Auch Medikamente bleiben von Donald Trumps aggressiver Zollpolitik nicht verschont: Der US-Präsident hat ab dem 1. Oktober Zölle von 100 Prozent auf Arzneimittelimporte in die Vereinigten Staaten angekündigt. Sollte es dabei bleiben, wäre das ein harter Schlag für die deutsche Pharmaindustrie, die stark in die Vereinigten Staaten exportiert. Die EU-Kommission pocht auf das Zollabkommen zwischen den USA und der EU vom August, in dem eine "eindeutige und umfassende Obergrenze von 15 Prozent für EU-Exporte" festgehalten worden sei. Dies stelle "eine Art Absicherung dar, dass für europäische Wirtschaftsakteure keine höheren Zölle eingeführt werden", teilte ein Sprecher mit. Was bedeuten die Zölle nun für die Pharmabranche und Patienten, wenn sie dennoch eintreten? Drohen mehr Arzneimittelengpässe?
Was will Trump erreichen?
Nach dem Willen des US-Präsidenten sollen Pharmaunternehmen ihre Produkte vermehrt in den USA herstellen. Arzneimittelhersteller, die eine Produktionsstätte in den USA bauen, könnten damit den Zoll umgehen, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. Unternehmen, die bereits einen Baubeginn festgelegt oder mit dem Bau begonnen haben, sind von den geplanten Zöllen ausgenommen.
Der Verband forschender Pharmaunternehmen (VFA) kritisiert jedoch, dass Trumps Ankündigung im Widerspruch zu den bisherigen Handelsabsprachen zwischen den USA und der EU stehe, die eine Zollobergrenze von 15 Prozent auf Importe aus Europa vorsehen.
Könnte es noch Ausnahmen geben?
Unklar ist, ob es Ausnahmen für Nachahmermedikamente gibt, die eine wichtige Rolle auf dem Arzneimarkt spielen. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI, sprach angesichts von Trumps Ankündigung von einem "weiteren Schlag ins Gesicht" und einem neuen Tiefpunkt für die Handelsbeziehungen mit den USA. "Wenn der 15-Prozent-Deal nicht auch für Pharmaprodukte gilt, ist er nichts wert." Die EU-Kommission müsse darauf drängen, dass beide Seiten zu den getroffenen Vereinbarungen stünden.
Wie wichtig sind die USA für die deutsche Pharmabranche?
Für die deutsche Pharmabranche mit ihren rund 130.000 Beschäftigten sind die USA das wichtigste Exportland. 2024 gingen dem Statistischen Bundesamt zufolge Waren im Wert von 27 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel der deutschen Pharmaexporte in die USA. Damit ist die deutsche Pharmabranche wesentlich stärker vom US-Markt abhängig als etwa der Maschinenbau und die Chemieindustrie. Besonders gefragt waren etwa Impfstoffe.
"US-Zölle gefährden deutsche Arzneimittelexporte auf ihrem wichtigsten Absatzmarkt außerhalb der EU und setzen den Pharmastandort Deutschland unter Druck", erklärt Jasmina Kirchhoff, Projektleiterin der Forschungsstelle Pharmastandort Deutschland beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW).
Was heißt das für Patienten hierzulande?
US-Zölle auf Arzneimittel schüren auch Sorgen um die hiesige Gesundheitsversorgung. Denn Deutschland hat 2024 nicht nur Waren in die USA exportiert, sondern auch Pharmazeutika im Wert von gut 12 Milliarden Euro aus den USA importiert. Das entspricht knapp 17 Prozent der Brancheneinfuhren und gut 12 Prozent der Vorprodukte, darunter sterile Schläuche für die Arzneiproduktion.
"Die angekündigten Importzölle von 100 Prozent hätten gravierende Auswirkungen auf die internationalen Lieferketten, verteuerten die Produktion von Arzneimitteln und gefährdeten die Versorgung von Patientinnen und Patienten - sowohl in den USA als auch in Europa", sagt VFA-Präsident Han Steutel.
Drohen Engpässe bei Arzneien?
Die Apothekervereinigung ABDA befürchtet negative Auswirkungen auf die Arzneiversorgung in Deutschland. Wenn der wichtige Pharmamarkt USA durch Zölle behindert werde, "kann das dazu führen, dass die Produktion in Deutschland durch mangelnde Wirtschaftlichkeit eingeschränkt wird", warnt Thomas Preis, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Die Lieferketten seien schon seit Jahren instabil.
Tatsächlich waren in den vergangenen Jahren immer wieder Medikamente wie Blutdrucksenker, Fiebersäfte für Kinder, Magensäureblocker und Schmerzmittel vorübergehend nicht verfügbar. Viele Patienten in Deutschland mussten auf Ersatzprodukte ausweichen.
Medikamentenengpässe seien für viele Menschen eine enorme Belastung, insbesondere für Ältere, chronisch Kranke und Menschen mit Behinderungen, warnt Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland. Es sei daher wichtig, die Produktion in Europa zu stärken und so die Medikamentenversorgung wieder stärker in die eigene Hand zu nehmen.
Warum ist der US-Markt so lukrativ für die Pharmaindustrie?
Die USA sind für die deutsche Pharmabranche auch deshalb so wichtig, weil Amerika ein sehr lukrativer Absatzmarkt ist: Dort gibt es im Gegensatz zu Deutschland keine so strenge Preisbindung für Medikamente, da der Gesetzgeber hier in den Markt für verschreibungspflichtige Medikamente eingreift. In den USA sind die Arzneipreise in der Regel deutlich höher als in anderen Industrieländern. US-Präsident Donald Trump hatte angekündigt, dagegen vorzugehen.
Wie reagiert die Pharmabranche?
Angesichts von Trumps Politik ziehen Pharmaunternehmen reihenweise Konsequenzen. So haben die Schweizer Pharmariesen Roche und Novartis angekündigt, Milliarden in den USA zu investieren. Ähnliche Pläne gaben auch der französische Pharmakonzern Sanofi und das britische Unternehmen GSK bekannt.
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