Der Ausbau der KI-Infrastruktur trägt alle Merkmale einer neuen Dotcom-Bubble: Billionen-Investments, astronomische Risiken und wolkige Renditen. Denn niemand weiß, wie OpenAI, Meta & Co. jemals genug Geld mit ihren KI-Chatbots verdienen wollen.
Es ist einer der teuersten Baubooms der Weltgeschichte: Überall in den USA stampfen Tech-Firmen gigantische Supercomputer aus dem Boden, Rechenzentren mit hunderttausenden Hightech-Chips, mit Namen aus der griechischen Mythologie, auf denen bald die KI-Modelle der Zukunft laufen sollen. Colossus, Hyperion, Stargate: Auf mindestens eine und bis zu 2,2 Billionen Dollar summieren sich die Ausgabenpläne von OpenAI, Meta, xAI und Co. für die künftige KI-Dateninfrastruktur in den nächsten fünf bis zehn Jahren, je nachdem welche Annahmen und welchen Zeithorizont man zugrunde legt - die Hälfte der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres.
Wie viel Geld am Ende genau nötig sein wird, wissen nicht einmal die Konzerne selbst. Nur, dass der Finanzbedarf riesig sein wird: OpenAI-Chef Sam Altman will "Billionen" für seine KI-Serverfarmen ausgeben. Allein über die Stargate-Initiative mit Oracle und Softbank sollen bei OpenAI Rechenzentren für 500 Milliarden Dollar entstehen. Meta-Chef Mark Zuckerberg rechnet mit ungefähr 600 Milliarden Dollar Kosten bis 2028 bei seinem Tech-Riesen. Und auch der Chef von CoreWeave, einer der größten Vermieter von Datenzentren für die Tech-Firmen, erwartet "Billionen Dollar an öffentlichen und privaten Investments" für den Ausbau "einer weltumspannenden Infrastruktur" der künstlichen Intelligenz. Bis 2030 könnten dafür rund 7 Billionen Dollar nötig werden, schätzen auch die Berater von McKinsey.
Doch angesichts der schwindelerregenden Geldströme wächst die Sorge, ob sich die impliziten Rendite-Versprechen jemals erfüllen werden. Der Ausbau der KI-Infrastruktur ist eine Mega-Wette auf den Erfolg einer revolutionären Technologie. Und für manche längst eine neue Investmentblase, die der Dotcom-Bubble der Jahrtausendwende in nichts nachsteht. Denn niemand weiß bisher, wie sich die gigantischen Ausgaben jemals rechnen sollen.
"Riesengroße Kapitalvernichtung" möglich
Das gigantische Wettrüsten um die globale KI-Herrschaft beunruhigt inzwischen eine Reihe von Experten. Der Hedgefonds-Milliardär David Einhorn hält die Annahmen für so überschwänglich, dass die tatsächlichen Renditen der Investments völlig unklar sind. "Die Zahlen, die derzeit kursieren, sind derart extrem, dass man sie kaum noch begreifen kann", sagt etwa der Hedgefonds-Milliardär David Einhorn. "Natürlich ist das Risiko nicht null. Im Gegenteil, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass in diesem Investmentzyklus eine riesengroße Kapitalvernichtung bevorsteht."
Einhorns Warnung muss man ernst nehmen. Immerhin war er einer der wenigen Investoren, die 2007 vor einem Zusammenbruch am US-Immobilienmarkt warnten. Er wettete gegen Lehman Brothers, nannte die Bank lange vor ihrem Zusammenbruch eine Gefahr für das Weltfinanzsystem, und wurde für seine Kritik an den von Ratingagenturen schöngerechneten toxischen Hypothekenanleihen belächelt, mit denen die Wall Street damals ein Vermögen verdiente. Ein Jahr später kam der große Crash. Und Einhorn machte Milliarden mit "The Big Short", der großen Wette gegen den Immobilienmarkt, während die Welt in die Finanzpanik stürzte.
Seine Kritik ist dennoch differenziert. Auch Einhorn erkennt das revolutionäre Potenzial, dass künstliche Intelligenz langfristig hat. Aber das ändert nichts daran, dass sich viele der KI-Infrastrukturinvestments womöglich kurzfristig kaum rechnen. "Die rohe technologische Power ist enorm", sagt auch der Digitalforscher Andrew McAfee vom MIT in der "New York Times". "Aber sie allein entscheidet nicht, wie schnell KI die Wirtschaft umkrempelt."
Die Billion-Dollar-Frage
Die Kluft zwischen Erwartungen und Realität sind noch weit gigantischer als bei der Dotcom-Bubble Ende der 90er Jahre. Schon damals überzogen Tech-Firmen die USA mit Glasfasernetzen in der Hoffnung, dass sich die Anwendungen später finden und das Internet schon irgendwie rechnen würde. Noch krasser sieht es heute beim KI-Boom aus: Die Wagniskapitalfirma Sequoia schätzte schon im vergangenen Jahr, dass Umsätze von 800 Milliarden Dollar nötig sein werden, damit sich allein die bisherigen Investments in Datenzentren aus den Jahren 2023 und 2024 rechnen. Die Beratungsfirma Bain hält dafür sogar Einnahmen von zwei Billionen Dollar jährlich aus KI für nötig - schon ab 2030. Das ist mehr als Apple, Amazon, Alphabet, Microsoft, Meta und Nvidia im letzten Jahr zusammen umgesetzt haben. Und mehr als das Fünffache des gesamten globalen Softwaremarkts.
