Bei seinem autoritären Staatsumbau will Donald Trump nicht nur Justiz und Zentralbank, sondern auch Amerikas Konzerne für seinen Machterhalt einspannen. Erste Unternehmen waren schon an der Reihe. Ganze Branchen sind im Visier des Präsidenten.
Intel-Chef Lip-Bu Tan bekam seine Anweisungen klar und eindeutig erteilt. "Der CEO von Intel ist hochgradig befangen und muss sofort zurücktreten", forderte Donald Trump im August auf Truth Social. "Es gibt keine andere Lösung für das Problem". Die Kritik verfehlte ihre Wirkung nicht. Tan trat zwar nicht zurück, aber nur zwei Wochen nach der öffentlichen Demontage öffnete er der US-Regierung die Türen: Die stieg mit rund neun Milliarden Dollar bei dem schwächelnden US-Chip-Giganten ein. Danach lobte Trump Tans "Erfolg und Aufstieg" plötzlich als "unglaubliche Geschichte".
Es ist ein beispielloser Vorgang. Seit Jahrzehnten mischt sich der Staat in den USA allerhöchstens vorübergehend in Krisenzeiten in die Wirtschaft ein, um etwa im Krieg Eisenbahnen, Kommunikationsnetze oder Kohleminen zu übernehmen oder Banken und Autobauer vor dem Kollaps zu retten wie in der Finanzkrise 2008. Trump dagegen setzt nun die Macht des Staates zum ersten Mal als Rammbock ein, um einen der größten US-Konzerne unter seine Kontrolle zu bringen. "Es schafft einen gefährlichen Präzedenzfall, wenn der Präsident einfach 10 Prozent eines Unternehmens an sich reißen kann, indem er den CEO bedroht", sagt ein Intel-Großinvestor.
Die Episode ist nur ein Beispiel für einen wirtschaftlichen Systemwechsel, der sich nahtlos in die autoritäre Transformation der USA einfügt. Trump korrumpiert die Regierung und missbraucht die Hebel der exekutiven Bürokratie, um sich und seiner Familie ungeniert Milliarden über Krypto-Deals in die Taschen zu stopfen, um seine eigene Macht zu zementieren und um seine Feinde und Kritiker zu verfolgen. Nach Justiz, unabhängigen Regierungsbehörden wie dem Amt für Arbeitsmarktstatistik und der US-Zentralbank nimmt Trump nun Amerikas Konzerne ins Visier und versucht, sie für seinen eigenen Machterhalt einzuspannen.
Es ist ein Paradigmenwechsel für die USA, der den Weg zu einer neuen Form von Staatskapitalismus ebnet, die man bisher nur aus China kennt: "Das ist Staatsdirigismus, den es bisher in den USA nicht gab", zitiert "Bloomberg" Gary Hufbauer vom Peterson Institute for International Economics. "Es ist ganz klar das chinesische Modell".
Staatskapitalismus mit amerikanischer Charakteristik
Die Volksrepublik lebt bis heute äußerst erfolgreich mit einer Mischform von scheinbar freien Märkten und politischer Allmacht der KP, die China aus bitterer Armut befreit hat. Nach Maos grausamer Kulturrevolution, die Millionen das Leben kostete und Chinas Entwicklung um Jahre zurückwarf, stieß Deng Xiaoping in den 70er Jahren mit seinem Diktum "Reich werden ist ruhmvoll" die Tür zum kapitalistischen Wandel und zur Liberalisierung des Landes auf. Herausgekommen ist eine spezielle, sozialistische Marktwirtschaft.
Auch wenn Pekings Konzerne nominal unabhängig sind, nach Profit streben und ihre Aktionäre reich machen, setzen sie ihre Ressourcen nach Vorgaben der kommunistischen Führung zum Wohle der Nation ein. Unter Chinas derzeitigem Präsidenten Xi Jinping verschwinden selbst mächtige Wirtschaftsbosse, Banker und Startup-Milliardäre, wenn er es will.
In beißender Anlehnung an Dengs Xiaopings Doktrin vom "Kapitalismus mit chinesischer Charakteristik" schreibt selbst das "Wall Street Journal" inzwischen vom "Staatskapitalismus mit amerikanischer Charakteristik" unter Trump: "Der Kapitalismus in Amerika fängt an, wie der in China auszusehen."
