Der Standort Deutschland habe „eine einzigartige Ingenieurskultur und enormes Know-how“, sagt Florian Huettl, CEO von Opel/Vauxhall und Managing Director von Stellantis Germany, im Interview. Der Autobauer setze konsequent auf Elektromobilität und nachhaltige Produktion: Opel wolle die Transformation der Branche aktiv gestalten – „mit Fahrzeugen, die in Deutschland entwickelt und gebaut werden“.
Beim Future Pioneers Summit sprach Huettl mit Moderatorin Susanne Schöne über den neuen Opel Grandland, CO₂-neutrale Werke und den Wandel der Autoindustrie. Deutschland bietet, so Huettl, beste Voraussetzungen für Fortschritt und Qualität – auch wenn Energie- und Lohnkosten eine Herausforderung bleiben.
Der Future Pioneers Summit in Berlin ist eine Veranstaltung von WELT, bei der Vordenkerinnen und Vordenker aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammenkommen, um die Zukunftsstrategien deutscher Unternehmen zu diskutieren.
Frage: Der neue Opel Grandland Electric: entwickelt und designt in Rüsselsheim, produziert in Eisenach. Muss es Kundinnen und Kunden überhaupt interessieren, wo ein Opel herkommt?
Florian Hüttl: Der neue Grandland ist unsere jüngste Neueinführung bei Opel – und wir sind sehr stolz auf dieses Auto. Es ist in vieler Hinsicht ein wichtiger Meilenstein für uns, weil wir in diesem Segment nun ein vollelektrisches Angebot haben, weil wir erstmals eine Reichweite von fast 700 Kilometern mit einer Batterie erreichen und weil wir diese Batterie erstmals in Europa bauen – in unserem Werk im Joint Venture mit ACC.
Zu Ihrer Frage: Muss das die Kundinnen und Kunden interessieren? Zunächst braucht der Kunde ein spannendes, aufregendes Produkt, das ihm gefällt, seinen Bedürfnissen entspricht und seine Erwartungen an Opel erfüllt. Darüber hinaus ist „Made in Germany“ heute eines der besten Labels, die man auf einem Produkt haben kann – egal welcher Art.
Es gibt viele Kundinnen und Kunden, die sich freuen, wenn ein Fahrzeug in Deutschland gebaut wird. Wir bei Opel sind sehr froh, dass wir das schaffen – dass wir in Deutschland trotz aller Herausforderungen weiterhin Fahrzeuge produzieren können und damit unseren Beitrag leisten zur Wirtschaftsleistung, zur Beschäftigung und zum Export.
Frage: In Rüsselsheim entsteht ja gerade viel Neues, zum Beispiel der Green Campus, Ihre neue Firmenzentrale. Wie grün wird es dort – und wie wird das die Arbeit bei Opel und auch Ihre Arbeit verändern?
Florian Hüttl: Wir haben den Grundstein gelegt auf unserem Firmengelände in Rüsselsheim und bauen eine komplett neue Zentrale für Design, Engineering und alle zentralen Funktionen von Opel und Stellantis in Deutschland. Das ist für uns die Gelegenheit, unserem Versprechen, ein CO₂-neutrales Unternehmen zu werden, einen großen Schritt näher zu kommen.
Die neue Zentrale wird CO₂-neutral sein, setzt auf moderne Technologien, Solartechnik, Wärmepumpen, Isolierung – alles, was heute in der Gebäudetechnik möglich ist. Gleichzeitig schaffen wir ein modernes, ansprechendes, einladendes Arbeitsumfeld mit allen Möglichkeiten, die wir brauchen in Rüsselsheim. Damit setzen wir ein starkes Signal für die Zukunft von Opel und Stellantis – und das auf unserem historischen Firmengelände.
Frage: Schauen wir auf Ihr Modellangebot: Sie setzen klar auf eine Multi-Energy-Strategie. Wie überzeugen Sie Ihre Kundinnen und Kunden von der Elektromobilität?
Florian Hüttl: Wir haben bei Opel sehr früh auf Elektromobilität gesetzt, weil wir überzeugt sind, dass es die Hauptstraße sein wird in die emissionsfreie Mobilität von morgen. Dafür haben wir in unsere Plattformen investiert und Multi-Energy-Architekturen entwickelt. Das heißt: Wir können ein Fahrzeug bauen, das von außen gleich aussieht, aber verschiedene Antriebsarten haben kann – Verbrenner, Hybrid oder Elektro.
