Jubelstürme brechen aus, als Elon Musk auf die Bühne läuft. „Elon, Elon“-Sprechchöre schallen dem Tesla-Chef entgegen, als er vor die Investoren bei der Hauptversammlung im texanischen Austin tritt. Viele der Gäste in der abgedunkelten Halle recken die Faust in die Höhe, einer schreit „Yee-haw“ und schwingt seinen Cowboy-Hut durch die Luft.
Musk, der in schwarzer Jeans und Tesla-Werksjacke gekommen ist, setzt zum Sprechen an, bricht dann aber ab und führt stattdessen ein kurzes Tänzchen auf – ein humanoider Tesla-Roboter, der neben ihm auf der Bühne steht, tanzt mit. „Ich werde jetzt ein paar Dinge sagen, die ich wahrscheinlich nicht sagen sollte“, beginnt Musk und kichert. „Auf anderen Hauptversammlungen schlafen sie wahrscheinlich ein“, ruft er seinen Geldgebern entgegen. „Diese hier ist ein Banger.“
Musk hat allen Grund zur Freude. Der 54-Jährige bekommt nun die Aussicht auf ein Aktienpaket im Wert von einer Billion Dollar. Mehr als 75 Prozent der Aktionäre stimmten für den Vergütungsplan, bei dem das Unternehmen verschiedene Ziele erfüllen muss, damit Musk die Aktien bekommt. Gleichzeitig sichert sich Musk seinen Einfluss im Unternehmen in den nächsten Jahren ab.
Die Rede, die Musk auf der Bühne kurz nach der Abstimmung hält, wirkt etwas wirr. Seine bevorstehende Ausschüttung und auch politische Themen, die er sonst gerne anspricht, spielen dabei keine Rolle. Stattdessen spricht der Firmenchef von Buchempfehlungen zu Science-Fiction-Romanen, davon Regenwälder erhalten zu wollen, vergleicht dann Elektroautos mit Katzen. Schließlich geht er über zu den Zukunftsszenarien, die ihm vorschweben: „Durch Robotik und Künstliche Intelligenz können wir die gesamte Weltwirtschaft um den Faktor 10 bis 100 vergrößern“, prophezeit Musk. „Wer weiß, vielleicht gibt es gar kein Geld mehr in der Zukunft“, sagt er und lacht. „Ich denke, was ich eigentlich sagen will: Haltet eure Tesla-Aktien.“
Bereits heute ist Musk der reichste Mann der Welt. Das Vermögen des in Südafrika geborenen Unternehmers, der überwiegend in Texas lebt, beläuft sich Schätzungen zufolge auf annähernd 500 Milliarden US-Dollar. Ob vor dieser Summe demnächst sogar noch eine Eins zusätzlich steht, macht da keinen Unterschied, es ist zu viel Geld, um es je auszugeben – könnte man meinen.
Doch Musk sieht das offenbar anders. Entsprechend angespannt war die Stimmung vor der Hauptversammlung. Denn der Vorstand hat mit seinem Abgang gedroht, sollte nicht für das Aktienpaket gestimmt werden, das ihm Sage und Schreibe eine Billion US-Dollar zusichert – die wohl höchste Aktientransaktion aller Zeiten.
Die Musk-Kritiker gehen unter
Bereits vor einigen Wochen warnte die Vorstandsvorsitzende Robyn Denholm die Aktionäre in einem Brief, dass Musk das Unternehmen verlassen könnte, falls sie dem Plan auf der Tesla-Hauptversammlung nicht zustimmen würden. Es gehe darum, ob die Aktionäre weiterhin „Elon als Teslas CEO behalten und ihn motivieren“ wollen, Tesla „zum führenden Anbieter autonomer Lösungen und zum wertvollsten Unternehmen der Welt“ zu machen.
Die Debatte um das Aktienpaket ist nicht das Einzige, was im Vorfeld für angespannte Stimmung unter den Aktionären und im Unternehmen sorgte. Elon Musks – mittlerweile beendete – Chefberatertätigkeit für US-Präsident Donald Trump, die in Teilen als rechtswidrig erklärt wurde, und seine Ausfälle auf „X“ stoßen vielen bei Tesla bitter auf. Auch das Ansehen des Unternehmens hat stark gelitten. Viele Tesla-Besitzer in den USA haben sich einen Button mit der Aufschrift „I bought this before Elon went crazy“ auf das Heck geklebt.
Während die Verkaufszahlen in der ersten Jahreshälfte rückläufig waren – genauso wie im Jahr 2024 – und der Marktanteil vor allem in Europa eingebrochen ist, hat sich das Unternehmen wieder gefangen. „Das letzte Jahr war kritisch“, sagt Robyn Denholm, die Vorsitzende des Verwaltungsrates auf der Hauptversammlung.
