Prothesen werden in Russland offenbar gerade dringend benötigt – auch jene von deutschen Herstellern. So legte der Wert der im ersten Halbjahr 2025 von Deutschland nach Russland gelieferten Produkte der Warengruppe „Prothesen und Waren der Prothetik“ um gut 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Und nicht nur die Hersteller von Prothesen machen innerhalb der Medizintechnik-Branche trotz des Ukraine-Kriegs gute Geschäfte mit Russland.
WELT AM SONNTAG hat Exportdaten des Statistischen Bundesamtes ausgewertet. Sie zeigen, dass der Wert der nach Russland ausgeführten Medizintechnik-Produkte im ersten Halbjahr 2025 der höchste seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs am 24. Februar 2022 in den Vergleichszeiträumen der jeweiligen Jahre ist.
Selbst in der Zeit vor dem Krieg, in den Halbjahren 2020 und 2021, hat Deutschland keinen so hohen Wert beim Export von Medizintechnik-Produkten nach Russland erzielt wie in diesem Jahr. Da die Statistik nicht preisbereinigt ist, ist auch die Inflation ein Grund für die Zunahme.
Laut Statistischem Bundesamt exportierte die Bundesrepublik von Januar bis Juni 2025 Medizintechnik-Artikel im Wert von rund 375 Millionen Euro nach Russland. Damit legte der Ausfuhrwert gegenüber dem ersten Halbjahr 2024 um 6,6 Prozent zu. Auch in den ersten sechs Monaten 2023 lag der Wert der Medizintechnik-Exporte nach Russland mit rund 353 Millionen Euro deutlich hinter dem aktuellen.
Zunahme bei Prothesen und künstlichen Gelenken
2022 betrug der entsprechende Wert rund 304 Millionen Euro – also fast ein Viertel weniger als im ersten Halbjahr 2025. In den ersten sechs Monaten 2020 lag er rund vier Prozent hinter dem des Vergleichszeitraums von 2025, im ersten Halbjahr 2021 waren es rund 1,4 Prozent.
Zugenommen hat neben dem Export von Prothesen etwa auch die Ausfuhr von künstlichen Gelenken. Diese wurden im ersten Halbjahr 2025 im Gesamtwert von rund 22 Millionen Euro nach Russland geliefert. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres lag dieser Wert bei rund 19 Millionen Euro. In den ersten sechs Monaten 2020 belief er sich auf etwas weniger als acht Millionen Euro.
Abgenommen hat hingegen der Export von Magnetresonanzgeräten und Ultraschalldiagnosegeräten. Medizintechnik-Produkte und Medikamente sind von den Sanktionen gegen Russland aufgrund der humanitären Notwendigkeit größtenteils ausgenommen. Doch auch für diese Produkte gelten Exportkontrollvorschriften.
Der Branchenprimus Siemens Healthineers teilt zu den aktuellen Exportzahlen mit, diesen „Trend“ für sich nicht bestätigen zu können. „Während unser Umsatz in Russland im Geschäftsjahr 2021 noch mehr als ein Prozent unseres weltweiten Gesamtumsatzes betrug, ist dieser Anteil seitdem gesunken – auf weniger als ein Prozent im Geschäftsjahr 2024“, erklärt Siemens Healthineers.
Diese Entwicklung habe sich im laufenden Geschäftsjahr 2025 fortgesetzt. Der Konzern betont, sich „sowohl an die gesetzlichen Vorschriften als auch an alle geltenden Embargos und UN-Vorschriften“ zu halten. Zudem stellt Siemens Healthineers fest, gemäß den gesetzlichen sowie Compliance-Vorschriften „keine russischen Militärkrankenhäuser“ zu beliefern. Zwei von WELT AM SONNTAG angefragte Branchenverbände wollten die Zahlen nicht kommentieren.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Andreas Macho ist WELT-Wirtschaftsreporter in Berlin mit dem Schwerpunkt Gesundheit.
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