Der deutsche Luftverkehrsmarkt sei "kaputt", sagt der für Deutschland zuständige Ryanair-Manager Marcel Pouchain Meyer im Interview mit ntv.de. Die Verantwortung dafür trage die Bundesregierung. Die Airline werde sich weiter aus Deutschland zurückziehen, wenn sich nicht "strukturell" etwas ändere.

Der deutsche Luftverkehrsmarkt sei "kaputt", sagt der für Deutschland zuständige Ryanair-Manager Marcel Pouchain Meyer im Interview mit ntv.de. Die Verantwortung dafür trage die Bundesregierung. Die Airline werde sich weiter aus Deutschland zurückziehen, wenn sich nicht "strukturell" etwas ändere.

ntv.de: Sie hatten im Frühjahr der damals neuen Bundesregierung ein Angebot gemacht: Die Luftverkehrssteuer solle weg, andere Gebühren sollten massiv gesenkt werden. Dann würde Ryanair sein Angebot in Deutschland verdoppeln. Die Bundesregierung hat sich nicht bewegt. Nun kürzen Sie ihren Winterflugplan in Deutschland massiv zusammen. Ist das Ihre Rache?

Marcel Pouchain Meyer: Das ist ganz einfach das Resultat der deutschen Untätigkeit. Wir haben in unserem Netzwerk in Europa 230 Flughäfen mit 95 Basen. Wir schauen darauf, wo wir die höchste Rentabilität erzielen. Deutschland liegt da ganz weit hinten. Wir haben klar gesagt: Wir möchten gerne wachsen in Deutschland, aber die Voraussetzungen, die wir beschrieben haben, sind nicht gegeben. Die Kürzungen sind die Folge davon.

Was genau haben Sie vor?

Wir werden im Winter den Flugplan für den Großteil der deutschen Flughäfen, an denen wir präsent sind, signifikant reduzieren - aufgrund der Kosten. Details geben wir kommende Woche bekannt. Wenn sich strukturell nichts ändert, wird das im kommenden Jahr weiter so gehen. Wir haben in Deutschland momentan 31 Flugzeuge stationiert, darunter sieben in Weeze, sieben in Berlin und weitere in Köln, Memmingen, Karlsruhe, Hahn und Nürnberg. Gegebenenfalls werden also auch weitere Flugzeuge aus dem Markt rausgenommen und in anderen Ländern mit niedrigeren Kostenstrukturen platziert.


Streichen Sie Verbindungen, weil sie wirklich unprofitabel sind, oder geht es hier um einen Standortwettbewerb, bei dem Sie die verschiedenen Märkte gegeneinander ausspielen?

Ryanair ist in der luxuriösen Position, dass wir "movable assets" haben: Das heißt, unsere Vermögenswerte in Form von Flugzeugen sind beweglich. Als Wirtschaftsunternehmen gucken wir natürlich, wo es am meisten Sinn ergibt, diese Assets einzusetzen. Wir schauen, welche Regierung offen dafür ist, Tourismus zu fördern und unsere Wachstumspläne zu unterstützen. Aber ich möchte hier noch einmal betonen, dass wir mit den Forderungen, die wir an Deutschland stellen, und den Konsequenzen, die wir ziehen, ja nicht allein sind. Das sieht die ganze Branche ähnlich. Der deutsche Luftverkehrsmarkt ist kaputt.

An manchen deutschen Standorten sind die Bedingungen für Ryanair offenbar gut und die Kosten trotz Luftverkehrssteuer nicht zu hoch. An einigen Flughäfen haben Sie ihre Präsenz zuletzt ausgebaut, Lübeck sogar wieder neu in den Flugplan aufgenommen. Hat also der Standort Deutschland insgesamt ein Problem oder vielmehr die einzelnen Flughäfen, die für Sie zu teuer sind?

