Eigentlich will der Minister im Oktober etwas Positives zwischen Bahn-Chaos und maroden Brücken verkünden: Der Führerschein soll günstiger werden – und das um „mehrere hundert Euro“. Doch Patrick Schnieders (CDU) Reformvorschläge werden in den folgenden Wochen von Fahrlehrerverbänden regelrecht zerrissen. Die Rede ist von einer „Deklassierung“ und einem „Schlag ins Gesicht derer, die sich in den vergangenen Jahren für die Verkehrssicherheit“ eingesetzt haben. Und das, obwohl der Minister seinen Plan zusammen mit den Verbänden und Fahrschulen entworfen hat. Was ist passiert?

Einig sind sich alle, dass der Führerschein zu teuer ist. Selbst die streitanfällige Koalition aus SPD und Union hat festgelegt: Der Führerschein soll „unter Wahrung hoher Standards“ wieder bezahlbarer werden. Allein 2024 ist die Fahrausbildung um 5,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr teurer geworden. Die Durchschnittskosten für einen Führerschein der Klasse B betragen etwa 3400 Euro.

„Objektiv betrachtet ist der Führerschein teurer geworden, keine Frage“, gibt auch Fahrlehrer Sascha Fiek zu, der als Geschäftsführer sechs Fahrschulen leitet und als Kommunalpolitiker für die FDP in Freiburg aktiv ist. Eine goldene Nase hätten sich die Fahrlehrer jedoch nicht verdient. „Unsere Renditen sind nicht explodiert, wir mussten lediglich mit höheren Kosten Schritt halten“, sagt er.

Reform wird „Menschenleben kosten“

Um den Preis zu senken und die Ausbildung flexibler zu gestalten, hat der Minister also eine Reihe an Maßnahmen vorgestellt, die teilweise auch noch von seinem Vorgänger Volker Wissing stammen. Im Juli 2025 hat im Bundesministerium für Verkehr (BMV) zudem ein „Stakeholder-Dialog mit Verbänden, der Branche und Verbraucherverbänden stattgefunden“, wie eine Sprecherin des BMV mitteilt.

Der von den Fahrschulen am schärfsten kritisierte Vorschlag: eine Abschaffung der Präsenzpflicht in der theoretischen Ausbildung. In Zukunft könnten Fahrschüler dann die gesamte theoretische Ausbildung digital absolvieren. Fahrschulen, die keinen Präsenzunterricht anbieten, benötigen dann auch keine Schulungsräume mehr, könnten also Geld sparen.

Doch Verbände wie die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) laufen Sturm. Die Abschaffung habe Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, weil Inhalte beim digitalen Lernen verloren gehen würden. „Die Kosten des Führerscheins wird es schon gar nicht senken, da Defizite während der Fahrstunden aufgearbeitet werden müssen“, heißt es in einer Stellungnahme. Auch die Deutsche Fahrlehrer-Akademie (DFA) meint: „Den Fahrschulen und den Lernenden anheimzustellen, ob sie sich für Präsenzunterricht, synchrones oder asynchrones E-Learning entscheiden, wird die immer wieder angemahnte schlechte Bestehensquote noch mehr verschärfen.“

Dass Fahrschulverbände gegen die Abschaffung sind, verwundert den Unfallforscher Siegfried Brockmann nicht. Die „BVF vertritt Fahrschulen mit größeren Schulungsräumlichkeiten, die finanziert werden müssen“, erklärt er. Doch auch Brockmann spricht sich im Sinne der Gefahrenlehre für einen Mix aus Online und Präsenz aus: „Viele junge Menschen sind nicht in der Lage, sich hinreichend auf Online-Angebote zu konzentrieren.“

Laut Fahrlehrer Fiek seien viele Ausbilder zwar offen für hybrides Lernen, jedoch gebe es Themen, die Präsenz benötigen, wie etwa sicherheitsrelevante Einstellungen, individuelle Fahrerfahrungen und Diskussionen über Risikofaktoren. Den Unterricht über eine App oder online komplett abzuhalten, gehe daher zu weit. Selbst der technologieoffene Verband Innovativer Fahrschulen Deutschland (VIFD) hält für Fahrschüler, die ihren ersten Führerschein machen, „mindestens sechs Doppelstunden in synchroner oder präsenter Form für notwendig“.

