Die Vorweihnachtszeit ist für Versandhändler Otto Group nicht mehr die wichtigste Geschäftsphase im Jahresverlauf. „Black Friday hat mittlerweile den größten Wumms im gesamten Jahr“, sagte Petra Scharner-Wolff, die Vorstandsvorsitzende des 15-Milliarden-Konzerns aus Hamburg, im Interview mit WELT AM SONNTAG. Das aus Amerika importierte Event, das stets auf den vierten Donnerstag im November fällt, sei der „ultimative Peak“ im Onlinehandel. „Die zwei Wochen rund um den Black Friday haben Weihnachten als wichtigsten Kaufzeitpunkt abgelöst“, so Scharner-Wolff.
Gekennzeichnet ist der Black Friday vor allem durch Rabattaktionen. Um trotzdem noch Geld verdienen zu können, arbeitet die Otto Group auf ihren Plattformen wie Otto.de, Bonprix Witt, Frankonia oder Baur mit dynamischen Preisen. Das bedeutet: Ein Smartphone, ein Pullover oder eine Waschmaschine hat stündlich oder sogar teils minütlich einen anderen Preis. Künstliche Intelligenz (KI) helfe bei der Steuerung. „Wer nur Rabatte gibt, wird auf Dauer nicht überleben“, begründete Scharner-Wolff.
Denn die Otto Group will und muss nach zuletzt schwierigen Jahren auf Profitabilität achten, auch um Mittel für Investitionen zur Verfügung zu haben. Für das laufende Geschäftsjahr 2025/2026 (Stichtag 28. Februar) sieht es bislang gut aus, wie Scharner-Wolff berichtete. „Wir sind wieder auf Kurs“, sagte die seit März amtierende Managerin. „Im ersten Halbjahr waren die Umsätze stabil und die Ertragslage hat sich deutlich verbessert.“ Für das Gesamtjahr rechne der Konzern trotz des weiter unruhigen Umfelds mit einem Vorsteuerergebnis im mittleren dreistelligen Millionenbereich. Im Vorjahr waren es rund 200 Millionen Euro, davor gab es zwei Jahre mit Verlusten.
Größter Verlustbringer bei der Otto Group war zuletzt der Paketdienstleister Hermes Germany mit einem Jahresfehlbetrag inklusive Abschreibungen in Höhe von 231 Millionen Euro. Ein Verkauf, über den zuletzt im Markt spekuliert wurde, sei dennoch kein Thema. „Wir haben nicht vor, Hermes Germany abzugeben“, sagte Scharner-Wolff.
Stattdessen will der Mutterkonzern Hermes Germany wieder komplett ins Unternehmen zurückholen. Aktuell hält der Finanzinvestor Advent noch 25 Prozent an Hermes Germany. „Diesen Anteil werden wir zeitnah zurückkaufen und eine eigene Sanierung umsetzen.“ Denn die strategische Bedeutung der logistischen Dienstleistung sei für das Geschäft der Otto Group immens groß. Daher gebe es ein klares strategisches Bekenntnis zu Hermes Germany und einen konsequenten Restrukturierungsplan.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.
Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet unter anderem über Schifffahrt, Logistik und Mittelstandsunternehmen. Auch die Kreuzfahrt hat der vom Meer begeisterte Norddeutsche im Blick.
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