Mit einem Umsatz von 28,1 Milliarden Dollar im dritten Quartal 2025 steht hingegen ein Rekord in den Büchern. Mit 497.099 verkauften Fahrzeugen erzielte der Hersteller das beste Quartal seiner Unternehmensgeschichte. Dabei spielten allerdings auch äußere Faktoren eine Rolle. Analysten wie der Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer sehen vor allen die auslaufenden US-Subventionen für den Kauf von Elektroautos als Grund. Bis Oktober konnten sich Neukunden in den USA über eine Steuergutschrift von 7500 Dollar freuen.
Auch der Aktienkurs hat sich nach den Einbrüchen im ersten Halbjahr weitgehend erholt. Dennoch steht das Unternehmen heute schlechter da als vor einem Jahr. Am Morgen der Hauptversammlung ist der Börsenkurs leicht abgefallen: um 3,4 Prozent auf 446 US-Dollar Nennwert. Was außerdem für Verärgerung im Vorfeld gesorgt hatte: Der Vorstand hatte beschlossen, elf Aktionärsanträge nicht auf die Tagesordnung zu nehmen, die sich mit Rechenschaftspflichten und Nachhaltigkeit befassen.
Tatsächlich ist das Aktienpaket für Musk an Bedingungen geknüpft. Um die volle Auszahlung zu erhalten, müssen eine Reihe ehrgeiziger Ziele erreicht werden. Laut US-Börsenaufsicht SEC müssen dafür die Marktkapitalisierung von Tesla bis 2035 auf 8,5 Billionen Dollar steigen und jährlich zwölf Millionen Fahrzeuge verkauft werden.
Noch ambitionierter sind zwei weitere Punkte: Eine Million selbstfahrende Robotaxis sollen in den Einsatz gebracht werden – bislang sind es nur eine Handvoll zugelassener Wagen in Texas – und eine Million sogenannter AI-Bots produziert werden. Die humanoiden Allzweckroboter sollen Menschen im Haushalt und in Fabriken und anderen Unternehmen Arbeitsschritte abnehmen. „Sie werden sehr erschwinglich sein“, so Musk in Austin. In der Massenproduktion würden die Stückkosten auf rund 20.000 Dollar sinken.
Laut Teslas Unterlagen bei der US-Börsenaufsicht SEC gehört dazu, die Marktkapitalisierung von Tesla bis 2035 auf 8,5 Billionen Dollar zu erhöhen, jährlich zwölf Millionen Fahrzeuge zu verkaufen, eine Million Robotaxis in den Einsatz zu bringen und eine Million „AI-Bots“ zu produzieren. Wenn ihm das gelingt, würde sein Anteil am Unternehmen von 13 Prozent auf mindestens 25 Prozent steigen.
Einige der stimmberechtigten Investoren, etwa der norwegische Staatsfonds, hatten die Ausschüttung strikt abgelehnt und die Aktionäre aufgefordert, den Vorschlag abzulehnen. Mit einem Anteil von 1,1 Prozent gehören die Norweger zu den zehn größten Aktionären von Tesla. Die Sorge: Mit Ausschüttung der gigantischen Summe würden Musk übermäßige Macht bei zu geringer Kontrolle eingeräumt werden. Schon im Vorfeld eskalierte der Streit deshalb. Musk sprach während einer Telefonkonferenz von „corporate terrorists“, also von „Unternehmens-Terroristen“.
Musks Vorstoß sei „ungeheuerlich“, sagt ein Aktionär
Ihm geht es dabei nicht nur um die eigene Bereicherung: Während der Autohersteller immer tiefer in die Bereiche Robotik und KI vordringt, ging es Musk auch darum, dass die Aktionäre einer Investition in sein 2023 gegründetes KI-Start-up xAI zustimmen. Das Unternehmen, das den in X integrierten Chatbot Grok entwickelt, hat in mehreren Finanzierungsrunden über zwölf Milliarden Dollar eingeworben.
Einige der Tesla-Investoren fremdeln aber mit der Firma, wollen keine Verflechtung der Einheiten. „Es bestehen bereits erhebliche Interessenkonflikte aufgrund von Musks Rollen bei anderen Unternehmen wie xAI“, sagte beispielsweise Kevin Thomas, Geschäftsführer der Shareholder Association for Research and Education, gegenüber „Business Insider“.
Auch während der Hauptversammlung sind die kritischen Stimmen zu hören. „Tesla muss wieder eine demokratische Firma werden, die von einem Aufsichtsrat kontrolliert wird“, wirft einer der Aktionäre ein. „Wir müssen Vertrauen wieder herstellen“, sagt ein anderer. Der Vorstoß von Musk sei „ungeheuerlich“. Ihre Redebeiträge jedoch verhallen im Raum.
Andere sehen es gelassener: Denn aktuell ist Tesla an der Börse 1,3 Billionen wert. Bekommt Musk das Paket überschrieben, weil die extrem ambitionierten Ziele erreicht werden, gewinnen auch die Aktionäre. Eine Vervielfachung des Werts wäre also eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. So sehen es wohl auch Elon Musk und die Zweidrittelmehrheit der Anteilseigner. Ihre Wette auf die Zukunft ist eine Wette auf den Firmenchef.
Jan Klauth ist US-Korrespondent mit Sitz in New York.
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