Stark gestiegene Kosten vor allem für Sicherheit, Personal und Gebühren führen vermehrt zu Absagen von Veranstaltungen im öffentlichen Raum. Betroffen sind unter anderem Weihnachtsmärkte, Stadtfeste oder Kulturevents. Knapp 57 Prozent der Organisatoren haben zuletzt Veranstaltungen verkürzt oder komplett gestrichen, zeigt eine aktuelle Umfrage der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing (bcsd). „Was unsere Innenstädte lebendig macht, steht zunehmend auf der Kippe“, heißt es in der Untersuchung, für die 258 Stadtmarketingorganisationen befragt wurden.

Um durchschnittlich 44 Prozent seien die Kosten in den vergangenen drei Jahren gestiegen, heißt es in der Umfrage. Bei Weihnachtsmärkten dürfte der Kostendruck aufgrund der langen Laufzeit noch höher ausfallen. Größte Kostentreiber sind demnach die Vorgaben für Sicherheitskonzepte und den Brandschutz sowie die Gebühren für etwa die GEMA, die Nutzungsrechte für abgespielte Musik eintreibt.

Gewinne erzielen die meisten Stadtmarketingorganisationen deswegen nicht mehr mit ihren Veranstaltungen. Drei von vier Ausrichtern müssen Geld zuschießen, zeigt die Befragung. „Die Veranstaltungen werden nicht als Geschäft gesehen, sondern als Beitrag zur städtischen Lebensqualität und Daseinsfürsorge sowie für Identität und Teilhabe“, sagt bcsd-Geschäftsführer Jürgen Block. Denn das werde von den Organisatoren als wesentlich wichtiger eingeschätzt. Es gehe um eine Belebung der Innenstädte und die Stärkung des Stadtimages und des zivilgesellschaftlichen Zusammenhalts.

Gleichwohl werde es immer schwieriger, Händlergemeinschaften und Sponsoren zu finden, die das Veranstaltungsbudget ausgleichen, sagt Gerold Leppa, Wirtschaftsdezernent der Stadt Braunschweig und Bundesvorsitzender der bcsd, mit Verweis auf die anhaltend schwierige wirtschaftliche Lage. „Insbesondere im Kulturbereich müssen dann die Städte einspringen und Geld zur Verfügung stellen.“ Deren finanzieller Druck werde aber stetig größer. „Die Gefahr, dass auch von der Seite die Mittel weniger werden, steht realistisch im Raum.“

Weihnachtsmärkte scheinen immerhin in diesem Jahr noch am wenigsten von den Einschränkungen und Restriktionen betroffen. Jedenfalls gibt es laut dem Deutschen Schaustellerbund (DSB) nur eine Handvoll Absagen, etwa in Overath bei Köln oder in Tüßling im Landkreis Altötting in Bayern. „Die große Mehrheit der Märkte wird stattfinden“, versichert DSB-Präsident Albert Ritter mit Verweis auf eigene Recherchen unter den Schaustellern, die dort für Essen, Getränke und das klassische Warenangebot sorgen.

Seinem Verband zufolge gibt es in Deutschland rund 3250 Weihnachtsmärkte mit jährlich 170 Millionen Besuchern. Die GEMA spricht sogar von rund 7000, kleine und kurzzeitige Veranstaltungen einbezogen. Umgesetzt werden auf den Weihnachtsmärkten Schätzungen zufolge rund 4,2 Milliarden Euro, pro Besucher sind das im Schnitt 25 Euro.

Weihnachtsmarkt in Magdeburg findet statt

Stattfinden wird auch der Weihnachtsmarkt in Magdeburg, bei dem es im vergangenen Jahr einen Anschlag mit sechs Toten und mehr als 300 Verletzten gegeben hatte. Nachdem es zunächst keine Genehmigung gegeben hatte, verständigten sich die Stadt Magdeburg, Vertreter des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt und die Polizei auf nochmals verstärkte Sicherheitsmaßnahmen. Die bcsd sieht eine besondere Anstrengung der Städte, was die Organisation von Weihnachtsmärkten betrifft. „Die Aktivierung aller Kräfte, es irgendwie noch zu schaffen, ist sehr groß“, sagt der Verbandschef Leppa.

Allerdings sieht er die Veranstalter am Limit und fordert Hilfe von Bund und Kommunen. „Es kann nicht sein, dass sich die übergeordneten staatlichen Ebenen zurückhalten und die Verantwortung und finanzielle Last bei den kommunalen Ordnungsbehörden und teils ehrenamtlich engagierten Veranstaltern abladen.“ Ansonsten werde sich bald niemand mehr finden, der die immer weiter steigende Verantwortung für Veranstaltungen übernehmen und deren Finanzierung stemmen kann. Den Fall Magdeburg sieht er dabei als Paradebeispiel. „Dass ein Veranstalter im Falle eines solch dramatischen Ereignisses, wie eines Terroranschlags, als Erster am Pranger steht, ist aus meiner Sicht auch eine Umkehr der Verantwortlichkeiten.“ Veranstalter seien für Dinge wie Rettungswege oder den Sanitätsdienst zuständig und könnten Sperren aufbauen. „Terrorabwehr ist eine staatliche Aufgabe.“

Unterstützung kommt vom Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) und vom Forum Veranstaltungswirtschaft. Immer häufiger würden Genehmigungsbehörden Poller, Zufahrtssperren oder eine rund um die Uhr gesicherte Logistik verlangen – selbst dann, wenn keine konkrete Gefährdung vorliegt. Das betreffe Stadtfeste, Sportevents, Kulturveranstaltungen und aktuell die Weihnachtsmärkte. „Die Verantwortung für diese Sicherheitsmaßnahmen geben Behörden immer häufiger an die Veranstalter weiter – mit erheblichen Kostenfolgen und ohne rechtliche Grundlage“, kritisiert BDKV-Geschäftsführer Johannes Everke.

Er fordert klare Zuständigkeiten, verhältnismäßige Maßnahmen und eine Wahrnehmung der staatlichen Verantwortung in der Terrorabwehr. „Die öffentliche Hand soll sich zu ihrer Rolle bekennen“, sagt Everke. „Jede angeordnete Maßnahme muss juristisch verhältnismäßig sein – also geeignet, erforderlich und angemessen. Eine allgemeine Terrorgefahr ist dagegen nicht veranstaltungsspezifisch – und deshalb ist die derzeitige Praxis rechtlich wie politisch nicht haltbar.“

Das Thema Sicherheit bei öffentlichen Veranstaltungen besorgt dabei nicht nur die Organisatoren selbst, sondern auch das Publikum, für dass die Events und Weihnachtsmärkte veranstaltet werden. Fast zwei Drittel der Bundesbürger beschäftigt etwa die Sicherheitslage auf Weihnachtsmärkten, zeigt eine aktuelle YouGov-Umfrage. Dennoch plant die Mehrheit den Besuch von Weihnachtsmärkten. Wer nicht gehen will, begründet das aber nicht nur mit Sicherheitsbedenken, sondern auch mit hohen Preisen für Essen und Getränke oder grundsätzlich fehlendem Interesse.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.

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