Die USA und die EU verschärfen die Sanktionen gegen Russland. Wirtschaftsanwalt Winkler befürchtet jedoch, dass die Maßnahmen nicht nur wirkungslos bleiben, sondern auch Putins Propaganda stärken könnten. Ein EU-Plan steht zudem wegen rechtlicher Bedenken in der Kritik.
US-Präsident Donald Trump hatte sich monatelang mit der Einführung neuer Sanktionen gegen Russland schwergetan. Jetzt ist ihm der Geduldsfaden gerissen: Die USA haben Maßnahmen gegen die größten russischen Ölkonzerne Rosneft und Lukoil angekündigt. Gleichzeitig haben sich die EU-Staaten auf eine weitreichende Verschärfung der Sanktionen gegen Russland verständigt. Von einem harten Doppelschlag gegen Putin aus Washington und Brüssel kann nach Einschätzung des Sanktionsexperten und Wirtschaftsanwalts Victor Winkler allerdings keine Rede sein. "Vor allem bei den US-Sanktionen handelt es sich aus meiner Sicht um eine sehr enttäuschende Maßnahmenkette. Ich glaube, sie wird weitgehend wirkungslos bleiben", sagte Winkler ntv.
Die US-Sanktionen verbieten nach Angaben des Finanzministeriums in der Praxis jede wirtschaftliche Interaktion mit Rosneft, Lukoil und ihren Tochterfirmen. Alle Vermögenswerte der betroffenen Firmen in den USA oder im Besitz von amerikanischen Staatsbürgern werden eingefroren.
Auch Firmen, die mindestens zur Hälfte den sanktionierten Unternehmen gehören, werden automatisch blockiert. US-Firmen und -Bürger dürfen ohne ausdrückliche Genehmigung keine Geschäfte mehr mit den Unternehmen tätigen. Verstöße gegen diese Auflagen können rechtlich geahndet werden - selbst dann, wenn sie unbeabsichtigt erfolgen.
Aus Sicht von Winkler zünden all diese Maßnahmen nicht, weil weiterhin chinesische und indische Käufer von russischem Rohöl nicht sanktioniert werden. Laut UN-Angaben haben im vergangenen Jahr diese beiden Länder Ölgeschäfte in Höhe von 200 Milliarden US-Dollar mit Russland gemacht.
"Und das ist gefährlich für uns alle"
Analysten vermuten, dass Moskau nun möglicherweise verstärkt auf seine sogenannte Schattenflotte zurückgreifen wird, um die Strafmaßnahmen zu umschiffen. Russlandexperte Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche gibt auf Anfrage von ntv.de zu bedenken, die neuen US-Sanktionen seien derzeit zwar ein ziemlicher Schock für die Russen. "Die Erfahrung zeigt aber, dass im Laufe der kommenden Monate Wege gefunden werden, um diese Sanktionen zu umgehen." Denkbar sei zum Beispiel, dass neue Scheinfirmen gegründet werden, die nicht unter Sanktionen stehen. "Billiges russisches Öl ist weiterhin attraktiv für Länder wie China und Indien, und sie werden alles versuchen, um diese Lieferungen aufrechtzuerhalten."
Die beiden größten verbleibenden Kunden für russisches Öl, Indien und China, scheinen derweil erste Konsequenzen zu ziehen. Insidern zufolge haben chinesische staatliche Ölkonzerne den Kauf von russischem Öl auf dem Seeweg ausgesetzt. Die chinesischen Ölkonzerne PetroChina, Sinopec, CNOOC und Zhenhua Oil würden aus Sorge vor Sanktionen zumindest kurzfristig auf den Handel mit russischem Öl auf dem Seeweg verzichten, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen. Zuvor hatten bereits Raffinerien in Indien angekündigt, ihre Rohölimporte aus Moskau drastisch reduzieren zu wollen.
Durch die Sanktionen ist Wirtschaftsanwalt Winkler zufolge allerdings bei Weitem nicht erkennbar, dass der Ukraine-Krieg beendet wird. Sorgen bereite ihm zudem, dass die Bevölkerung das tatsächliche Opfer der Sanktionen wird. "Und das ist gefährlich für uns alle, denn es schafft weiter Futter für Putins Propaganda. Damit erreichen wir ein Stück weit ungewollt genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen."
"Rechtswidrig und ein Verstoß gegen das Völkerrecht"
Die Pläne der EU sehen derweil unter anderem vor, Russlands Einnahmen aus dem Verkauf von Gas und Öl weiter zu reduzieren. Dazu soll ein vollständiges Importverbot von Flüssigerdgas (LNG) aus Russland 2027 in Kraft treten und damit ein Jahr früher als ursprünglich geplant. Zudem sind auch weitere Strafmaßnahmen im Finanzsektor und Handelsbereich sowie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit russischer Diplomaten innerhalb der EU vorgesehen. Unter anderem sollen 140 Milliarden Euro der russischen Zentralbank als Absicherung für Reparationsdarlehen für die Ukraine genutzt werden. Der Haken: Besonders Belgien, wo der überwiegende Teil der russischen Gelder liegt, hat ein paar ernstzunehmende Einwendungen.
Winkler sieht keine solide Lösung für das Problem. "Es wäre hart rechtswidrig und ein Verstoß gegen das Völkerrecht, dies zu tun. Die Bedenken Belgiens sind absolut berechtigt", sagt der Sanktionsexperte. Man müsse sich auch und gerade gegenüber Russland an das Völkerrecht halten. Und dieses verbiete nun mal die Verwendung dieser Gelder.
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