Ein nüchterner Blick auf die tatsächlichen Zahlen zeigt, wie ambitioniert diese Wette ist. Insgesamt beliefen sich die Einnahmen aus KI-Produkten im vergangenen Jahr auf etwa 45 Milliarden Dollar, schätzt die Investmentbank Morgan Stanley. OpenAI etwa wird in diesem Jahr vermutlich gerade einmal 13 Milliarden Dollar von all seinen zahlenden Kunden einnehmen. Das ist zwar mehr als doppelt so viel wie noch im letzten Jahr. Aber dennoch bloß ein kleiner Bruchteil der KI-Investitionsausgaben. Zugleich plant die KI-Schmiede, Oracle etwa 60 Milliarden Dollar jährlich für den Betrieb seiner Datencenter zu zahlen. Abzüglich aller Kosten für Server, Software und Personal dürfte sich beim wertvollsten Startup der Welt schon jetzt ein fettes Minus ergeben.
Wie die Tech-Giganten diese gigantische Lücke zwischen KI-Investments und KI-Einnahmen schließen wollen, sei "die Billionen-Dollar-Frage", zitiert das "Wall Street Journal" einen Analysten. Bisher haben sie keinen Plan, wie sie die Rechenpower und Kreativkraft ihrer Modelle vermarkten sollen. ChatGPT ist zwar die am schnellsten wachsende App aller Zeiten und hat inzwischen wöchentlich etwa 700 Millionen User - fast ein Zehntel der gesamten Menschheit. Aber die weitaus meisten von ihnen nutzen die kostenlose Version. Ob und wie viel sie bereit sind zu zahlen, steht in den Sternen.
"Größer als alle bisherigen Tech-Blasen zusammen"
Wann genau ein derart gigantischer Investmenthype instabil wird, ist schwer zu sagen. "Nur weil viel Geld in einen bestimmten Teil der Wirtschaft fließt, macht es das noch lange nicht zu einer Blase", gibt Coreweave-Chef Michael Intrator zu bedenken. "Dahinter steckt eine gewaltige, breit gefächerte Nachfrage", sagt er zu den gigantischen Geldströmen, die in die KI gelenkt werden.
Doch es ist schwer von der Hand zu weisen, dass der KI-Boom viele Merkmale einer Blase hat, die bald platzen könnte. Der Ablauf ist immer gleich: Erst löst eine neue Erfindung eine Welle der Begeisterung aus. Investoren rechnen mit explodierendem Wachstum und überrennen förmlich den Markt. Es folgt ein spekulativer Rausch, mit dem massive Überkapazitäten geschaffen werden. Am Ende platzt die Blase, wenn sich die gigantischen Erwartungen nicht erfüllen und Investoren massive Verluste einfahren. So war es beim Bau der Eisenbahnen, der Stromnetze und auch des Internets. Herdentrieb und Profitgier schalten das Gehirn aus und verleiten Investoren dazu, Warnzeichen zu ignorieren.
Die gibt es längst auch beim KI-Wettrüsten. Studien zeigen, dass die hohen Erwartungen an KI-Anwendungen bislang alles andere als sicher sind. Laut einer Analyse des MIT können 95 Prozent aller befragten Organisationen keine messbare Rendite aus ihren KI-Investments ziehen. Selbst die 500 größten US-Firmen fürchten zwar kollektiv, die KI-Revolution zu verpassen. Aber abgesehen davon "scheinen nur wenige überzeugend darlegen zu können, welchen echten Mehrwert die Technologie bringt", schreibt die britische "Financial Times". Sie hat systematisch alle Pflichtveröffentlichungen der Konzerne an die US-Börsenaufsicht untersucht - mithilfe von KI.
Zudem gibt es anders als bei vielen früheren Infrastrukturblasen beim KI-Boom einen eingebauten Wertvernichter: technischen Fortschritt. Denn die verbauten KI-Chips von Nvidia werden mit jedem neuen Modell schneller und besser. Das ist zwar langfristig gut für die Rechenpower der KI-Schmieden. Aber es mindert den Wert jedes Datenzentrums, das heute gebaut wird und irgendwann in die Jahre kommt. Bis sie irgendwann wertlos sind - wie ein veralteter Laptop, den man stilllegt. "Das hier ist größer als alle früheren Tech-Blasen zusammen", warnt Roger McNamee, einer der Gründer der Tech-Investment-Firma Silver Lake im "WSJ". "Diese Branche kann so erfolgreich sein wie die erfolgreichsten Tech-Produkte aller Zeiten - und dennoch die derzeitigen Investitionssummen nicht rechtfertigen."
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