Chemie, Maschinen, Elektronik: Die US-Importe aus der EU haben im vergangenen Jahrzehnt stark zugenommen. Wie stark die USA damit von hiesigen Exporten abhängig sind, überrascht selbst die Autoren einer neuen Studie. Ihre Ergebnisse könnten auch im Zollstreit mit Präsident Trump relevant werden.

Die USA sind einer Studie zufolge stärker von Importen aus der Europäischen Union abhängig als von Lieferungen aus China. Bei 3120 verschiedenen Warengruppen gebe es einen Importanteil aus der EU von mindestens 50 Prozent, wie aus der Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hervorgeht. Dazu gehörten vor allem chemische Produkte, aber auch Maschinen, Geräte, elektrotechnische Waren sowie unedle Metalle - von speziellen Hormonen über Frontschaufellader bis hin zu Röntgenröhren.

Das entspreche 17,5 Prozent der rund 17.800 Warengruppen, die die USA im vergangenen Jahr aus aller Welt einführten. Dahinter stehe ein summierter Importwert von rund 290 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: China kam den Angaben zufolge auf 2925 Waren im Wert von 247 Milliarden Dollar.

"Die US-Importabhängigkeit von der EU hat seit 2010 stark zugenommen", heißt es in der Studie, die der Nachrichtenagentur Reuters vorab vorlag. So sei der Einfuhrwert um fast 150 Prozent gestiegen. "Uns hat das Ergebnis selbst überrascht", sagte Co-Autor Jürgen Matthes, der beim IW den Bereich Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte leitet.

Abhängig von China deutlich verringert

"Offensichtlich ist die Abhängigkeit der USA von Lieferungen aus Europa höher als gedacht - und insgesamt sogar größer als von Lieferungen aus China." Im Vergleich mit der Volksrepublik liegt die EU demnach inzwischen klar vorn - sowohl bei der Anzahl als auch beim Gesamtwert der Waren mit einem Mindestanteil von 50 Prozent an den US-Importen. "Im Zuge eines offensichtlichen De-Riskings hat sich die US-Importabhängigkeit von China im Zeitverlauf deutlich verringert", liefert das IW eine Erklärung dafür.

Angesichts der US-Abhängigkeit von europäischen Gütern überrascht es, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei US-Präsident Donald Trump im Juli nur einen als hoch angesehenen Zoll von 15 Prozent herausschlagen konnte. Das wesentliche kleinere Großbritannien etwa kommt mit zehn Prozent davon. "Die EU hätte in den Handelsgesprächen selbstbewusster auftreten können", schlussfolgert IW-Expertin und Co-Autorin Samina Sultan aus den Daten.

Allerdings habe immer im Raum gestanden, dass die USA ihre Unterstützung für die Ukraine zurückziehen könnten. Sicherheits- und Wirtschaftspolitik seien hier vermischt worden. "Deshalb hat es für die Europäer keine Ideallösung gegeben", sagte Sultan. "Das Ergebnis spiegelt die Realpolitik wider."

Studie als Druckmittel im Streit mit Trump?

Die Juli-Einigung sei allerdings alles andere als wasserdicht. Trump hat danach etwa Vergeltung bei regelkonformen EU-Geldstrafen für US-Digitalkonzerne angedroht. "Es gibt also das Risiko, dass der Handelsstreit doch wieder eskaliert", sagte Sultan. Deshalb sei das Studienergebnis so relevant. "Man kann damit den Amerikanern klarmachen: Wenn ihr die Zölle weiter heraufsetzt, schneidet ihr euch auch ins eigene Fleisch", sagte Sultan. "Das kommt euch teuer zu stehen."

Wie sehr die Amerikaner diese Waren aus der EU brauchen und wie schwer sie diese ersetzen könnten, lässt sich aus den Handelsdaten allein noch nicht vollständig sagen. "Dazu müssten die Lieferketten noch genauer durchleuchtet werden, etwa mithilfe von Unternehmens- und Logistikdaten", sagte Matthes. "Aber unsere Studie ist hier ein erster wichtiger Aufschlag."

So entfallen etwa 15 Prozent des US-Importwerts aus der EU auf Waren einer von den IW-Forschern extra gebildeten Fokusgruppe: Hier liegt der Importanteil in den vergangenen fünf Jahren beständig bei mindestens 50 Prozent. Außerdem gelten diese Güter wegen ihres Industriebezugs als potenziell relevant für industrielle Wertschöpfungsketten.

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