Wer dieser Tage Gold sein Eigentum nennt, kann sich freuen. Der Preis je Feinunze ist seit Jahresbeginn in Euro um mehr als 40 Prozent gestiegen, in Dollar sogar um annähernd 70 Prozent. Da wäre es umso ärgerlicher, wenn der Schatz nicht mehr vollständig ist – erst recht, wenn man den zweitgrößten Goldschatz der Welt sein Eigen nennt. So dachte diese Woche offenbar auch der CSU-Politiker Stephan Mayer.
Er forderte Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) mit Verweis auf die unvorhersehbare politische Situation in den Vereinigten Staaten auf, seine „aktuelle USA-Reise gleich zu nutzen, um das deutsche Gold zu überprüfen“. Rund ein Drittel der 3350 Tonnen des Edelmetalls lagern bei der US-Notenbank in New York, die Hälfte in Frankfurt am Main, der Rest in London.
Die für die Aufbewahrung der Barren zuständige Bundesbank gab nun von höchster Stelle Entwarnung. „Wir führen regelmäßige Inspektionen durch bei den Kollegen der amerikanischen Notenbank in New York“, versicherte Präsident Joachim Nagel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Klingbeil am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in Washington. „Es ist vorhanden, es ist echt und es ist in vollständiger Übereinstimmung mit dem, was wir in unseren Büchern haben“, sagte er. Alle könnten beruhigt sein.
Diese Klarstellung war Nagel offenbar wichtig. Er wiederholte sie kurz darauf noch einmal. Ihm sei überhaupt nicht unwohl, sagte er. Die Lagerbedingungen bei der amerikanischen Notenbank seien exzellent. Das Gold werde dort bleiben, wo es sei. „Da geht es auch um Risikostreuung.“ Nämlich das Gold in unterschiedlichen Währungsräumen zu wissen.
Mit Risikostreuung erklärt sich die Bundesbank auch den rasanten Anstieg des Goldpreises in den vergangenen Tagen. Sechs Handelstage infolge ist der Preis nun gestiegen, in dieser Form gab es das zuletzt im September 2008. Es war die Zeit, als sich die internationalen Kapitalmärkte durch die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers in einem Ausnahmezustand befanden. Größere institutionelle Investoren, auch Notenbanken, würden ihre Währungsreserven „stärker diversifizieren“, sagte Nagel. Beunruhigt sei er deshalb nicht. Ab welchem Unzenpreis sich das bei ihm ändere, könne er nicht sagen.
Die Verunsicherung an den Kapitalmärkten ist in den Tagen von Washington, in denen Finanzminister und Notenbankchefs aus aller Welt zusammenkamen, nicht kleiner geworden. Die internationalen Handelskonflikte und geopolitischen Spannungen dominierten die Gespräche, hinzu kam gegen Ende die Furcht der Anleger vor einer neuen Bankenkrise.
Schlechte Nachrichten von einigen US-Regionalbanken hatten für fallende Kurse von Bankaktien gesorgt, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Europa. Auslöser war die Sorge vor unentdeckten Kreditrisiken in den Büchern von Banken, nachdem zwei Insolvenzen in der Automobilindustrie zu Problemen bei kleineren Instituten geführt hatten.
„Das hat jetzt nicht das Potenzial für große Ansteckungseffekte“, sagte Nagel. Es komme möglicherweise aber zum richtigen Zeitpunkt, um deutlich zu machen, dass man bei Banken immer aufmerksam bleiben müsse. Die Turbulenzen könnten ein Augenöffner für all jene sein, die nach einer laxeren Regulierung des Bankensektors riefen, um leichter Kredite vergeben zu können und so die Wirtschaft zu stärken. In den Vereinigten Staaten gibt es entsprechende Pläne. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte sich zuletzt in diese Richtung geäußert.
Klingbeil will Regeln für Banken nicht lockern
„Man sieht, was passiert, wenn sich Banken über Kreditfonds und über Bankkredite und Unternehmen entsprechend hohe Exposure reinholen“, sagte Nagel. Über die Regulierungsanstrengungen der vergangenen Jahre sei viel erreicht worden. Die europäischen Banken seien deutlich robuster und krisenfester aufgestellt. „Es wäre geradezu aberwitzig, wenn wir das in irgendeiner Form aufgeben würden“, sagte Nagel.
Auch Finanzminister Klingbeil äußerte sich zu der Frage, ob man als Reaktion auf die US-Pläne nicht auch für Banken in Europa die Vorgaben lockern müsse. „Den amerikanischen Weg werden wir da sicherlich nicht gehen.“ Es müsse eher darum gehen, die Bürokratie im Finanzbereich zu reduzieren.
An mehr Mitteln für Investitionen hat Klingbeil ein großes Interesse. In Washington hatte er unter anderem vor einer Gruppe internationaler Investoren für ein stärkeres Engagement am Standort Deutschland geworben. Investitionen in Europa sind für ausländische Geldgeber allerdings oft kompliziert und teuer, da der Kapitalmarkt sehr zersplittert ist – anders als der amerikanische.
Klingbeil bekräftigte das Ziel, nach jahrelangen Diskussionen die Kapitalmarktunion in der EU endlich zu verwirklichen und so Hürden abzubauen. „Wir können da nicht mehr lange drauf warten“, sagte er. In den Verhandlungen müssten alle Länder bereit sein, sich zu bewegen und nicht länger nationale Interessen nach vorn zu stellen. An welcher Stelle Deutschland bereit ist, sich zu bewegen, werde in der Regierung besprochen. Eine europäische Superbörse, auch diese hatte Merz angesprochen, sei auch aus seiner Sicht „sicherlich ein sinnvoller Schritt, wenn es darum geht, die Kapitalmarktunion voranzubringen“. Das sei am Ende allerdings eine unternehmerische Entscheidung.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.
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