Bund, Länder und Gemeinden können in den nächsten Jahren mit deutlich höheren Steuereinnahmen rechnen als noch im Mai erwartet. Der Arbeitskreis Steuerschätzung legte am Donnerstag seine Prognose für die Jahre 2025 bis 2029 vor. Demnach sind für den Gesamtstaat in diesem Fünf-Jahres-Zeitraum 33,6 Milliarden Euro mehr zu erwarten. Der Bund kann demnach in diesem Zeitraum unter dem Strich aber nicht mit mehr Geld rechnen. Etwas höhere Einnahmen in den Jahren 2025 bis 2027 halten sich die Waage mit erwarteten Mindereinnahmen 2028 und 2029.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil wertete das Ergebnis als Beleg für die Regierungspolitik, pochte aber auf weiter bestehendem Spardruck. „Was wir tun, wirkt“, sagte der SPD-Politiker in Berlin. „Unser Investitionspaket ist ein starker Impuls für neues Wirtschaftswachstum.“ Dies sei aber kein Grund, sich zurückzulehnen. „Der Konsolidierungsdruck im Bundeshaushalt bleibt hoch. Wir werden mit Blick auf die Haushaltslücken ab 2027 weiterhin einen strikten Konsolidierungskurs fahren: Alle Ministerien bleiben gefordert, Einsparungen vorzunehmen.“
Der SPD-Chef steht vor einer Mammutaufgabe: Er muss seinen Kabinettskollegen klarmachen, dass sie trotz einmaliger Schuldenspielräume kein Geld für Wunschprojekte haben. Denn in Klingbeils Planung für die Jahre 2027 bis 2029 fehlen 172 Milliarden Euro. Es ist die größte Haushaltslücke, die es in der Geschichte der Bundesrepublik je gab – größer als zu Zeiten der Wiedervereinigung, der Finanz- oder der Coronakrise. Und das, obwohl Klingbeil in den nächsten Jahren in bestimmten Bereichen fast unbegrenzt Kredite aufnehmen darf.
Das sagen die Schätzer genau voraus
Die Steuerschätzer, das sind Experten der Bundesregierung, der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats sowie der Länder und Kommunen. Sie sagen zweimal im Jahr voraus, wie sich die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen entwickeln.
Für das kommende Jahr erwarten sie für den Gesamtstaat 10,6 Milliarden Euro mehr Einnahmen als noch im Mai. Bis einschließlich 2029 sollen 33,6 Milliarden mehr hereinkommen. Vor allem profitieren davon allerdings Länder und Kommunen. Der Bund kann für das kommende Jahr zwar noch mit 4,9 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen rechnen. Für 2028 und 2029 ist dafür dann aber deutlich weniger vorhergesagt als bisher gedacht. „Der Bund trägt ganz überwiegend die Kosten des Wachstumsboosters, mit dem wir die Wirtschaft ankurbeln. Deshalb profitiert der Bund wenig von zusätzlichen Steuereinnahmen“, erläuterte Klingbeil.
Dass es insgesamt einigermaßen positiv aussieht, liegt vor allem an den Konjunkturerwartungen. Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Wirtschaft nach jahrelanger Flaute erst einmal wieder anzieht und ihre Unterstützungsmaßnahmen wirken. Das sind zum Beispiel großzügigere Abschreibungsregeln für Firmen, die in Deutschland investieren. Auch die geplanten Investitionen aus dem schuldenfinanzierten Milliarden-Sondervermögen sollen die Wirtschaft ankurbeln. Eine bessere Konjunktur bedeutet automatisch höhere Steuereinnahmen. Allerdings ist die Langfrist-Erwartung offenbar nicht so positiv.
Mit diesen Zahlen muss der Finanzminister seine Etatplanung machen. Der Haushalt für das kommende Jahr ist schon mehr oder weniger unter Dach und Fach: Aktuell beraten die Ausschüsse des Bundestags, Ende November soll er beschlossen werden.
Übergroße Lücken gibt es nicht. Eventuell könnte der Spielraum noch etwas größer werden, wenn Klingbeil Ausgabenreste von diesem Jahr ins nächste retten kann. Denn aus dem nur drei Monate geltenden Haushalt 2025 dürften einige Milliarden übrigbleiben, weil die Ministerien es nicht schaffen, das Geld rechtzeitig auszugeben.
Warum es weiter enormen Spardruck gibt
Das liegt vor allem an den Problemhaushalten 2027 bis 2029. Denn Klingbeil hat zwar neue Schuldenspielräume und plant in dieser Wahlperiode neue Kredite von mehr als 860 Milliarden Euro. Aber die neuen Möglichkeiten gelten nur für die Verteidigung und zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz. Im übrigen Kernhaushalt gilt weiter die Schuldenbremse. Das heißt: Die Ausgaben dürfen die Einnahmen nur wenig überschreiten.
In Klingbeils Finanzplanung tun sie das aber deutlich: Für 2027 stand bisher eine Lücke von 34,2 Milliarden Euro zu Buche. Hier bringt die Steuerschätzung jetzt eine Mini-Entlastung von einer Milliarde Euro.
Für den Rest der Legislaturperiode sieht es nach der Steuerschätzung noch düsterer aus – die Einnahmen liegen unter den bisherigen Erwartungen. Dazu kommt, dass der schuldenfinanzierte Sondertopf für die Bundeswehr aufgebraucht sein dürfte und Schulden aus der Corona-Zeit zurückgezahlt werden müssen.
Für 2027 wollen die Chefs der Koalitionsparteien – neben Klingbeil also Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) – „um den Jahreswechsel“ ein Sparpaket vorlegen. Aktuell werden Ideen gesammelt. Möglich sind Kürzungen von Subventionen und Förderprogrammen, debattiert wird auch eine höhere Erbschaftsteuer, deren Einnahmen allerdings an die Länder fließen.
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