Als Richard Lutz Mitte August als Chef der Deutschen Bahn gehen muss, fällt ihr Name als mögliche Nachfolgerin früh: Evelyn Palla arbeitet seit 2019 beim bundeseigenen Konzern, erst als Finanzvorständin bei DB Fernverkehr, seit Juli 2022 als Chefin des Regionalverkehrs. Gestern wurde aus Regierungskreisen bekannt, dass die gebürtige Südtirolerin auf Vorschlag von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder als erste Frau an die Spitze des Konzerns rückt. Am Montag soll sie offiziell als neue Bahnchefin vorgestellt werden. Wer ist die Frau, die seit 2011 in der Branche tätig ist? Und welche Probleme muss sie lösen?
Anfänge in Österreich
Palla ist Jahrgang 1973 und kennt sich bestens in der Branche aus. Ihre berufliche Laufbahn startete die Südtirolerin 1997 bei der Infineon Technologies AG. Ab 2003 war sie für Eon in München, Köln und Mailand tätig, bevor sie 2011 zu den Österreichischen Bundesbahnen nach Wien wechselte. Dort war sie ab 2015 als Vorstand der ÖBB Personenverkehr AG für den Regionalverkehr zuständig. Zudem bekleidete sie ab 2015 das Amt der Aufsichtsratsvorsitzenden der ÖBB Postbus AG. Die Österreicher zählen genauso wie die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) zu den Vorzeigenationen, wenn es um den zuverlässigen Verkehr auf der Schiene geht.
Die erfolgreiche Bahn-Managerin ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Zudem besitzt sie selbst einen Triebfahrzeugführerschein.
Ein Erfolg bei der Deutschen Bahn
Die 51-Jährige war Berichten zufolge Favoritin von Aufsichtsratschef Werner Gatzer für den Posten der Bahnchefin. Seit drei Jahren leitet sie die Sparte DB Regio und ist damit für den gesamten Regionalverkehr in Deutschland verantwortlich. Inklusive aller S-Bahnen werden im Nahverkehr jeden Monat rund 780.000 Zugfahrten absolviert. Zuletzt war die Pünktlichkeit auch im Nahverkehr im Vergleich zu vorherigen Zeiten schlechter, brach aber nicht komplett ein. Im Fernverkehr sackte die Pünktlichkeitsquote in den vergangenen Jahren ab.
Zudem erwirtschaftete die DB Regio unter Palla im ersten Halbjahr 2025 einen operativen Gewinn von 103 Millionen Euro (Ebit bereinigt). Im ersten Halbjahr 2024 stand an dieser Stelle noch ein dickes Minus. Bei der Bahn freute man sich über die Trendwende: Es war zumindest ein Erfolg inmitten vieler schlechter Nachrichten, mit denen die Kunden der Bahn ebenso wie das Management des Konzerns fast täglich konfrontiert sind.
Die größten Probleme der DB
Die kriselnde Bahn kämpft primär mit der maroden Infrastruktur. Nahezu täglich werden deswegen Züge ausgebremst. Verspätungen, Zugausfälle und Frust bei den Fahrgästen sind die Folge. Da nahezu jedes Eck des mehr als 33.000 Kilometer langen Schienennetzes der DB betroffen ist, wird es lange dauern, bis sich nachhaltige Verbesserungen einstellen. Große Hoffnungen setzt die Bahn in die grundlegende Sanierung von mehr als 40 besonders wichtigen Strecken bis 2036.
Zunächst belasten die Arbeiten den Betrieb jedoch: Nahezu jeder Fernverkehrszug muss auf seiner Reise durch das Land derzeit durch mindestens eine Baustelle fahren. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr lag im August bei nur knapp 60 Prozent. Vor allem an wichtigen Knoten sammeln die Züge regelmäßig Verspätung ein, Störungen und Baustellen machen einen reibungslosen Betrieb kaum möglich.
Auch die wirtschaftlichen Zahlen sehen seit Jahren nicht gut aus. Zuletzt verbesserten sie sich zwar, am Ende des ersten Halbjahres 2025 stand aber weiterhin ein Minus von 760 Millionen Euro. Um den Konzern wirtschaftlicher aufzustellen, sollen Tausende Stellen gestrichen werden. Damit steht auch die Verwaltung des riesigen Konzerns vor vielen Veränderungsprozessen.
Reichen eine neue Chefin für eine Kehrtwende?
"Schlechtes Management" ist ein typischer Grund für Unruhe in einem Unternehmen, für Evelyn Palla gibt es also viel zu tun. Die Rückendeckung des Verkehrsministeriums dürfte ihr in den ersten Wochen sicher sein. Doch reicht das, um die Bahn zu sanieren?
Für die Grünen, die Palla mit ihrer Führungserfahrung für eine gute Wahl halten, eher nicht: "Ohne deutlich bessere Rahmenbedingungen wird auch Frau Palla nicht erfolgreich sein", sagte deren Verkehrsexperte Matthias Gastel der "Rheinischen Post". "Dazu gehört die auskömmliche und mittelfristig verlässliche Finanzierung der Infrastruktur. Dazu gehört auch die bessere Kontrolle und Steuerung des Unternehmens."
Pläne des Ministers
Wenn Palla am Montag in Berlin offiziell als neue Bahnchefin vorgestellt wird, will Verkehrsminister Schnieder auch eine neue Eigentümer-Strategie für die Bahn präsentieren. Sie dürfte der Leitfaden sein, an dem sich Palla orientieren muss. Über die Inhalte wurde bisher nicht viel bekannt. Es gilt aber als sicher, dass der Bund die Bahn enger an die Leine nehmen wird als in den vergangenen Jahren.
"Die Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein", sagte Schnieder zuletzt. Zudem müsse der Konzern "schneller, schlanker, schlagkräftiger und auch wirtschaftlicher" werden. Derzeit sei die Lage "dramatisch".
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