Hat jemand etwas von Sparen gesagt? Für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen holten die Haushaltspolitiker von CDU, CSU und SPD in den Schlussberatungen zum Bundeshaushalt 2025 weitere 22 Millionen Euro heraus, zehn Millionen Euro mehr gibt es für die Bekämpfung der Kinderlähmung. Und sie stellten 59 Millionen Euro bereit, um wieder Projekte des Effizienzhaus-55-Standards zu fördern.
Für die Arbeit der politischen Stiftungen gibt es noch mal gut 30 Millionen Euro mehr, weitere 23 Millionen fließen in die innere Sicherheit, die zivile Luftfahrt kann sich über weitere 17 Millionen Euro freuen, der Volksbund noch einmal über zwei Millionen Euro, die er für die Fürsorge deutscher Kriegsgräber im Ausland ausgeben kann. Zudem haben man die im Koalitionsvertrag versprochene „Sportmilliarde“ für die Sanierung von Sportplätzen festschreiben können – die Milliarde soll allerdings nicht aus dem eigentlichen Haushalt, sondern verteilt über mehrere Jahre aus dem neuen Sondervermögen Infrastruktur kommen.
Angesichts eines Ausgabenvolumens allein im Bundeshaushalt in Höhe von 502,5 Milliarden Euro sind das keine großen Beträge. Dennoch legten die Abgeordneten der beiden Regierungsfraktionen großen Wert darauf, dass die Öffentlichkeit von den vermeintlichen Verhandlungserfolgen erfuhren.
20 Pressemitteilungen von der Union über Zusatzausgaben
Ungewöhnliche 20 Pressemitteilungen verschickte die Pressestelle der Unionsfraktion. Von der Pressestelle der SPD-Fraktion kamen immerhin acht E-Mails, in denen die Berichterstatter einzelner Etats ihre Zufriedenheit mit den durchgesetzten Ausgaben verbreiteten.
Solche Jubelmeldungen über Mehrausgaben kann man als Folklore abtun. Die Abgeordneten verhielten sich in der Vergangenheit kaum anders. Sie wollen ihren Wählern zeigen, wie sehr sie sich für ihre Interessen einsetzen. Im Herbst 2025 wirkt diese Art der Kommunikation allerdings aus der Zeit gefallen.
Es ist eine Zeit, in der der Bund Rekordschulden für Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung plant, gleichzeitig aber SPD-Finanzminister Lars Klingbeil darauf hinweist, vor welch gewaltigen finanziellen Herausforderungen der Bund in den nächsten Jahren steht. In Klingbeils Planungen für die Jahr 2027 bis 2029 klafft eine Lücke von 170 Milliarden Euro – die nicht nur, aber auch durch Kürzungen geschlossen werden soll, wie er sagt.
Über das Sparen wollte am Ende der Beratungen des 2025er-Haushalts, der gerade noch drei Monate gelten wird, aber nur der haushaltspolitische Sprecher einer Partei reden: der von der AfD. Die Chefhaushälter von CDU/CSU und SPD, aber auch von Grünen und Linkspartei sprachen bei ihren Auftritten dagegen weniger von zu hohen Ausgaben – als vielmehr von zu niedrigen Einnahmen.
Jetzt sei es nun einmal zunächst um den Bundeshaushalt für 2025 gegangen, sagte dazu Christian Haase, der oberste Haushaltspolitiker der Unionsfraktion. Schon bei der anstehenden Aufstellung des Bundeshaushalts 2026, erst recht aber bei der für 2027 würden sich die Regierungsfraktionen auf „die neue Situation einstellen“, wie er sich ausdrückte. Konkreter wurde er nicht.
Ähnlich vage klang dies bei Thorsten Rudolph, dem haushaltspolitischen Sprecher der SPD. Es bleibe in den kommenden Monaten noch genug Zeit. Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2027 müsse erst im Frühsommer nächsten Jahres vorliegen. Ziel sei es bis dahin, in „enger Abstimmung mit der Regierung die Handlungsbedarfe aufzulösen“. Handlungsbedarfe ist der haushaltstechnische Ausdruck für Lücken oder Löcher.
„Haushalt der Superlative“
Über mögliche Streichungen wollten beide nicht sprechen, über die gewaltigen schuldenfinanzierten Mehrausgaben dagegen schon. Der Haushalt sei ein „Gamechanger, weil er Antworten auf die beiden großen Herausforderungen gibt: einmal die wirtschaftliche Lage und zum anderen die geopolitischen Herausforderungen“, sagte Rudolph. Der Koalition gelinge es damit, Sicherheit, Wachstum und sozialen Zusammenhalt gemeinsam zu denken.
