Die neue Bauministerin Verena Hubertz hat von ihrer Vorgängerin gelernt. Ihre SPD-Genossin Klara Geywitz wurde vom Neubauziel von 400.000 Wohnungen, das auch sie sich zu eigen machte, bis zum abrupten Ende der Ampel-Koalition Ende 2024 verfolgt. So ließ sich Hubertz in den ersten Monaten ihrer Amtszeit kein konkretes Ziel für die Fertigstellung neuer Wohneinheiten entlocken. Stattdessen bemühte sie bei jeder Gelegenheit das Bild von den Baggern, die „wieder rollen müssen“.
Doch exakte Zielvorgaben hin oder her: Die Realität bahnt sich ihren Weg. Und es wird immer klarer, dass trotz des mit hohen Erwartungen aufgeladenen Bauturbos die Fertigstellungszahlen zu niedrig bleiben dürften, um die grassierende Wohnungsnot wirksam zu bekämpfen. Bis mindestens 2030, sagt jetzt Ifo-Bauexperte Ludwig Dorffmeister, werde die Lage noch sehr angespannt bleiben.
Für das laufende Jahr rechnet der Ökonom mit der Fertigstellung von 205.000 Wohnungen. 2026 sollen es voraussichtlich sogar nur noch 185.000 Wohnungen sein. Das wäre der niedrigste Wert seit 2009. Für 2027 rechnet Dorffmeister dann mit 190.000, für 2028 mit 195.000 fertiggestellten Wohnungen.
Der Elan aus dem Frühsommer, mit dem die junge Ministerin Aufbruchstimmung verbreitete, droht nun vollends zu verfliegen. Das zeigen nicht allein die ernüchternden Ifo-Zahlen. Es sind auch die Verteilungsdebatten, die in Deutschland wieder Raum gewinnen und die Anreize, Wohnraum zu erstellen, nicht gerade erhöhen. Die Linke, die mit dem Thema Wohnungsnot schon einen Volltreffer bei den Bundestagswahlen gelandet hat, hat dabei die Führung übernommen. Ihre Leitfiguren Heidi Reichinnek und Jan van Aken fordern bei ihren häufigen Auftritten in den Talkshows des Öffentlich-Rechtlichen abwechselnd Reichensteuer, Vermögensteuer, eine Reform der Erbschaftsteuer – oder gleich alle drei.
Die Steuerarten betreffen direkt oder indirekt immer auch den Immobilienmarkt. Vor allem eine Rückkehr der Vermögensteuer würde dem Investitionsklima am Bau schaden. Dabei ist als Ausgleich für die Aussetzung der Abgabe 1997 die Grunderwerbsteuer von bundesweit zwei auf 3,5 Prozent angehoben worden (inzwischen liegt sie bei 5,5 bis 6,5 Prozent).
Dafür gestehen die Linken in ihrem Konzept den Betroffenen einen Freibetrag von einer Million Euro zu. Das klingt zunächst nach viel. Doch die Euro-Rettungspolitik der EZB, die Sparer und Lebensversicherte viel Geld kostete und dem Staat eine Verschuldung zum Nulltarif ermöglichte, trieb ab 2012 die Preise nicht beliebig vermehrbarer Sachwerte in die Höhe – darunter eben auch Immobilien.
So ist die zweite Million bei einem Mehrfamilienhaus in guter Metropollage inzwischen schnell erreicht. Hier würde dann das überschaubar klingende eine Prozent Vermögensteuer jährlich 20.000 Euro ausmachen. Eine Abgabe, die jeder Investor oder Eigentümer in seine Kalkulation einbeziehen würde – und entsprechend auf die Miete umlegen würde. Die Idee schadet somit besonders genau jenen, die die SED-Nachfolgepartei eigentlich schützen möchte: den Mietern.
Bedenklich ist zudem, wie schnell die Ideen der Linken in der Öffentlichkeit an Raum gewinnen. Und das kann sich noch beschleunigen: Bei Grünen und SPD hat man sicherlich registriert, dass die Wohn- und Gerechtigkeitsfrage der Linken half, bei der Bundestagswahl bei den begehrten Jungwählern (die die Schrecken des DDR-Wohnungsmarktes offenbar nicht mal mehr aus Erzählungen kennen) auf 25 Prozent zu kommen.
Programmatisch sind Gründe und SPD im Großen und Ganzen ebenfalls auf Linken-Linie. Aber: Wähler von den Linkspopulisten dürften sie nur loseisen können, wenn sie mit noch schrilleren Vorschlägen vorpreschen. In diesem Licht sollte man den Vorstoß von SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sehen, der einen „Erb-Deckel“ für jeden forderte und dabei besonders die Eigentümer von Mehrfamilienhäusern in den Blick nimmt. Und die Grünen polarisieren in Berlin mit dem Plakat: „Stresst dein Vermieter? Wir stressen zurück!“
Den entscheidenden Move hat aber die Union gemacht, als Jens Spahn kürzlich bei „Maybritt Illner“ die fehlende Gerechtigkeit bei der Vermögensverteilung in Deutschland anprangerte und in die Reichinnek-Forderungen nach einer Reform der Erbschaftsteuer einstimmte. Die Beliebigkeit der Unions-Positionen nach der Bundestagswahl dürfte zwar inzwischen niemanden mehr überraschen, doch das Anbiedern der Union an die Linke lässt für die nächsten Monate und Jahre wenig Gutes für alle erahnen, die mit der Neuwahl Hoffnung auf eine Politikwende hatten.
So addiert sich die zunehmend absehbare Belastung aus der an Fahrt aufnehmenden Umverteilungsdebatte zu den ohnehin vorhandenen Bremsfaktoren am Bau: der Mangel an Bauland, die hohen Kosten, die langsame und rückständige Verwaltung, die überzogenen Vorschriften zu Bautechnik und Energieeffizienz, das Gutachterunwesen und fehlende Rechtssicherheit. Es wäre kein Wunder, wenn die Neubauprognosen für die Folgejahre noch weiter nach unten revidiert werden müssten. Der Linken dürfte bei diesen Perspektiven um weiteren Wählerzulauf nicht bange sein.
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