Sojaschnitzel, Tofuwürste und Veggieburger dürften am Mittwoch einen Moment lang ins Zentrum der europäischen Politik rücken. Ein Antrag der konservativen EVP-Fraktion, Heimat der CDU und CSU im EU-Parlament, fordert: Für vegetarische Produkte sollen nicht länger Begriffe erlaubt sein, die Verbraucher mit Schwein oder Rind verbinden.
„Ein Steak ist aus Fleisch gemacht“, sagt die französische EU-Parlamentarierin Céline Imart, Verhandlungsführerin in der Sache. „Punkt.“ Es gehe darum, Landwirte zu schützen und Konsumenten mehr Orientierung zu bieten. Sprich: zu verhindern, dass jemand aus Versehen ein Kohlrabischnitzel kauft, wenn er eigentlich ein Kalbsschnitzel will. „Pflanzliche Produkte“, meint Imart, „sollen ihren eigenen Namen haben.“
Die Idee stößt auf viel Widerstand, nach Informationen von WELT sogar innerhalb der EVP. Mehrere Abgeordnete halten – auch wenn sie in der Kennzeichnung einen Mehrwert für Verbraucher erkennen – die Debatte derzeit für nicht sinnvoll. Es gebe, meinen sie, dringendere Probleme in der europäischen Agrarpolitik.
Die anderen Fraktionen im EU-Parlament sind ohnehin gegen die Idee. „Europa sollte sich um die großen Fragen kümmern und nicht darum, ob ein Veggieburger ‚Burger‘ heißen darf“, sagt Svenja Hahn, Europaabgeordnete der FDP zu WELT. „Mit unnötiger Übergriffigkeit im Alltag verderben die Konservativen den Menschen den Appetit auf Europa.“
Auch aus der Wirtschaft kommt Kritik. Der Lebensmittelhersteller Rügenwalder Mühle etwa, der sehr erfolgreich auf die lukrativen Veggie-Produkte setzt, warnt: „Die kurzfristigen Umstellungskosten schätzen wir auf einen einstelligen mittleren Millionenbetrag“. Komme der Antrag der EVP durch, müssten Namen und Verpackungen von rund 60 Produkten geändert werden. Viele weitere Unternehmen, darunter Lidl, Aldi Süd und Burger King, lehnen den Vorstoß ebenfalls ab.
„Eine Wurst ist eine Wurst“
In dem Antrag der Abgeordneten Imart geht es um die Begriffe „Steak“, „Schnitzel“, „Hamburger“ und „Wurst“. Sie sollen nur noch für Lebensmittel tierischen Ursprungs verwendet werden. Am Mittwoch plant das Parlament in Straßburg über den Vorschlag abzustimmen. Damit ein Verbot endgültig wird, muss aber auch eine Mehrheit der EU-Staaten dafür sein. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) signalisierte schon Unterstützung. „Eine Wurst ist eine Wurst“, sagte er kürzlich. „Wurst ist nicht vegan.“
Es ist möglich, dass viele Produkte umbenannt werden müssen, der Veggieburger zum Beispiel könnte schon bald „Gemüsebratling“ heißen, das Schnitzel „pflanzliches Produkt auf Erbsenbasis“. Deutschland wäre davon wohl besonders stark betroffen, der Markt für pflanzliche Fleischalternativen umfasst der Lobby-Organisation Good Food Institute zufolge 760 Millionen Euro und ist der größte in der EU.
Vielleicht scheitert Imart mit ihrem Antrag aber auch – denn mehrere EVP-Abgeordnete, hört man, dürften dagegen stimmen. Teile der Fraktion halten andere Themen für wichtiger. Etwa den Abbau von Bürokratie, die Förderung kleinerer Höfe und die Verhandlungen um den neuen siebenjährigen Haushalt der EU, in denen es auch um Agrarsubventionen in Höhe von Hunderten Milliarden Euro geht.
All das weckt Erinnerungen an eine Debatte aus dem Jahr 2017. Damals ging es um die Frage, was man „Milch“ nennen darf. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschied: Die Begriffe „Milch“, „Joghurt“ und „Butter“ dürfen nur verwendet werden für Erzeugnisse „der normalen Eutersekretion“, gewonnen durch „ein- oder mehrmaliges Melken“. Anders formuliert: Nach den Regeln der EU kommt Milch von Kühen, Ziegen oder Schafen – aber nicht etwa aus Mandeln oder Soja.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.
Stefan Beutelsbacher ist Korrespondent in Brüssel. Er berichtet über die Wirtschafts-, Handels- und Klimapolitik der EU. Zuvor war er US-Korrespondent in New York.
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