Die Beobachtung, dass das Kostenproblem von Flughafen zu Flughafen unterschiedlich ist, ist richtig. Dennoch ist es primär ein Problem mit dem Standort Deutschland – eben mit Ausnahme von einigen regionalen, sehr wettbewerbsfähigen Airports. Aus unserer Perspektive gibt es drei entscheidende Kostenblöcke: die Luftverkehrssteuer, die wir für jeden abfliegenden Passagier bezahlen müssen, die Flugsicherungsgebühren, die pro Passagier anfallen, und die Flughafenentgelte. Beim letzten Punkt können die Flughäfen am meisten tun, um Airlines als Kunden zu gewinnen. Ein gutes Beispiel ist Lübeck. Dort sind wir seit diesem Jahr wieder präsent und erweitern unsere Routen auch für den Winter noch einmal, weil es gut läuft. Aber selbst der Flughafen Lübeck schafft es mit schlanken und effizienten Strukturen gerade eben, die Kosten auf dem Niveau von vergleichbaren Flughäfen im Ausland zu halten - während die meisten deutschen Airports weit darüber liegen und zu einem großen Teil nicht wettbewerbsfähig sind.

Die schwarz-rote Koalition hat vereinbart, zumindest die letzte Erhöhung der Luftverkehrssteuer zurückzunehmen. Ihre Forderungen gehen zwar sehr viel weiter, aber wäre das für Sie schon ein spürbarer Fortschritt, wenn dieser Punkt aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt würde?

Das wäre ein positiver Schritt, den wir begrüßen würden. Aber die Auswirkungen wären klein. Wir fordern die komplette Abschaffung der Steuer, die in Deutschland europaweit am zweithöchsten ist und die es in vielen anderen Ländern überhaupt nicht gibt. Im Durchschnitt kosten unsere Tickets in Europa ungefähr 50 Euro. In Deutschland kann das gar nicht funktionieren: Pro Passagier zahlen wir 15,53 Euro Steuer, dazu kommen 2,22 € Flugsicherungsgebühr. Dann müssen wir Flughafenentgelte, Start- und Landegebühr etc. dazurechnen, die auch noch mal 20 bis 30 Euro kosten. Die Deutschen zahlen schon jetzt die höchsten Ticketpreise in ganz Europa. Wenn wir uns zurückziehen und das Monopol der Lufthansa größer wird, steigen die Preise, bis sich fast niemand mehr leisten kann, zu fliegen.

Wie erklären Sie einem Steuerzahler, dass ein hochprofitables Unternehmen wie Ryanair auf seine Kosten unterstützt werden soll?

Es geht doch nicht nur um Ryanair! Die Forderung nach Abschaffung der Luftverkehrssteuer und Absenkung der Flugsicherungsgebühren wird von ganz vielen geteilt, nicht nur in der Luftfahrt, sondern auch von der Tourismusbranche. Es geht um die wirtschaftliche Perspektive ganzer Regionen. Was speziell Ryanair angeht: Wir sind die größte Airline Europas und können mit unseren Kapazitäten Tourismus beispielsweise auch in kleinere Städte bringen und dadurch einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten - natürlich auch von Regionen und großen Städten, in denen der Tourismus seit Corona eingebrochen ist. Am Berliner Flughafen hat mir ein Taxifahrer gesagt, dass er fünf Stunden auf einen Fahrgast gewartet hat. Der Tourismus leidet. Warum? Weil es kaum noch Verbindungen gibt. Das Passagieraufkommen am BER - liegt immer noch 29 Prozent unter Vorkrisenniveau. An anderen großen Airports wie München und Frankfurt sieht es nicht besser aus. Keine andere Airline kann diesen Flughäfen vergleichbares Wachstum bringen wie Ryanair, weil keine andere Airline so viele Flugzeuge bekommt wie wir. Aber diese Flugzeuge setzen wir natürlich da ein, wo wir am meisten Gewinn einfliegen können. Die Flughäfen in Deutschland, die ein positives Wachstum nach Covid vorweisen können, sind in der Regel Ryanair-Flughäfen. Darunter Karlsruhe/Baden-Baden, Düsseldorf Weeze oder Nürnberg.

Mit Marcel Pouchain Meyer sprach Max Borowski

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