Diese Strategie hat im ersten Schritt viele Vorteile für uns gehabt, weil sie uns große Flexibilität gibt. Die Fahrzeuge werden auf der gleichen Linie gebaut, in den gleichen Werken und wir können den Mix – elektrisch, Hybrid oder Verbrenner – der Nachfrage anpassen. So können wir unseren Kundinnen und Kunden genau den Antrieb bieten, den sie wünschen – auch in den kommenden Jahren.
Darüber hinaus hat die Strategie den Vorteil, dass dem Kunde, der unsere Fahrzeuge ja seit vielen Jahrzehnten kennt, Modelle wie Corsa, Astra oder Mokka erhalten bleiben. Der Kunde kommt sich etwa den neuen Corsa anschauen und kann im Verkaufsprozess entscheiden, ob er den Schritt zum Elektroantrieb macht oder nicht. Das erleichtert den Übergang in vielerlei Hinsicht– und bringt sehr, sehr viele Vorteile.
Frage: Was sollte aus Ihrer Sicht vielleicht auch die Politik leisten, um das Thema E-Mobilität weiter voranzubringen?
Florian Hüttl: Zunächst mal sind wir in Deutschland heute vergleichsweise gut unterwegs. Wir haben in diesem Jahr einen E-Mix von knapp 20 Prozent – damit ist Deutschland wieder mit Abstand der größten Elektromarkt Europas und damit ein starker Heimatmarkt für die deutsche Industrie.
In Deutschland ist vieles schon auf einem guten Weg. Die Ladeinfrastruktur hat sich gut entwickelt, auch die steuerlichen Rahmenbedingungen, die die neue Regierung uns bietet, gehen in die richtige Richtung. Wir freuen uns über die Anreize, die beschlossen wurden. Was uns darüber hinaus helfen würde, wäre ein zugänglicher Strompreis – die Strompreise sind in Deutschland zu hoch.
Ein weiteres wichtiges und viel diskutiertes Thema sind die ambitionierten Elektroziele, die wir uns alle gesetzt haben und die von der Europäischen Union in die Flottengrenzen für CO₂-Ausstoss gegossen wurden. Sie sind aktuell zu ambitioniert im Vergleich zu den Realitäten, die wir in Europa sehen.
Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir hier und vor allem auch in Europa die Anforderungen an uns Hersteller in puncto CO₂-Reduktion an die Realitäten, die am Markt herrschen, anpassen. Das betrifft die Personenwagen, das betrifft aber insbesondere die leichten Nutzfahrzeuge. Da ist es sehr wichtig, dass wir auch die entsprechende Begleitung bekommen. Wir wollen keine Strafzahlungen leisten, sondern unsere Mittel, unsere Ressourcen in die Transformation stecken – auf dem Weg in die CO₂-neutrale Mobilität.
Frage: Opel setzt klar auf den Standort Deutschland. Was macht diesen Standort für Sie so attraktiv, wenn es um Fortschritt und Pioniergeist geht – in Technik, Design, Nachhaltigkeit, Mobilität und Arbeitsweise? Was müssen wir als Land tun, um unsere Stärken künftig besser einsetzen zu können?
Florian Hüttl: Deutschland bietet uns als Autohersteller vielfältige Möglichkeiten, das, was wir tun, auch gut zu tun. Deutschland hat ein sehr hohes Niveau in der universitären Ausbildung und eine starke Ingenieurskultur. Es gibt viel automobiltechnisches Know-how und ein sehr starkes akademisches System. Wir haben mit der dualen Berufsausbildung ein System, das einzigartig ist auf der Welt – auf das Opel schon seit über 160 Jahren setzt. Wir stellen jedes Jahr eine große Zahl an Auszubildenden ein.
Zudem arbeiten wir in einem stabilen Arbeitsumfeld, in dem wir gemeinsam mit unseren Sozialpartnern, insbesondere der IG Metall, die Herausforderungen der Autoindustrie angehen und Lösungen finden, die auch alle mitnehmen. Das sind eine Menge Standortfaktoren, die uns helfen und durch die wir in Deutschland gute Arbeit leisten können.
Natürlich ist nicht alles einfach. Wir sind manchmal nicht schnell genug. Energie- und Lohnkosten sind zu hoch. Aber dem gegenüber stehen Kompetenz, die über Jahrzehnte gewachsene Qualitätsfokussierung – vieles, was unsere Kundinnen und Kunden in unseren Fahrzeugen auch erwarten und was wir hier finden. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft Autos in Deutschland entwickeln und produzieren können – so wie wir es seit 1899 tun.
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