Trump will die US-Wirtschaft dirigieren wie die KP-Chefs in Peking
Obwohl die USA noch längst kein Ein-Parteien-Regime sind, sind die Ähnlichkeiten frappierend. Einerseits schreibt sich Trump Deregulierung, Steuersenkungen und freie Märkte auf die Fahne. Zugleich greift er in nie zuvor dagewesener Form in Amerikas Chefetagen ein, um sie für seine Politik auf Linie zu bringen. Die Einmischung hat verschiedene Gestalten: Bei der Übernahme von US Steel durch den japanischen Konzern Nippon Steel sicherte sich Trump das Recht, einen Aufsichtsrat zu ernennen und über eine goldene Aktie persönlich sein Veto gegen Werksschließungen oder Jobverlagerung ins Ausland einzulegen. Auch beim einzigen US-Hersteller von seltenen Erden hat sich das Pentagon eine Sperrminorität gesichert.
Solche strategischen Beteiligungen können vielleicht noch als etatistische Industriepolitik gelten, wie sie auch in anderen Staaten praktiziert wird. Doch spätestens Trumps beispielloser Deal, mit dem das US-Finanzministerium künftig 20 Prozent aller chinesischen KI-Chipverkäufe als Exportgebühr von AMD und Nvidia, der wertvollsten Firma der Welt, kassiert, passt nicht mehr zu einem solchen herkömmlichen politischen Muster. Das gilt auch für Investmentzusagen in Höhe von 1,5 Billionen Dollar im Zuge von Handelsdeals mit Japan, der EU und Südkorea, die Trump persönlich an ihm genehme Branchen und US-Regionen vergeben will.
"Trumps Bereitschaft, in die Märkte einzugreifen und mit staatlicher Macht Ergebnisse zu erzwingen, würde an den französischen Dirigismus der 50er und 60er Jahre erinnern - wäre sie nicht so offenkundig eigennützig und klientelistisch", zitiert die "Financial Times" den US-Politologen Carlo Accetti. Trump will die US-Wirtschaft lenken wie die KP-Chefs in Peking. Und sie zu seinem persönlichen, machtpolitischen Vorteil einsetzen.
"Wo hört das auf?"
Wer Geld verdienen will, braucht künftig Trumps Gunst: So macht er sich Amerikas Unternehmen zur Beute. "Ich fürchte, dass wir bald ganze Branchen haben werden, in denen der Präsident einfach verlangt: 'Zahlt erst mal an uns, bevor ihr überhaupt ins Ausland verkaufen dürft", zitiert "Bloomberg" einen Portfoliomanager. "Wo hört das auf?"
Trump hat klargemacht, dass seine Intel-Intervention erst der Anfang war: "Ich hoffe es wird noch viel mehr solche Fälle geben." Laut US-Handelsminister Howard Lutnick erwägt er bereits strategische Beteiligungen an Waffenfirmen wie Lockheed Martin, Boeing oder sogar der Datenkrake Palantir, ohne deren Software CIA, FBI und das Pentagon ohnehin nicht mehr auskommen.
Bei vielen Amerikanern kommt der populistische Aderlass des Großkapitals gut an: Selbst der linke Senator Bernie Sanders feierte Trumps Nvidia-Exportgebühren als clevere Idee, Steuern von den Multis zu kassieren. Doch die Gefahr liegt darin, dass wirtschaftliche Entscheidungen politisiert werden und nicht länger der Markt Gewinner und Verlierer kürt. Sondern der Präsident im Weißen Haus - und zwar ganz nach seinen persönlichen Interessen.
Amerikas Wandel zur Günstlingswirtschaft ist längst offen zu sehen. Weil Trump ihre Konzerne mit drakonischen Zöllen erpresst, um sie zu Milliardeninvestments in den USA zu zwingen, schwören ihm die Tech-Milliardäre in nordkoreanischer Manier die Treue, um seine Gunst zu erhaschen. "Danke für ihre unglaubliche Führung", flötete Microsoft-Gründer Bill Gates kürzlich beim Gala-Dinner der Tech-Oligarchen im Weißen Haus.
"Wir sind begeistert zu sehen, was Sie tun, um all unsere Unternehmen und unser gesamtes Land so erfolgreich zu machen", sekundierte OpenAI-Chef Sam Altman. Auch Tim Cook bedankte sich brav für Trumps wirtschaftsfreundlichen Ton. Der CEO des wertvollsten Konzerns der Welt hatte dem Präsidenten schon Wochen zuvor persönlich seine unterwürfige Haltung demonstriert: mit einer Glasskulptur als persönlichem Geschenk mit einem 24-karätigen Goldbarren als Sockel.
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