothea Mohn, Leiterin des Teams Finanzmarkt beim vzbv.

Für den Kauf auf Rechnung sehen die neuen Regeln Ausnahmen vor. Wenn die Rechnung kostenlos gestundet wird, fällt sie nicht unter die strengeren Verbraucherkreditregeln. Dasselbe gilt, wenn der Verkäufer – ohne einen Dritten dazwischen – dem Kunden kostenlos bis zu 50 Tage Zeit zum Bezahlen gibt und bei Zahlungsverzug nur begrenzte Gebühren anfallen.

Für große Online-Händler ist die Ausnahme strenger. Die Zahlungsfrist darf höchstens 14 Tage betragen. Und es darf kein Dritter den Zahlungsanspruch erwerben oder eine Finanzierung anbieten.

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit „Business Insider Deutschland“.

Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.

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