Und dann ist da natürlich auch das Thema Sicherheit. Das Risiko, einen Unfall mit Personenschaden zu verursachen, ist in der Altersgruppe zwischen 18 und 24 Jahren am höchsten. Hier sind auch die meisten Fahranfänger zu verorten. Den Fahrlehrerverbänden gehen die Maßnahmen zu weit. Jörg-Michael Satz, Präsident der Moving International Road Safety Association e. V., warnt: „Schnieders Reform ist ein gefährlicher Irrweg. Sicherheitsrelevante Inhalte nicht mehr gemeinsam in der Fahrschule zu erarbeiten, wird Menschenleben kosten.“

Unfallforscher Brockmann formuliert es nicht so scharf wie der Verein, da auch er Reformbedarf innerhalb der Ausbildung sieht: „Man darf nur nicht das Kind mit dem Bade ausschütten“. Gerade in Bezug auf das sogenannte Jugendlichkeitsrisiko sei der Austausch in Präsenz wichtig. Als Jugendlichkeitsrisiko bezeichnet man das erhöhte Unfallrisiko von jungen Menschen, das sich aus Faktoren wie mangelnder Fahrpraxis, typischem Verhalten und Selbstüberschätzung ergibt.

Simulatoren für über 30.000 Euro

Einen Blick in die Zukunft wagt der Minister jedoch nicht nur in der theoretischen Ausbildung, sondern auch in der Praxis. So will Schnieder die verstärkte Nutzung von Simulatoren ermöglichen. Fahrschüler könnten bestimmte Grundfertigkeiten somit zunächst im geschützten virtuellen Raum erlernen, bevor sie auf die Straße gehen. Dazu gehöre auch die „Schaltkompetenz“ – also das Erlernen des Fahrens mit Gangschaltung.

Ob sich diese Maßnahme auch auf die Kosten auswirkt, bezweifelt die BVF jedoch. Billige Übungsstunden mit einem Simulator gehören demnach „in den Bereich der Märchen“. Simulatoren würden bei der Anschaffung teils über 30.000 Euro kosten. Fahrlehrer Fiek entgegnet: „Die Simulatorstunde wird trotz Anschaffung günstiger sein als eine echte Fahrstunde, allein schon wegen der geringeren Betriebskosten.“ Allerdings benötige auch der Simulator eine personelle Betreuung.

Die BVF kritisiert jedoch auch den tatsächlichen Lerneffekt beim Einsatz von Simulatoren. „Wer beispielsweise am Simulator auf die Autobahn auffahren kann, erhält über diesen eine positive Rückmeldung, obwohl er diesen Fahrvorgang im Realverkehr längst noch nicht sicher beherrscht.“ Fahrlehrer müssten die Übungsstunden dann nachholen, was die Kosten für den Erwerb wieder steigern kann.

Allerdings sind bereits jetzt Simulatoren bei vielen Fahrschulen erfolgreich im Einsatz. Der VIFD betont: „Simulatoren ermöglichen sichere, reproduzierbare und effiziente Trainingssituationen und können zur Qualitätssteigerung beitragen.“ Auch zum Erwerb der Schaltkompetenz sowie für bestimmte Sonderfahrten.