Haase sprach von einem „Haushalt der Superlative“. Der Bund plane gewaltige Investitionen. „Wir wollen damit Wachstumsimpulse, wir wollen Deutschland modernisieren und natürlich die innere und äußere Sicherheit stärken.“ Besonders hob Haase den Verteidigungshaushalt hervor, der in den kommenden Jahren sukzessive von jetzt 90 auf 150 Milliarden Euro erhöht werde. „Ich glaube, das ist das beste Statement und das ist das Beste, was wir unseren Gegnern auf der Welt sagen können: Deutschland macht sich wieder wehrhaft“, sagte er.
Die Vertreter von Grünen und Linkspartei sparten daran nicht mit Kritik. „Die Chancen, die das Sondervermögen bietet, bleiben sträflich ungenutzt“, sagte der Haushaltsexperte Sebastian Schäfer. Er monierte „Verschiebebahnhöfe und Buchungstricks“. Die Koalition nutze das Sondervermögen, um Löcher zu stopfen. Als Beispiel nannte er, dass Mittel für die Schiene aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen verschoben würden. So entstünden keine neuen Investitionen.
Dietmar Bartsch von den Linken bezeichnete den Etat mit Neuverschuldung und diversen Sondervermögen als „finanzpolitischen Irrgarten“. Der Bund mache hohe Schulden, um „die größte Aufrüstung in der Geschichte der Bundesrepublik zu finanzieren“. Gleichzeitig würden Entwicklungs- und Krisenhilfe nahezu halbiert und Sozialkürzungen angekündigt. Der Entwurf sei „kein Motor für Wachstum und Wohlstand, sondern ein Freifahrschein für die Rüstungsindustrie“, sagte Bartsch.
Sowohl Schäfer als auch Bartsch machten sich für eine grundlegende Reform der Schuldenbremse stark – also mehr Schulden. Erst auf Nachfrage nannten sie auch Sparansätze. „Mindestens im einstelligen Milliardenbereich lassen sich klimaschädliche Subventionen streichen“, sagte der Grünen-Politiker Schäfer. Als Beispiel nannte er das Flugbenzin. Das müsse „planbar und verlässlich“ geschehen, damit es nicht zu einem Aufschrei wie im Vorjahr beim Agrardiesel kommt, als Landwirte aus Protest bundesweit Straßen blockierten.
Bartsch geht davon aus, dass „mehrere Milliarden Euro“ gespart werden könnten, wenn Menschen nicht mehr wegen zu geringer Löhne zusätzlich Hilfe vom Staat bräuchten. „Ein Mindestlohn von 15 Euro würde den Haushalt extrem entlasten“, sagte Bartsch. Auf die sogenannten Aufstocker entfielen aktuell sieben Milliarden Euro im Jahr. Grundsätzlich ist es aus Sicht des Linkspolitikers falsch, immer nur auf die Ausgaben zu schauen, aber nicht auf höhere Steuereinnahmen. In Deutschland gebe es schließlich immer mehr Milliardäre.
Wie lange sich die Vertreter der Regierungsparteien noch um konkrete Sparvorschläge drücken können, ist die große Frage. Denn mit der AfD nimmt sich die größte Oppositionsfraktion zunehmend offensiv des Themas an. Ihr haushaltspolitischer Sprecher Michael Espendiller legte im Anschluss an die Bereinigungssitzung einen „alternativen Haushaltsentwurf“ vor. Nach seiner Rechnung ist es möglich 111 Milliarden Euro einzusparen, um nicht nur weniger neue Schulden zu machen, sondern auch noch die Bürger zu entlasten.
Die Regierung müsse die Schuldenregeln einhalten und Reformen angehen, sagte Espendiller. „Sie kann nicht jedes Problem in Deutschland mit Geld zuschütten.“ Das löse keine Probleme, sondern vertage sie nur. Auf der Streichliste finden sich einige der Kernthemen der AfD: An die Zahlungen an die Europäische Union will Espendiller genauso ran, wie an die Ausgaben für Bürgergeld und Entwicklungshilfe.
Es bleibt abzuwarten, ob Mitte November, nachdem abschließend über den Bundeshaushalt für 2026 beraten wurde, die Haushaltspolitiker der anderen Parteien immer noch so wenig über Sparen sprechen wollen.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.
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