EU-Politiker und Wirtschaftsvertreter kritisieren die langsame Umsetzung des Draghi-Reports. „Der Bericht wurde zur Kenntnis genommen und mehr oder weniger abgeheftet“, sagte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, WELT AM SONNTAG. „Brüssel schreibt gerne Reports und Roadmaps, aber ein strukturiertes Arbeiten an der europäischen Wettbewerbsfähigkeit findet bisher nicht ausreichend statt“.

Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank und italienische Ministerpräsident Mario Draghi hatte vor rund einem Jahr eine große Analyse zur wirtschaftlichen Lage der EU vorgelegt und darin unter anderem den Abbau von Bürokratie und Investitionen in Milliardenhöhe gefordert.

Doch dem „Draghi-Tracker“ der Brüsseler Initiative Joint European Disruptive Initiative (JEDI) zufolge setzte die EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen bisher keine einzige Idee aus dem Bericht um. Immerhin 15 Prozent der Vorschläge sind laut JEDI auf dem Weg dorthin, aber 40 Prozent machen kaum Fortschritte, und der Rest – 45 Prozent – wird nicht einmal diskutiert.

„Der Draghi-Bericht verstaubt in Ursula von der Leyens Reden“, sagte Svenja Hahn, eine EU-Abgeordnete der FDP, WELT AM SONNTAG. „Und Europa bleibt im Bürokratiestau stecken.“ Statt Deregulierung und mehr Marktwirtschaft gebe es immer neue Vorschriften und planwirtschaftliches Mikromanagement. Vereinfachungen wie jene des Lieferkettengesetzes kämen kaum voran und drohten zum Symbol europäischer Reformunfähigkeit zu werden.

Vor Draghi hatte schon Enrico Letta, ebenfalls einst Ministerpräsident Italiens, einen Bericht für Brüssel erstellt. Der Report analysierte den Zustand des Binnenmarkts – und ist heute auch nur noch wenig im Gespräch.

„In Brüssel werden viele Berichte geschrieben, kaum einer bewirkt etwas“, sagte Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrats der CDU, eines der Partei nahestehenden Verbands, WELT AM SONNTAG. „Draghi kommt bei meinen Treffen hier immer mal wieder zur Sprache, Letta scheint vergessen.“

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