Die Sonderfahrten will Schnieder ohnehin reduzieren. Immerhin ist ein großer Kostentreiber bei der Fahrausbildung die Anzahl der Fahrstunden. Fahrschul-Geschäftsführer Fiek würde sich statt starrer Zahlen jedoch mehr Flexibilität wünschen. „Manche brauchen mehr Autobahn, andere mehr Nachtfahrten.“ Er schlägt daher ein Zeitkontingent vor. „Ein bestimmtes Gesamtvolumen an Sonderfahrten, aber pädagogische Freiheit, wie es verteilt wird.“

Auch den Fragenkatalog der theoretischen Prüfung will der Minister überarbeiten. Dieser sei mit aktuell genau 1169 Fragen zu groß und soll um ein Drittel reduziert werden. „Ich würde mir zusätzlich wünschen, dass auch die praktischen Prüfungsrichtlinien einmal systematisch überprüft werden“, meint Fiek. Manche Kriterien seien streng. Prüfer würden oft sagen: „Der ist super gefahren, aber wegen dieser Kleinigkeit muss ich ihn durchfallen lassen.“ Fiek sehe hier Spielraum.

Außerdem will der Minister den Wettbewerb stärken: Fahrschulen müssen laut seines Entwurfes in Zukunft die Preise der Ausbildung sowie ihre Bestehensquoten online ausweisen. Fahrschüler könnten so die Angebote besser vergleichen. Schnieder hofft, dass dadurch schwarze Schafe auffallen, die Kosteneinsparungen durch die Maßnahmen nicht weitergeben.

Doch gerade bei den Bestehensquoten gibt es Kritik. Sie würden zu mehr Bürokratie und ungleichen Voraussetzungen führen. „Jeder Fahrlehrer wird sich (zukünftig) sehr gut überlegen, welchen Bewerber er in seine Fahrschule aufnimmt“, so die BVF. Weniger bildungsaffine Personen würden es schwerer haben, eine Fahrschule zu finden.

Auch Fiek meint, die Daten müssten immer aktuell sein, sonst verzerren sie. „Und es braucht Differenzierung zwischen Klassen sowie Altersgruppen. Auch regionale Unterschiede spielen eine Rolle.“ Auf die Frage, ob Fahrschulen dann benachteiligte Schüler ablehnen würden, sagt er: „Ich fände es schlimm, wenn das passiert. Jeder Mensch hat ein Recht auf Mobilität und auf eine Fahrausbildung.“ Am Ende habe immer der Fahrlehrer die Verantwortung, die Schüler richtig auf die Prüfung vorzubereiten.

Fahrstunden mit Eltern werden abgelehnt

Wo sich alle Seiten einig sind: Die sogenannte Experimentierklausel darf nicht kommen. Dahinter verbirgt sich die Idee, nahestehende Personen in die Fahrausbildung einzubinden. Eltern könnten mit ihren Kindern private Fahrstunden absolvieren. In Österreich ist das bereits unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Schnieder will die Option zumindest überprüfen. Doch sowohl BVF, DFA, Moving als auch der VIFD lehnen dies aufgrund von Sicherheitsproblemen und juristischer Unklarheit ab.

In ein Gesetz gegossen sind die Vorschläge ohnehin nicht. Der Minister will zunächst in den Austausch mit Bundesländern und Verbänden gehen. Konkrete Einzelmaßnahmen sollen dann der Verkehrsministerkonferenz Ende März 2026 präsentiert werden, wie eine Sprecherin des Ministeriums mitteilt.

Erste rechtliche Änderungen könnte es somit frühestens noch im ersten Halbjahr 2026 geben. Und das könnte für die Fahrschulen zum Problem werden. Aufgrund der Reformvorschläge und möglicher Kostensenkungen überlegen sich potenzielle Fahranfänger, mit der Ausbildung zu warten.

Bei Fahrlehrer Fiek sei der Effekt bisher gering, „aber bundesweit höre ich massive Klagen.“ Doch er warnt: Die Gesetzgebungsverfahren dauern lange. „Wer jetzt abwartet, riskiert sogar höhere Kosten, wenn etwa der Prüfauftrag verfällt.“ Im Gegensatz zum Zeitplan des Verkehrsministers rechne er daher nicht vor 2027 mit gesetzlichen Änderungen. Welche geplanten Maßnahmen dann am Ende noch übrig bleiben, wird in den kommenden Monaten diskutiert.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.

Klemens Handke ist Wirtschaftsredakteur. Er schreibt über Verkehrspolitik und die Deutsche Bahn.

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